Russischer Angriff
1.000 Tage Krieg in der Ukraine - Folgen für Rheinland-Pfalz
Finanzhilfen für die Ukraine aus den USA
Finanzhilfen für die Ukraine aus den USA
Mariam Zuhaib. DPA

Die Ukraine steht vor ihrem dritten Kriegswinter. Ukrainerinnen und Ukrainer weltweit leiden an den Konsequenzen des Konflikts, auch in Rheinland-Pfalz. Was bedeutet Trumps Wahlsieg?

Aktualisiert am 18. November 2024 13:47 Uhr

Mainz (dpa/lrs) - Am Dienstag sind genau tausend Tage seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine vergangen. Nach Einschätzung des Mainzer Osteuropa-Experten Jan Kusber befindet sich die Ukraine in einer nahezu ausweglosen Situation. «Das Beharren auf den Grenzen von 1991 ist unrealistisch, zudem hat Russland keines der Waffenstillstandsabkommen nach der Annexion der Krim 2014 eingehalten», sagte der Professor der Johannes Gutenberg-Universität. Eine vollumfänglich politische und militärische politische Integration in Nato und EU liege gleichfalls in der Ferne.

Zur Ermüdung durch den Krieg komme in Kiew eine politische Resignation. «Sie ist deutlich spürbar und führt zu unrealistischen Spekulationen - etwa über eigene Atomwaffen. Einmal abgesehen von fehlenden technischen Möglichkeiten – die Verbündeten würden diesen Schritt nie mitgehen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Mehr als 50.000 Ukrainer in Rheinland-Pfalz

Der Krieg hat viele Ukrainerinnen und Ukrainer auch nach Rheinland-Pfalz gebracht. Zurzeit halten sich hier rund 52.400 ukrainische Vertriebene auf, wie das rheinland-pfälzische Integrationsministerium auf Anfrage mitteilte. Das ergeben Zahlen aus einer Sonderauswertung des Ausländerzentralregisters. Darunter seien rund 15.700 Kinder und Jugendliche.

Um ihnen die Ankunft einfacher zu gestalten, gebe es zahlreiche Unterstützungsangebote, schrieb das Ministerium weiter. So stellt das Land etwa eine Info-Hotline für Geflüchtete. Auf einer Homepage gibt es zudem mehrsprachige Informationen, etwa zu Schulen, Arbeit, Einreise und Aufenthalt.

Laut Ministerium sind seit Kriegsbeginn insgesamt rund 84.600 Menschen aus der Ukraine nach Rheinland-Pfalz gekommen. «Ein großer Teil dieser Personen hat das Land mittlerweile wieder verlassen», hieß es.

Trumps Wahlsieg und seine Folgen

Nach dem Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentenwahl steht die Unterstützung der Ukraine nach Einschätzung des Politologen David Sirakov auf dem Spiel. «Trump war sehr kritisch bezüglich der Leistungen durch die USA, die sich mittlerweile auf 86 Milliarden US-Dollar belaufen», sagte der Leiter der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz. Eine Reduzierung oder gar Einstellung der Waffenlieferung durch die USA könnte von den europäischen Partnern nicht adäquat ersetzt werden.

«Auch die Ankündigung, den Krieg in der Ukraine binnen weniger Tage zu beenden, ist eher beunruhigend», sagte Sirakov. «Der Preis, den die Ukraine dafür zahlen müsste, ist heute noch nicht wirklich abzuschätzen. Im besten Falle bedeutet dies einen Diktatfrieden zu Russlands Bedingungen.» 

Rheinland-Pfalz muss sich auf Trumps Schritte einstellen

Was Rheinland-Pfalz betreffe, müsse sich das Bundesland auf die bereits aus Trumps erster Amtszeit bekannten Androhungen von Truppenreduzierungen einstellen. «Dann wird es auf die künftige Bundesregierung und den Verteidigungshaushalt ankommen. Hauptziel der US-Wirtschafts- und Handelspolitik ist eine Reindustrialisierung», sagte Sirakov.

Während der scheidende US-Präsident Joe Biden dies über Belohnungen für Unternehmen umgesetzt habe, die in den USA produzieren, wähle Trump den Weg der Bestrafung. «Ob er mit den auch für den US-Konsumenten negativen Folgen von Zöllen erfolgreich sein wird, muss sich allerdings erst zeigen.»

In Rheinland-Pfalz beträfen die US-Investitionen vor allem das neue Militärkrankenhaus in Weilerbach. «Darin sind bereits eine Milliarde US-Dollar investiert und die Fertigstellung ist für 2027 vorgesehen», erklärte der Politologe. Das Hospital sei ein wichtiger Eckpfeiler der US-Sicherheitspolitik in Europa. «Das trifft auch für einen größeren Teil der US-Liegenschaften in Rheinland-Pfalz zu.»

Russlands Pläne

Russland setze seinen Angriffskrieg «mit unverminderter Härte» fort und treffe zivile Ziele, kritische Infrastrukturen und kulturelles Erbe, sagte Osteuropa-Experte Kusber. Die ukrainische Entlastungsoffensive in die russische Region Kursk habe an der Front im Donbass keine Entlastung gebracht. «Dort gelingen den russischen Angreifern langsam, aber beständig Gebietsgewinne. Insofern liegt vor dem dritten Kriegswinter das Momentum auf der russischen Seite», sagte er. «Auch eine amerikanische Zustimmung für die Ukraine, Langstreckenwaffen gegen Russland einzusetzen, ändert an der Situation zunächst wenig.»

Die vom Kreml formulierten «Friedenspläne» würden aus Sicht des Osteuropa-Experten die Souveränität der Ukraine einschränken und destabilisieren. «Darauf kann sich die Regierung in Kiew kaum einlassen. Daher befürchte ich einen langanhaltenden Abnutzungskrieg, der uns auf Jahre beschäftigen wird.»

Grundsätzlich gehe es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin um eine wiederaufzubauende Hegemonialstellung in Osteuropa. «So bedrohlich dies in den baltischen Staaten und Polen empfunden wird: An einen Angriff auf die Nato in den kommenden Jahren glaube ich nicht», sagte Kusber. «Die Destabilisierungseffekte reichen für das Geltungsbedürfnis des russischen Regimes vollkommen aus.»

© dpa-infocom, dpa:241118-930-291888/2

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