Esch-sur-Alzette

Wandern im Stahlerbe

Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg

Von dpa/tmn
Eine Frau wandert im Wald
Wann kommt das nächste Industriedenkmal? Unterwegs auf dem Minett-Trail. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg») Foto: Andreas Drouve/DPA

Luxemburg ist steinreich. Auch an Erlebnissen rund ums Eisenerz, das früher im Süden abgebaut wurde. Dort verbindet ein neuer Fernwanderweg Natur, Geschichte und Zeugnisse der Industriekultur.

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Esch-sur-Alzette (dpa/tmn) – Für Steve Brilleman gibt es keinen Zweifel. «Luxemburgs Reichtum ist durch Eisenerz entstanden und nicht durch die Banken», sagt er und lacht. Brilleman kümmert sich um ein kleines Juwel am neuen Minett-Trail durch den Süden Luxemburgs: das Museum der Mine Cockerill, das die einstige Drecks- und Knochenarbeit der Bergleute würdigt.

Von der Mine (frz. mine) kommt auch der Begriff Minette, der der gesamten Region Minett den Namen gab. Es ist eine Verniedlichung und bedeutet «kleine Zeche» oder auch «kleiner Erzgang». In der Mine Cockerill zählen zu den Museums-Exponaten Karbidlampen, Werkzeug, Notbeatmungsgeräte, Zündschnüre, Sprengkapseln. In der alten Trockenkammer hängen, hochgezogen an feinen Stahlseilen, Helme und Kleidungsstücke. Historische Schwarzweiß-Fotos zeigen Männer mit schmutzigen, ausgemergelten Gesichtern.

Ein kleiner Hang im Wald
Urwüchsig: der Abschnitt zwischen Pétange und Fond-de-Gras. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

«Sie bekamen keinen Stundenlohn, sondern wurden nur nach dem Ertrag bezahlt», sagt der 43-jährige Brilleman, dessen Großväter beide in der Minenindustrie malochten. Nach einer jahrzehntelangen Geschichte, die Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen hatte, schloss Luxemburgs letzte Grube 1981.

Ein Baum steht vor einem Dorfweiher
Auf der Etappe von Pétange nach Differdange: idyllischer Dorfweiher in Lasauvage. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

Fortan eroberte sich die Natur das Terrain zurück. Dabei entstand eine solch außergewöhnliche Artenvielfalt, dass die Unesco die Region Minett 2020 zum Biosphärenreservat erhob. Dann kam Nora Peters ins Spiel.

Die Tourismuskoordinatorin Nora Peters
Erfinderin und Koordinatorin des Trails: Nora Peters. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

Peters, tätig beim örtlichen Fremdenverkehrsverband, fragte sich: «Wie kann man ein Biosphärenreservat für Besucher erlebbar machen?» Ihre Idee: ein Wanderweg quer durch Südluxemburg, der bestehende Strecken in neues Licht setzt. Heraus kam der Minett-Trail, der auf 90 Kilometern Natur, Geschichte und Zeugnisse der Industriekultur verzahnt.

Öffentliche Verkehrsmittel: kostenlos

Eine Lore steht auf Schienen
Ausrangiert: eine alte Lore im Außenbereich des Museums der Mine Cockerill. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

Obendrauf kommen einige Kilometer Stichwege zu Orten oder Bahnhöfen. Der Trail ist kein klassischer Rundwanderweg, sondern so konzipiert, dass man vielerorts mit Bus oder Bahn zurück zum Ausgangspunkt kommt oder woanders hinfahren kann. Erfreulich nebenbei: Die öffentlichen Verkehrsmittel in Luxemburg sind für alle Nutzer kostenlos.

Eine Gruppe bei einer Besichtigungstour
Eine Grubenfahrt ist Teil einer geführten Besichtigungstour im Nationalen Bergbaumuseum in Rumelange. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

Bei den Planungen lief die 32-jährige Peters ein Paar Wanderschuhe durch: Sie macht den Trail schmackhaft: «Er ist so interessant, weil es so viele abwechselnde Landschaften gibt. Mal ist man mitten im Wald, alles ist grün. Wir haben aber auch alte Tagebaugebiete, die kahl sind und an eine Marslandschaft erinnern.»

Ein Schlafwaggon in einer Eisenbahn
Eine der originellen Unterkünfte am Trail: Eisenbahnwaggon in Fond-de-Gras. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

Ein Highlight ist die Etappe von Esch-sur-Alzette nach Tétange, knapp zwölf Kilometer. Auf den Stadtgarten und Escher Tierpark folgt das Naturschutzgebiet Ellergronn, eines von acht Naturarealen, die der Minett-Trail durchläuft. Der Weg windet sich in Schleifen durch den Forst. Bäume stecken in fetten Moosschuhen. Vogelgezwitscher ist der Begleitsound.

Drei verschiedenfarbige Häuser
Farbsatte Kulisse: das Dorf Lasauvage auf der Etappe von Pétange nach Differdange. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

Loren im Außengelände stimmen auf das eingangs erwähnte Minenmuseum Cockerill ein. Weitere Zeugnisse von Menschenhand sind Türme der einstigen Seilbahn für den Erztransport. Über einem romantischen See – entstanden durch den Einsturz eines Stollens – steigt ein Graureiher auf.

Der Architekt Jean Goedert
Architekt Jean Goedert im Viertel Belval: Der 77-Jährige war von 1985 bis 2011 Chefarchitekt der Stadt Esch-sur-Alzette. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

Es geht unter Blätterdächern von Buchen hindurch, über Wurzelwerk, Steinplatten, abwärts, aufwärts. Luxemburg ist erstaunlich wellig, der Trail kein Spaziergang. Eine Mariengrotte liegt am Weg und das Nationaldenkmal der Minenarbeiter, das an die Opfer unter den Berg- und Grubenarbeitern erinnert. Tétange schließlich, einst ein Zentrum der luxemburgischen Stahlproduktion, empfängt mit Häusern in Zitronengelb, Rottönen, Himmelblau.

Vier Bänke stehen vor zwei alten Hochöfen
Bänke vor alten Hochöfen: Der Industriebereich Belval wandelt sich zum urbanen Lebensraum. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

Farbsatte Kulissen prägen auch Lasauvage, ein Dorf auf der 16,5-Kilometer-Etappe von Pétange nach Differdange, ebenfalls alte Stahlorte. Der Name Lasauvage bedeutet «Die wilde Frau», die dem Volksaberglauben nach durch die einsamen Wälder geistert. Wer die Schauermärchen kennt, blickt sich unterwegs um, wenn ein Baumstamm knarrt. Sicher ist sicher.

Vom Industriestandort zum urbanen Zentrum

Das Hochofenwerk in Belval
Wo einst Stahl gewalzt wurde, lernen nun Studenten: Im Viertel Belval steht zwischen Kokslager, Gießhalle und sonstigen Überresten der einst größten Eisenhütte Luxemburgs ein neues, futuristisches Gebäude der Luxemburger Universität. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

Der Minett-Trail überrascht allerorten. Im Nationalen Bergbaumuseum in Rumelange rumpelt der Grubenzug in die Unterwelt, wo man sich bei Temperaturen um zehn Grad warm anziehen muss und bei Führungen die Geschichte des Abbaus erklärt bekommt.

Ein Austellungsstück im Museum der Mine Cockerill
Im Museum der Mine Cockerill: Hoch oben trocknete früher die Kleidung der Bergmänner. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

In Belval am westlichen Stadtsaum von Esch, wo die Stahlära 1997 endete, säumen Ungetüme den Weg: zwei Hochöfen. Zu einem führt ein Lift auf die Plattform hinauf. «Das Ganze ist die Verwandlung eines ungenutzten Stahlwerks in ein urbanes Viertel», beschreibt der pensionierte Architekt Jean Goedert das sogenannte Belval-Projekt.

Eine Wallfahrtskapelle von innen
Besinnung für unterwegs: Der Weg führt auch an der Wallfahrtskapelle Léiffrächen vorbei. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

«Wenn alles gut geht, sollen die Arbeiten in fünf Jahren abgeschlossen sein», so der 77-Jährige. Wandern auf dem Trail bedeutet hier, eine Szenerie rauer Ästhetik zu durchstreifen, aufgelockert durch Wassergärten, Cafés, Restaurants und die moderne Uni-Bibliothek.

Ein Denkmal, das an die Grubenarbeiter erinnert
Erinnert an Grubenarbeiter, die ihr Leben bei der Arbeit verloren: das Nationaldenkmal der Minenarbeiter. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

Originell sind elf Unterkünfte am Trail, bekannt als «Kabaisercher», gestaltet von Architekten. Philippe Morgado, der die Quartiere managt, kann sich nicht für einen Favoriten entscheiden: «Das ist so, wie wenn du viele Kinder hast und gefragt wirst: Welches ist dein Lieblingskind?»

Phillipe Morgado ist Betreiber der „Gîtes“
Phillipe Morgado: Er ist Manager der besonderen Quartiere am Trail. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

In Dudelange schläft man im «Floater»-Bungalow an einem Kühlbecken, bei Esch-sur-Alzette im «Pump it up» unter einer hemisphärischen Kuppel. Der Clou in Fond-de-Gras, einst Umladestation: ein Eisenbahnwaggon auf dem Abstellgleis, vorn mit Küche, hinten mit Sauna. Und in Tétange nächtigen zahlende Gäste im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Eisenhütte. Und sind auch ganz nah dran an der Geschichte, wenn es dunkel wird.

Links, Tipps, Praktisches:

Eine ausblasbare, mobile Übernachtungsmöglichkeit
«Pump it up!» – so heißt eine der ungewöhnlichen Übernachtungsmöglichkeiten am Trail in Esch-sur-Alzette. Das Dach der Bleibe ist aufblasbar. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

Reiseziel: Das kleine Großherzogtum Luxemburg grenzt an Deutschland, Belgien und Frankreich. Die Fläche von 2.586 Quadratkilometern entspricht etwa der des Saarlands.

Ein zur Übernachtungsmöglichkeit umgebauter Kühlweiher
«Floater» heißt eine andere der «Kabaisercher» genannten Unterkünfte. Hier schläft man an einem der Kühlweiher des ehemaligen Hüttenwerks in Dudelange. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: Andreas Drouve/DPA

Reisezeit für den Minett-Trail: Je nach Witterung lässt es sich bis weit in den Oktober gut wandern, die Saison startet dann wieder im April.

Der Minett-Trail
Luxemburg ist steinreich. Etwa an Minette, einem Eisenerz, das früher im Süden abgebaut wurde. Dort verzahnt ein neuer Fernwanderweg Natur, Geschichte und Zeugnisse der Industriekultur. (zu dpa: «Vom Hochofen in die Natur: Auf dem Minett-Trail in Luxemburg»)
Foto: dpa-infografik GmbH/DPA

Anreise: mit dem Auto ab Deutschland über Trier, Saarbrücken oder die Eifel. Mit dem Zug bis Esch-sur-Alzette.

Der Minett-Trail: Die Strecke ist offiziell in zehn Etappen unterteilt, um an öffentliche Verkehrsmittel und die originellen Unterkünfte anzubinden. Die Schwierigkeitsgrade sind leicht bis mittel; einzig die Abschnitte Rumelange-Dudelange (10,9 Kilometer) und von Esch-sur-Alzette nach Schifflange (8,8 Kilometer) gelten als anspruchsvoll.

Unterkunft: Die ungewöhnlichen «Kabaisercher» sind über die Website von Simpleviu reservier- und buchbar. Die Preise für die Quartiere sind Einheitspreise, die pro Nacht zwischen 100 und 210 Euro liegen; inklusive sind Küchenbenutzung, Bettwäsche und Handtücher. Ein Frühstücksservice kostet 20 Euro pro Person.

Aktivitäten: Die Besichtigung des Hochofens in Belval kostet 5 Euro, Führungen 10 Euro pro Person; der Eintritt ins Musée National des Mines Rumelange beträgt 12 Euro; das Museum der Mine Cockerill ist kostenlos zugänglich.

Weitere Auskünfte: minetttrail.lu, visitluxembourg.com, visitminett.lu

Website des Minett-Trails

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