Trier/Püttlingen (dpa/lrs) – Rückblickend wundert sich Annegret Kramp-Karrenbauer selbst. Viele Jahre Ministerin und Ministerpräsidentin des Saarlandes, dann CDU-Bundesvorsitzende und Verteidigungsministerin – bis sie Ende 2021 aus der Berufspolitik ausschied. «Es kommt mir manchmal surreal vor, dass ich so lange dabei war. Und ich staune darüber, was in der Zeit alles so passiert ist», sagt sie der Deutschen Presse-Agentur.
Nach dem Schnitt sei sie «sehr schnell» in der neuen Realität angekommen, sagt die 62-Jährige. Was sie besonders genießt? «Meine persönliche Freiheit, was die Zeit anbelangt.» Spontan mit dem Ehemann frühstücken zu gehen oder längere Fahrten mit dem Wohnmobil durch Deutschland und Nordeuropa zu machen – so etwas war vorher undenkbar. «Ich schätze den Zugewinn an Lebensqualität: Ich genieße mein Privatleben und bin glücklich.»
Politik bleibt ihre Leidenschaft
Die aktuelle Politik lässt Kramp-Karrenbauer, die oft auch mit ihren Initialen AKK genannt wird – aber nicht los. «Das ist ja eine wirkliche Leidenschaft, und die bleibt natürlich. Ich verfolge alles Politische», sagt die Saarländerin, die in Püttlingen zu Hause ist. Sie gehöre aber nicht zu denen, «die an der Seitenlinie stehen und sobald sie nicht mehr im Amt sind, anfangen, anderen kluge Ratschläge zu geben».
Als künftige Bundesregierung wünsche sie sich eine Koalition, «die sich wirklich darauf verständigt, das, was in Deutschland verändert werden muss, zu verändern», sagt Kramp-Karrenbauer. Es wäre gut, sich für die nächsten vier Jahre auf zwei, drei Hauptaufgaben zu konzentrieren.
Hauptthemen Sicherheit und Wirtschaft
Viele Bürger hätten das Gefühl: «So wie es im Moment ist, kann es nicht weitergehen. Und wenn aus der demokratischen Mitte heraus diese Veränderung nicht kommt, dann suchen sich die Bürger an den politischen Rändern diejenigen, die es möglicherweise in einer Art und Weise machen, dass wir unser eigenes System nicht mehr wiedererkennen», sagt sie.
Die zwei Hauptthemen seien ihrer Ansicht nach Sicherheit und Wirtschaft. «Vieles, was wir seit dem Einmarsch und dem russischen Überfall auf die Ukraine schon diskutiert habe, wird sich jetzt intensivieren und schneller gehen.» Auch Deutschland müsse deutlich mehr Geld als zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes für Verteidigung ausgeben.
«Wir haben eine neue Bedrohung von Russland, die wir sicherlich vor ein paar Jahren so alle noch nicht eingeschätzt haben», sagt AKK. «Da sind wir jetzt sehr gefordert, was unsere eigene Sicherheit und auch die Sicherheit innerhalb Europas und der Nato anbelangt.»
Mit Blick auf die Wirtschaftskrise müssten sich Bürger auf «schwierige Zeiten» einstellen. Es gebe etliche neue Herausforderungen. Sie sei aber optimistisch: «Deutschland hat schon mehrmals in solchen Umbruchsituationen gestanden und es immer auch geschafft.»
AKK und ihr Engagement
Kramp-Karrenbauer engagiert sich vielfältig im Ehrenamt: von der lokalen Ebene als Vorsitzende des Vereins Erwerbslosen-Selbsthilfe Püttlingen bis zur internationalen Ebene als Sprecherin der Europäer in der US-Denkfabrik Cepa (Center for European Policy Analysis). Zudem ist sie seit Jahren Präsidentin des Deutschen Volkshochschulverbandes und seit 2024 Geschäftsführende Vorsitzende der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS).
«Das sind alles Politikfelder, die ein bisschen meine Leidenschaft sind», sagt die Saarländerin in Trier beim Besuch des DKJS-Standorts für Rheinland-Pfalz und das Saarland. «Ich empfinde es auch als Luxus, weil ich auch konzeptionell an Themen arbeiten kann, ohne dass ich direkt Umsetzungsverantwortlichkeit habe.» Ihr Engagement als «aktive Bürgerin» sei auch eine Art, sich politisch zu betätigen, sagt sie.
Nicht zurück in die Berufspolitik
Eine Rückkehr in die Berufspolitik sieht Kramp-Karrenbauer für sich nicht. Und fügt mit Blick auf ihre Zeit in der Bundespolitik hinzu: «Natürlich habe ich Fehler gemacht.» Deswegen sei es «eben auch dazu gekommen, dass ich meine politische Karriere beendet habe, ohne dass ich letztendlich in das Amt gekommen bin, das ich mir gewünscht hätte».
Damit meint sie das Amt der Bundeskanzlerin: Kramp-Karrenbauer hatte im Februar 2020 auf eine Kanzlerkandidatur 2021 verzichtet und ihren Rücktritt als Parteichefin (seit Ende 2018) angekündigt. Der Rücktritt kam auch als Konsequenz aus der Regierungskrise in Thüringen: Dort war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen seiner Partei, von CDU und AfD zum Regierungschef gewählt worden.
Es gebe «ein ungeklärtes Verhältnis von Teilen der CDU mit AfD und Linken», sagte die Politikerin damals. Sie sei strikt gegen eine Zusammenarbeit mit AfD und Linker. Zudem sei offensichtlich, dass Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur in eine Hand gehörten. Aus ihrer Sicht hatte die ungeklärte Führungsfrage in der Partei die CDU zuletzt geschwächt.
Mit der früheren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe sie immer noch Kontakt. «Das ist natürlich nicht mehr so häufig», sagt AKK. Merkel habe zurzeit viel zu tun mit ihrem Buch und Lesungen. «Wir haben uns aber dieses Jahr fest versprochen, dass wir uns noch mal auf einen Kaffee treffen.»
AKK wieder als Putzfrau Gretel ?
Eine andere Rückkehr schließt AKK aber nicht aus. Und zwar als Putzfrau Gretel bei der saarländischen Narrenschau. Im letzten Jahr habe sie nach etlichen Jahren Pause kurz zur Sessionseröffnung die Kittelschürze angezogen. In der Rolle der Putzfrau Gretel «wischt» sie mit dem Besen und humorvollen Reden, die sie selbst schreibt, kräftig durch das aktuelle Geschehen.
Nach einem Karnevalsauftritt im baden-württembergischen Stockach im Februar 2019 hatte sie in ihrer Rolle Wellen geschlagen. Da widmete sie sich der Einführung von Toiletten für das dritte Geschlecht. Dafür geriet sie in die Kritik, ihr wurde Diskriminierung vorgeworfen.
Dieses Jahr hatte sie nach einer Anfrage von den Saar-Narren überlegt, dann aber aus privaten Gründen abgesagt. Wie es nächstes Jahr aussieht? «Ich weiß es nicht. Aber auf jeden Fall, wenn die Politik in der Welt so weitergeht, geht der Stoff für Gretel nicht aus.»
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