Neuwied

Neuwieder Berufsschüler reisen nach Weimar

Foto: David-Roentgen-Schule

Schüler der David-Roentgen-Schule in Neuwied erlebten eine Stadtführung zu den Orten, wo sich die Nationalsozialisten durch Monumentalbauten verewigen wollten, und besuchten das Konzentrationslager Buchenwald.

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Was kann denn ein junger Mann aus Afghanistan mit Goethe und mit Buchenwald anfangen? In den beiden Klassen der Berufsfachschule II werden 33 Schüler und drei Schülerinnen unterrichtet. Die Hälfte von ihnen hat einen Migrationshintergrund. Sie kommen primär aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und aus den Kriegsgebieten des Mittleren Ostens. Die deutsche Sprache und die Geschichte Deutschlands finden im Unterricht und eher theoretisch in der David-Roentgen-Schule in Neuwied statt. Sprache und Geschichte, beides wurde nun in Weimar auch anschaulich. Vom 22. bis zum 25. Oktober waren die 36 Schüler mit ihren vier Lehrern in der Maxim-Gorki-Jugendherberge. Weimar: Das ist natürlich die Stadt, in der Johann Wolfgang von Goethe lebte, schrieb und wirkte. Eine Gruppe besuchte sein Wohnhaus; ein Schüler hatte Faust I im Gepäck, kam aber nur auf der Hin- und Rückreise zum Lesen. Denn das Programm war dicht: Eine prägnanten Stadtführung zu den Orten, wo sich die Nationalsozialisten durch Monumentalbauten verewigen wollten und der Besuch im Konzentrationslager Buchenwald, das waren die Schwerpunkte. Dazu kamen die Stadtrallye, ein Besuch in der Sonderausstellung zur Weimarer Republik und erlebnispädagogische Elemente am Abend, angeleitet von Katrin Klein und Max Mielke.

Die Schüler sind im 21. Jahrhundert geboren. Die Zeit des Nationalsozialismus ist weit weg. Alte Filmaufnahmen mit Adolf Hitler wirken unwirklich. Wer würde solch einem Mann hysterisch zujubeln, wie es offenbar die Bewohner Weimars vor dem Hotel Elefant gemacht haben. Der Hitlerbalkon existiert noch. Er ist aber nun leer und das Hotel längst zu einem modernen Fünfsternehotel für Klassikfans mutiert, wie Stadtführer Christian Eckert erläutert. Ganz wirklich ist aber das Krematorium. Zeichnungen von Buchenwaldgefangenen zeigen den Schornstein rauchend. Im Herbst 2018 ist es auf dem Gelände des Arbeitslagers nass und kalt. Die Öfen der Firma Topf und Söhne aus Erfurt existieren aber noch. Die angestrebte Perfektion des Verbrennungsvorgangs erschreckt. Mehr als 50.000 Menschen starben im gesamten Lagersystem Buchenwald. Würdelos wurden sie zu Asche und im Wald verscharrt. Nicht jeder Schüler möchte anschließend in den Keller dort hinabsteigen, wo heimlich und nachts Sondergefangene ermordet wurden. Ein Aufzug brachte die Leichen hoch zu den Öfen.

Der Tag in Buchenwald ist klar strukturiert. Film, Führung, Besuch der Dauerausstellung verbunden mit Arbeitsaufträgen für alle Schüler und schließlich ein von Schulpfarrer Dr. Wolfgang Petkewitz angeleitete Besinnung mit Schweigeminute. Was man gesehen hat im Konzentrationslager Buchenwald, das macht sprachlos. Moralische Appelle sind nicht nötig. Der Mensch ist fähig zum Bösen – auch heute noch. Das sehen die Schüler, und manche Schüler haben das erlebt. Deshalb sind sie nach Deutschland gekommen, um in Frieden leben zu können und zu lernen, dass das Gewissen auch die Mächtigen zum Guten verpflichtet. Ein Buchenwaldüberlebender, Benedikt Kautsky, formulierte es so: „Die menschliche Natur wird man nicht ändern, der Mensch trägt in sich die Ansätze zum Bösen und zum Guten – es gilt, die Umstände zu schaffen, unter denen die Achtung vor der fremden Persönlichkeit, Selbstverantwortung und Rücksicht auf die Rechte anderer zu Selbstverständlichkeit werden.“