Neuwied

Das Leben feiern: Esther Bejerano und Microphone Mafia zu Gast in Neuwied

Foto: Deutscher Gewerkschaftsbund Rheinland-Pfalz/Saarland

Der Amalie-Raiffeisen-Saal in der Volkshochschule Neuwied war nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt, und es war absolut still, als die KZ-Überlebende Esther Bejerano aus ihrem Buch „Erinnerungen“ vorlas.

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Die 93-Jährige sprach mit eindringlicher Stimme über ihre Erfahrungen: Sie kam als junges Mädchen nach Ausschwitz und überlebte, weil sie vorgab, Akkordeon spielen zu können. Da sie eine christliche Großmutter hatte, galt sie als viertel-arisch und wurde in das Frauen-KZ nach Ravensbrück verlegt. Auf dem sogenannten Todesmarsch, den die Nazis im April 1945 anordneten, gelang ihr mit einigen Freundinnen die Flucht. Sie erlebte den Tag der Befreiung zusammen mit russischen und amerikanischen Soldaten, die gemeinsam ein großes Hitler-Bild auf dem Marktplatz verbrannten. Diesen Tag nennt Esther Bejerano auch ihre zweite Geburt. Ihren Freundinnen, die in Ausschwitz zurückblieben, hatte sie versprochen, dass sie von ihren Erfahrungen erzählen würde, damit nicht geleugnet werden kann, was damals geschah.

Deutscher Gewerkschaftsbund Rheinland-Pfalz/Saarland

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Seit zehn Jahren tut sie dies nun zusammen mit den Rappern Kutlu Yurtseven und Rossi Pennino von der Microphone Mafia und sie bringen damit die Zuhörenden dazu, alle Schattierungen des Lebens wahrzunehmen und es miteinander zu feiern. Auf dem Programm standen im Konzert, das den zweiten Teil des Abends bildete, neben jüdischen Liedern wie „Sag nich keinmal“ oder „Wir leben trotzdem“ auch Partisanenliedern. Beendet wurde das Konzert mit der Zugabe „Bella Ciao“.

Vor dem Konzert gab es ein kurzes Grußwort der vier Musiker, der vierte ist Esther Bejeranos Sohn Joram am Baß, an die Demonstration in Chemnitz und ein klares Bekenntnis zu: “Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“

Der Kontakt zwischen Esther Bejerano und den Rappern kam zustande, als die beiden Kölner durch ein DGB Projekt auf die Idee kamen, auch Erinnerungen von Überlebenden der Nazi-Zeit als Grundlage für ihre Songs zu nehmen. Wie Kutlu Yurtseven erzählte, brauchten sie jemand, der ihnen sagte, was angemessen sei und wo es Grenzen gäbe. Daraus wurde eine intensive Zusammenarbeit; die allein in den vergangenen drei Jahren zu 240 Konzerten führte. Mittlerweile gehören Rossi und Kutlu zur Familie, sind „Enkel“ von Esther. In einem Gespräch vor dem Konzert wies Esther Bejerano darauf hin, dass es ihr wichtig sei, „wir sind drei Generationen und drei Religionen. Und wir können zusammenarbeiten und lernen viel voneinander.“ Kutlu Yurtseven sieht es so: „Es ist uns eine Ehre, Teil von Esthers später Rache an den Nazis zu sein.“

Zu Beginn begrüßte Caroline Albert-Woll als Vertreterin der Volkshochschule und übergab an Rüdiger Hof, den Vorsitzenden des DGB-Kreisverbandes Neuwied. Das Publikum war bunt gemischt: neben Vertretern und Vertreterinnen aus der Kommunalpolitik, waren Organisationen wie die KAB, VdK, KAB vertreten, ebenso wie die Kirchen und die Wohlfahrtverbände, viele Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen sowie vor allem viele jungen Leute. Einige Eltern hatten bewusst ihre Kinder ab 12 Jahren mitgebracht, damit „sie aus erster Hand erfahren, was damals geschah. Diese Chance haben wir nicht mehr oft.“ So fasste es ein Vater zusammen.

Am Ende überreichte Sebastian Hebeisen, DGB Regionsgeschäftsführer Koblenz, den Musikern und Esther Bejerano jeweils eine Schieferuhr, die die Kollegen von der IG BAU eigens angefertigt hatten.