Koblenz/Paris

Die Tour de France und ihr Hauptproblem

Genervt
Alberto Contador wurde bei der Teampräsentation von den Zuschauern ausgepfiffen. Foto: DPA

Heute beginnt die Tour de France – mit Alberto Contador und einem Rucksack voller Probleme. In einer Kolumne zum Tour-Start nähert sich unsere Sportredaktion dem Thema auf etwas andere Weise.

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Koblenz/Paris – Heute beginnt die Tour de France – mit Alberto Contador und einem Rucksack voller Probleme. In einer Kolumne zum Tour-Start nähert sich unsere Sportredaktion dem Thema auf etwas andere Weise. Aber geben wir doch gleich unserem stellvertretenden Sportchef Alessandro Fogolin das Wort, er blickt in dieser Kolumne auf die Tour de France voraus und auf sein persönliches Schicksal als Hobby-Radrennfahrer zurück.

1. Etappe
Die 1. Etappe der Tour de France 2011 von Passage du Gois bis Mont des Alouettes.
Foto: DPA

Die Tour und ihr Hauptproblem

Die Gelegenheit ist günstig, der Sportchef ist gerade nicht im Büro, deswegen vorab mal eine dringende Klarstellung: Der verunfallte Kollege, von dem vor einigen Wochen an dieser Stelle despektierlich die Rede war, ist nicht einfach so „vom Rad gefallen“. Er hat sich mit einer Eisenbahnschiene angelegt und das Duell, wie zu befürchten war, brutal deutlich verloren. Fortan wird er die Bahn für ihre dämliche Idee, Schienen diagonal über Straßen zu verlegen, mit einem lebenslangen Boykott bestrafen. Auch wenn sie's nicht merken wird. So, das musste einfach mal gesagt werden.

Nun zur Sache: Wer ist denn eigentlich verantwortlich für das größte Problem des Radsports – diagonal verlegte Eisenbahnschienen mal ausgenommen? Im Zweifelsfall natürlich jene, die darüber schreiben. Anfang der Woche ereilte uns der Anruf eines wütenden Lesers, der sich beklagte, die Sportredaktion habe im Rahmen der Straßen-DM in Neuwied mal wieder „nur“ über Doping berichtet. Hat sie natürlich nicht; sie ist auch nicht der Totengräber des Radsports – obwohl ein Teileingeständnis ihrer Schuld am Doping-Dilemma komplexe Telefonate deutlich verkürzen dürfte. Das wäre insofern eine Option, da gerade eine komplexe Tour de France beginnt.

Die aktuelle Frankreich-Rundfahrt ist ein feines Indiz dafür, dass der Radsport selbst Schuld haben könnte an seiner Situation. Heute starten 198 Fahrer in eine weitere Auflage des epischen Rennens, das nach drei Wochen, 21 Etappen und 3430 Kilometern Alberto Contador zum Sieger küren wird. Zumindest vorläufig. Der Spanier hat die Konkurrenz schon beim Giro d'Italia komplett aus den Schuhen gefahren, und wenn er nicht einfach so „vom Rad fällt“ (und so dumm wie der verunfallte Sportkollege wird Contador ja kaum sein), wird er zum vierten Mal im Gelben Trikot auf dem Podium in Paris stehen. Das mag gut für ihn sein. Aber ist das gut für den Sport? Und darf man das jetzt überhaupt fragen, ohne direkt als Defätist verdächtig zu sein?

Darf man. Schließlich dürfte Contador ja eigentlich gar nicht mitklettern durch Alpen und Pyrenäen nach seinem positiven Test auf Clenbuterol bei der Schleife durch Frankreich im Vorjahr. Die Geschichte mit dem Kumpel, der am Ruhetag ein schönes Filetstück eines dummerweise verseuchten spanischen Rindes mitbrachte, ist zwar fast schon legendär; so recht entlasten kann sie den vermutlichen Ex-Fuentes-Kunden Contador aber nicht. Das tun andere dann direkt oder indirekt – zuvorderst der spanische Verband mit seinem Freispruch, der Weltverband UCI mit seinem Zögern und Zaudern – und nicht zuletzt der Tour-Veranstalter, der den 28-Jährigen, frei von Bedenken, starten lässt. Und sich am Ende womöglich noch über schlechte Presse wundert. Und darüber, dass er im Nachhinein wieder verkünden muss, dass der Schnellste nicht auch der Sieger war.

Es mag viele geben, die das nicht stört. Und sei es nur aus Gewohnheit. Schwamm drüber, so kennt man ja inzwischen die selbstreinigenden Kräfte im Radsport. Über die Doping-Problematik kritisch zu reden oder zu schreiben, ist dann vermutlich aber auch kein Verbrechen. Das funktioniert sogar, wenn man sich dem Radsport besonders verbunden fühlt.

Wir müssen Schluss machen. Der Chef ist wieder da.