Koblenz (dpa/lrs) - Ein halbes Jahr nach dem Machetenangriff auf eine Polizeistation in Linz (Landkreis Neuwied) hat das Landgericht Koblenz einen Mann zu acht Jahren Haft verurteilt. Für das Gericht war erwiesen, dass der 30-Jährige die Wache mit dem Vorhaben betreten hatte, die dort anwesenden Polizisten umzubringen. «Er wusste, dass er dort mindestens einen Beamten antreffen wird», sagte der Richter. Der Angeklagte wurde damit des versuchten Mordes und der Sachbeschädigung schuldig gesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Mann mit albanischer Staatsangehörigkeit war im September 2024 bewaffnet in die Polizeiwache gelaufen. Noch in der Schleuse sperrte ihn der diensthabende Polizist jedoch ein. Stundenlang randalierte der Angreifer dort, bis er schließlich mit einem Taser überwältigt werden konnte. Weil er schon mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten war, kannte der Angeklagte die Polizeiwache und auch die Schleuse, hatte aber geglaubt, «dieses Hindernis durch sofortige und massive Schläge überwinden zu können», so der Richter.
Über das Internet radikalisiert
Nach Auffassung des Gerichts hatte sich der Angeklagte im Vorfeld radikalisiert - gespeist von Aufrufen in Internetforen des sogenannten Islamischen Staates (IS). Diese Indoktrination wollte der Mann demnach eins zu eins umsetzen, indem er im Alleingang die Polizeistation stürmte. Auf genau solche öffentlichkeitswirksamen Einzeltäter setze der IS: «Der Radikalisierte wird zum Einmalwerkzeug, ohne dabei Spuren zu den Hintermännern und Drahtziehern zu hinterlassen», sagte der Richter. «Der Angeklagte hat sich freiwillig in die Rolle eines solchen Selbstläufers begeben.»
Bei dem Angriff sei es aber nicht nur um Publicity gegangen. «Plan A» des Mannes sei gewesen, den Polizeibeamten zu töten, den er mit Sicherheit hinter der Glasscheibe der Schleuse antreffen würde. Erst als ihm klar geworden sei, dass dieser Plan gescheitert war, sei er zu seinem zweiten Ziel übergegangen: sich selbst als Märtyrer für die «gute Sache» zu inszenieren und bei diesem Kampf unterzugehen.
Geplatzte Ehe, verlorener Job
Das Gericht stellt den Angeklagten als einen Mann dar, der für solch eine Radikalisierung besonders anfällig ist, weil er unter einer Persönlichkeitsstörung leidet. Zeitnah zur Tat habe er außerdem seinen Job verloren, seine Ehe sei in die Brüche gegangen. «Da blieb nicht mehr viel an Lebenskonzept zum Zeitpunkt der Tat übrig», sagte der Richter. Die radikalen Inhalte hätten ihm Orientierung zurückgegeben - und eine Gelegenheit zur Selbsterhöhung.
Bei der Erwägung des Strafmaßes habe das Gericht auch berücksichtigt, dass außer dem Angeklagten niemand bei dem Angriff verletzt wurde. Für alle außer ihm hätte zudem auf der Hand gelegen, dass ein Solo-Sturm auf eine Polizeiwache mit Sicherheit scheitern würde, befand das Gericht und sah bei ihm deshalb keine besondere kriminelle Energie. Dennoch habe der Angriff den gewünschten Erfolg gehabt: Er habe die Bevölkerung verunsichert und ein Zeichen für Nachahmer gesetzt.
Polizisten als Repräsentanten des Staates
Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor eine Freiheitsstrafe von elf Jahren gefordert. Der Angeklagte habe die Polizisten nicht als Individuen gesehen, sondern als Repräsentanten des Staates, der Israel unterstütze, sage die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer und sprach von niedrigen Beweggründen. In den Augen des 30-Jährigen hatten die Beamten «ihr Lebensrecht allein aufgrund ihrer beruflichen Stellung verwirkt».
Der Anwalt des Angeklagten hatte hingegen angegeben, bewusst keinen Antrag zum Strafmaß stellen zu wollen. Er argumentierte, sein Mandant habe gewusst, dass es sich um Panzerglas handele. «Die Beamten wurden keiner Gefahr ausgesetzt», sagte er. «Das ist bildlich gesprochen wie mit einem Tiger in einem Gitterkäfig zu vergleichen.» Dass der Mann davon geredet hatte, Menschen töten zu wollen, bestritt aber auch der Verteidiger nicht.
Verschränkte Arme, Blick geradeaus
Der Angeklagte selbst lehnte an diesem Tag ab, sich vor Gericht zu äußern. Er verfolgte das Geschehen den Großteil der Zeit über mit verschränkten Armen oder strich sich über seinen Bart. Auch bei der Begründung des Urteils sah er den Richter nicht an, sondern schaute zurückgelehnt geradeaus. Der 30-Jährige hatte es in den vergangenen Jahren bereits mehrfach mit Polizei und Gerichten zu tun gehabt: Er wurde unter anderem mit Betäubungsmitteln erwischt, außerdem beim Schwarzfahren im Zug und ohne Führerschein im Auto.
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