Frankfurt

Warum ein Kopfballverbot noch kein Thema ist: Der DFB setzt auf Empfehlungen

Auch bei den Kleinsten bleibt der Kopfball nicht aus. Der DFB rät den Vereinen, in diesen Altersklassen leichtere Bälle zu verwenden.
Auch bei den Kleinsten bleibt der Kopfball nicht aus. Der DFB rät den Vereinen, in diesen Altersklassen leichtere Bälle zu verwenden. Foto: Imago

Der Kopfball im Fußball ist umstritten. Schon länger wird ein Zusammenhang zwischen sich häufig wiederholenden Kopfverletzungen und neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz und Alzheimer vermutet. Besonders in Großbritannien gibt es eine Debatte über die möglichen langfristigen Folgen des Kopfeinsatzes.

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Eine viel beachtete schottische Studie hat 2019 ein erhöhtes Risiko bei Fußballern herausgefunden, an Demenz oder Alzheimer zu sterben. Weltweit haben sich daher vereinzelt Wissenschaftler für ein Verbot von Kopfbällen bei Kindern ausgesprochen.

Tim Meyer, Teamarzt der Deutschen Nationalmannschaft und Leiter der medizinischen Kommission des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), warnt indes vor unüberlegten Verboten: „So ein Kopfball zieht in der Regel kein greifbares medizinisches Krankheitsbild nach sich.“ Gehirnerschütterungen könnten zwar vereinzelt bei Kopfbällen auftreten, sagte Meyer. „Meistens ist es nicht der Ball, der diese Gehirnerschütterung auslöst, sondern der Kontakt mit dem Kopf des Gegners, der Schulter, der Pfosten oder dem Boden.“ Statt eines Verbots soll das Kopfballspiel „schonend beigebracht“ werden, forderte der Neurologe Claus Reinsberger, der auch Mitglied der medizinischen Kommission ist.

Kleine Felder, flache Pässe

Der DFB will Kinder deshalb sensibler an das Thema heranführen. Er empfiehlt für das Training in den jüngeren Jugendklassen leichte Bälle – teils aus Schaumstoff – sowie eine geringe Zahl von Kopfball-Wiederholungen pro Training. In den höheren Jugendklassen soll erst in der A- und B-Jugend „mit allen Formen des Kopfball-Spiels“ trainiert werden.

Kleine Spielfelder bei den Jüngeren und Mini-Tore sollen dazu beitragen, dass die Bälle verstärkt flach gespielt werden. „Wir haben festgelegt, dass die Spielfelder mitwachsen mit den Kindern“, sagt DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann. „Wenn man sich heute ein Fußballspiel von Fünf- oder Sechsjährigen anschaut, dann findet da ohnehin relativ wenig Kopfballspiel statt.“

Eine Antwort, inwiefern Kopfbälle schwere Gehirnerkrankungen auslösen könnten, existiert bisher nicht. In England, Schottland und Nordirland gibt es seit Anfang 2020 ein Verbot von Kopfbällen im Training von Kindern unter zwölf Jahren. Zudem sind die Profiklubs angehalten, die Zahl der Kopfbälle pro Spieler auf zehn pro Trainingswoche zu begrenzen. Auch in den USA sind Kopfbälle für Kinder unter zehn Jahren verboten.

Die schottische Studie aus dem Jahr 2019 hatte knapp 8000 ehemalige Spieler unter die Lupe genommen und herausgefunden, dass die Wahrscheinlichkeit einer Demenzerkrankung bei Fußballern 3,45-mal höher ist als in der Restbevölkerung. Mehrere Nationalspieler aus der englischen Weltmeister-Mannschaft von 1966 sind nach einer Demenzerkrankung gestorben. Bobby Charlton, die Fußballlegende aus dem Weltmeister-Kader, leidet an Demenz. Reinsberger kritisierte an der Studie, dass soziokulturelle Faktoren wie Alkoholkonsum oder Lebensweise nicht berücksichtigt worden seien.

Erkrankung CTE wird erforscht

Die Wissenschaft fragt sich dennoch, wie häufige leichte Schläge auf den Kopf und leichte Gehirnerschütterungen chronische Erkrankungen wie Demenz, Parkinson und schwere Schädel-Hirn-Traumata begünstigen. Auch die Erkrankung CTE, die aus dem Boxen und dem American Football bekannt wurde, wird mit dem Fußball in Verbindung gebracht.

Bei der CTE, die bisher nur nach dem Tod festgestellt werden kann, weisen geschrumpfte Hirne auffällige Proteinablagerungen und entzündliche Veränderungen auf. „Es ist noch nicht ganz geklärt, wie man die Krankheit zu Lebzeiten erkennen kann. Klar ist, dass nicht oder nur ungenügend behandelte Schädel-Hirn-Traumata ein Risiko für diese CTE-Erkrankung sind“, sagte Reinsberger.

DFB-Teamarzt Meyer will im Erwachsenenfußball nicht grundsätzlich vom Kopfball abraten. „Ich sehe auch nicht, dass wir in absehbarer Zukunft da irgendetwas wie ein Kopfballverbot haben werden.“ Lösungen sieht der Neurologe Reinsberger neben einem hirnschonenden Kopfballtraining in längeren Pausen für am Kopf verletzte Spieler, um sie zu untersuchen. „Bevor man über solche radikalen Lösungen nachdenkt, kann man auch in der derzeitigen Spielform sehr viel tun, um die Gehirngesundheit von Athletinnen und Athleten positiv zu beeinflussen“, sagte Reinsberger.

Zeit für Untersuchungen auf dem Platz gibt es im Profisport oft nicht. Der Druck im Stadion wird von Ärzten häufig als groß beschrieben. Seit der Saison 2015/2016 wird Medizinern in Deutschland eine Unterbrechung von drei Minuten ermöglicht, um Kopfverletzungen zu untersuchen. In einigen Ländern haben Mannschaften mittlerweile die Möglichkeit für eine zusätzliche Auswechslung in einer solchen Situation. Denkbar sind zum Beispiel auch temporäre Wechsel, damit Spieler in der Kabine untersucht werden können. „Der Mannschaftsarzt auf dem Feld muss eine Gehirnerschütterung nicht sicher diagnostizieren können, sondern er muss sie ausschließen können“, sagte Reinsberger.