Missbrauchsprozess von Fluterschen in Koblenz: Aussage von Tochter und Stiefsohn unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Foto: dpa

Koblenz/Fluterschen – Dramatische Szenen im Landgericht Koblenz beim zweiten Verhandlungstag im Missbrauchsprozess Fluterschen: Detlef S. hat am Mittwoch die Taten an seiner nun 18-Jährigen Tochter eingeräumt. Zuvor hatte er den Saal verlassen müssen. Heute geht die Zeugenvernehmung weiter. Geladen sind unter anderem zwei Söhne der betroffenen Familie sowie eine Nachbarin aus Fluterschen im Westerwald.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Koblenz/Fluterschen – Dramatische Szenen im Landgericht Koblenz beim zweiten Verhandlungstag im Missbrauchsprozess Fluterschen: Detlef S. hat am Mittwoch die Taten an seiner nun 18-Jährigen Tochter eingeräumt. Zuvor hatte er den Saal verlassen müssen. Heute geht die Zeugenvernehmung weiter. Geladen sind unter anderem zwei Söhne der betroffenen Familie sowie eine Nachbarin aus Fluterschen im Westerwald.

Der Familienvater aus dem Westerwald hatte am Vortag lediglich eingeräumt, mit seiner Stieftochter (28) sieben Kinder gezeugt zu haben. Einen Missbrauch hatte er da noch abgestritten. Am Mittwoch dann sagten sein Stiefsohn und seine 18-jährige Tochter aus. Und als die zum zweiten Mal in Tränen ausbrach bei dem Anblick ihres Vaters, entschied er sich um. Er gab den Missbrauch der jungen Frau zu. Dabei geht es um 325 der 350 Taten, die ihm insgesamt zur Last gelegt werden.

Das Gericht hatte Detlef S. für die Aussagen der Tochter zeitweilig aus dem Saal verbannt.

Ihr sollte erspart bleiben, unter dem Druck der Gegenwart des Vaters aussagen zu müssen. Die Frau hatte unter Tränen gesagt, nichts zu sagen, wenn der Mann dabei ist. Sandra Buhr, Anwältin der jungen Frau, hatte zuvor erklärt, ihre Mandantin sei „von Angst beherrscht“. Sie habe diesen Tag gefürchtet. „Auf der einen Seite ist es ja ihr geliebter Vater, auf der anderen Seite auch ihr Peiniger, der ihr die Kindheit genommen hat.“ Das zeigte sich auch im Saal: Sie liebe ihren Vater, aber sie hasse ihn für das, was er ihr angetan hat, sagte die Frau immer wieder.

In ihrer Aussage schilderte die Tochter laut Gericht auch die Gewaltsituation in der Familie. Prügel hätten vorrangig die Stiefkinder bekommen, sagte die 18-Jährige.

Richter und Anwälte zeigten sich nach ihren Aussagen tief bewegt. Dem 48-Jährigen aus Fluterschen im Westerwald drohen bei einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft – auch Sicherungsverwahrung ist beantragt.

«Es war eine ergreifende Darstellung», sagte der Verteidiger des Angeklagten, Thomas Düber, über die Vernehmung der Tochter. «Ich habe dann abgebrochen und ein Gespräch mit meinem Mandanten geführt, weil ich den Eindruck hatte, es reicht.»

Düber sprach von einer bemerkenswerten Situation, weil die Tochter neben den grauenhaften Berichten von Missbrauch auch über schöne Zeiten gesprochen habe. «Ich bin selber ein wenig betroffen von dieser Vernehmung», sagte der Anwalt. Die Tochter bestätigte laut Gericht im Wesentlichen die Vorwürfe.

«Da sitzt eine 18-Jährige, die Rotz und Wasser heult und versucht zu erklären, wie ihr Vater ihr so etwas antun konnte», sagte die Tochter-Anwältin Sandra Buhr. Das sei das Bewegendste gewesen, was sie je erlebt habe. Der vielfache Familienvater soll die Tochter, den 27-jährigen Stiefsohn und dessen Zwillingsschwester über Jahre missbraucht haben. Der 48-Jährige habe die beiden Mädchen auch für Sex an fremde Männer verkauft, heißt es in der Anklageschrift.

Zunächst hatte Stiefsohn Björn S. seine Aussage gemacht. Er steht wie seine Stiefschwester als Nebenkläger vor Gericht. Der Anwalt des Stiefsohnes, Bernd Lindlein, betonte: «Für meinen Mandanten war dieser Tag unheimlich schwer.» Er habe Angst gehabt, dass die Befragung abgebrochen werden müsste.

Die Zwillingsschwester hatte bereits am ersten Verhandlungstag die Anklagevorwürfe im Wesentlichen bestätigt. Sie war auch am Mittwoch ins Gericht gekommen, um ihrer Stiefschwester beizustehen.

Lindlein betonte mit Blick auf den Angeklagten: «Dass er verurteilt wird, ist klar – die Frage ist weswegen.» Er ergänzte: «Der Mann ist unberechenbar.» Ein Ende des Verfahrens sei noch nicht abzusehen.

Derweil berichteten die Halbschwestern der Illustrierten «Bunte», künftig ein möglichst normales Leben führen zu wollen. Sie träume von einem Leben «ohne Gewalt. Ohne Schläge. Ohne Fremdbestimmung», sagte die 27-jährige Stieftochter.

Die 18-jährige leibliche Tochter des Mannes beginnt den Angaben zufolge im Sommer eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. «Papa wollte nicht, dass wir Mädchen zur Schule gehen. Dort hatte er ja keine Kontrolle über uns.» Über ihren Vater sagt sie: «Wenn er aus dem Gefängnis freikommen würde, würde ich weglaufen.»

Doch die junge Frau scheint tief zerrissen. Nach der Vernehmung äußerte sie den Wunsch, sich noch von ihrem Vater zu verabschieden. Vater und Tochter hätten sich dabei in den Arm genommen, berichtete Anwältin Buhr.