Neuwied

Bündnis 90/Die Grünen diskutierten über die Zukunft der Landärzte

Das Foto zeigt (von links) Inge Rockenfeller, Melanie Bernhardt, Christian George, Holger Wolf, Susanne
Haller, Katharina Binz, Dr. Anja Meurer und Bettina Sagebiel.
Das Foto zeigt (von links) Inge Rockenfeller, Melanie Bernhardt, Christian George, Holger Wolf, Susanne Haller, Katharina Binz, Dr. Anja Meurer und Bettina Sagebiel. Foto: Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband Neuwied

Bündnis 90/Die Grünen hielten eine Podiumsdiskussion zum Thema „Ärztliche Versorgung auf dem Land“.

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Zu der Podiumsdiskussion „Ärztliche Versorgung auf dem Land“ hatte der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen die Landtagsabgeordnete Katharina Binz, Sprecherin für Gesundheit und Pflege, die Obfrau der Kreisärzteschaft Dr. Anja Meurer und den Apotheker Christian George eingeladen.

Kreistagsmitglied Melanie Bernhardt und Holger Wolf als Moderator komplementierte das Podium. Kreisvorstandsmitglied Bettina Sagebiel begrüßte die Anwesenden. Der Schwerpunkt der Rede von Katharina Binz war der Ärztemangel auf dem Land. Bis zu 80 Prozent der Hausärzte auf dem Land ständen kurz vor der Pensionierung und der Nachwuchs fehle.

Der in 1993 entstandene sogenannte „Seehoferbauch“, Zulassungsbeschränkungen für Arztpraxen und die Reduzierung von Studienplätzen für ein Medizinstudium, sollten ursprünglich die Ärzteschwämme eindämmen, bedrohten jedoch heute die Versorgung mit Haus- und Fachärzten, sowie Psychotherapeuten. Auf Landesebene wurde das Problem unter anderem durch Zuschüsse für neue Landärzte sowie eine Ausweitung der Studienplätze für Medizin um zehn Prozent in Rheinland-Pfalz angepackt, so Binz.

Dr. Anja Meurer wies darauf hin, dass der gute alte Hausarzt, für den Überstunden gelebte Normalität waren, nur noch selten anzutreffen sei. Die jungen Studenten wollten nicht mehr das Risiko einer eigenen Praxis auf sich nehmen, weil sie die geregelte Arbeit in einer Klinik vorziehen würden. Die Vereinbarung von Beruf mit Familie und Freizeit „Work-Life-Balance“ hätte auch in der modernen Arbeitswelt der Medizin ihre Spuren hinterlassen, zumal auch Frauen zunehmend als Ärztin tätig geworden seien.

Christian George betonte, dass die Apotheken auf Arztpraxen angewiesen wären, die sich in ihrer Nähe befänden, 82 Prozent ihres Umsatzes setze sich aus der Einreichung von Rezepten zusammen. Außerdem bedrohe der Versandhandel von Medikamenten die Existenz der Apotheken. In Europa werden Medikamenten unterschiedlich besteuert, weswegen beispielsweise ein niederländischer Versandhandel allein aus Steuergründen seine Medikamente um zwölf Prozent günstiger anbieten könne. Die Apotheken leisteten jedoch einen wichtigen Beitrag bei der Beratung kranker Menschen. Melanie Bernhardt war der Meinung, dass dauerhafte Lösungen gefunden werden müssten, gegebenenfalls auch Übergangslösungen. Aber es gäbe kein Patentrezept.

In der allgemeinen Fragen- und Diskussionsrunde, an der sich auch anwesende Ärzten rege beteiligten, überlegte man, was man gegen diesen Missstand politisch machen könne. Zunächst wurde festgestellt, dass sich das Problem des Ärztemangels in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen werde. Denn es gäbe keine Sofortlösung, sondern es wären viele kleine Schritte notwendig, um dem Ärztemangel zu begegnen.

Es wurden Lösungsaspekte angesprochen, wie die Regionalisierung des Studiums in der Ausbildung und Motivationsprogramme für die Tätigkeit als Landhausarzt an Universitäten, um das Interesse für das Land zu wecken. Eine wohnortnahe Versorgung in einer Klinik könnte in Zukunft nicht mehr gewährleistet werden, da dies ökonomisch nicht zu vertreten sei. Stattdessen sollte, bevor man eine Klinik oder einen Facharzt aufsucht, der Hausarzt konsultiert werden.

Spitzenkandidatin für den Kreistag Susanne Haller sagte: “Die Situation an der Rheinschiene und in der Stadt ist allein vom ÖPNV her eine andere, da sind andere Lösungen notwendig.“ Peter Buchholz, Kandidat für den Neuwieder Stadtrat ist sich mit Stadtratsmitglied Inge Rockenfeller einig, dass medizinische Versorgungszentren aufgebaut werden müssten, die auch Hausbesuche übernähmen, da dies eine Entlastung für den Hausarzt bedeuten würde.

Aufklärungs- und Informationstätigkeiten in den Kindergärten und Schulen sollten wieder notwendiges Basiswissen für Gesundheitsthemen vermitteln. Es müsste nicht immer ein Computertomograph genutzt werden, wenn ein Stethoskop den gleichen Effekt erfülle. Die zukünftige Bedeutung des ärztlichen Rettungsdienstes als Lückenfüller für die wegbrechende ärztliche Versorgung auf dem Land wurde durch Holger Wolf, Spitzenkandidat der Grünen für den Kreistag, angesprochen. Auch hier bestehe dringend Handlungsbedarf.

Bei der gut besuchten Veranstaltung waren sich alle Teilnehmer mit der Landtagsabgeordneten Katharina Binz einig, dass es hilfreiche und machbare Modelle für gute ärztliche Versorgung auf dem Land gebe, aber die Politik gefordert sei, die rechtlichen und finanziellen Bedingungen zu schaffen.

Inge Rockenfeller und Peter Buchholz, für den Arbeitskreis Soziales des Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen Neuwied.