Rhens

Königin Luise und das wandelbare Frauenbild von Wilhelm Grimm

Das Bild zeigt Königin Luise von Preußen, ein Ölgemälde von Josef Maria Grassi aus dem Jahr 1802.
Das Bild zeigt Königin Luise von Preußen, ein Ölgemälde von Josef Maria Grassi aus dem Jahr 1802. Foto: Alexander Thon M.A., Lahnstein

Aus Anlass des dritten Dämmerschoppens begrüßte die Kaiser Ruprecht Bruderschaft zu Rhens ein weiteres mal Maggy „Griseldis“ Ziegler aus Bad Hönningen die vor der Bruderschaft über die preußische “Königin der Herzen“ referierte.

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In ihrer Paraderolle als „Griseldis“ referierte Frau Ziegler über Königin Luise von Preußen (1776–1810), die lange Zeit als eine Art preußische “Königin der Herzen“ verehrt worden ist. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, inwieweit ihr Vorbild sogar Wilhelm Grimm (1786–1859), den jüngeren der beiden Brüder Grimm, in seinen Märchenbearbeitungen beeinflusst hat.

Das Bild zeigt Königin Luise von Preußen, ein Ölgemälde von Josef Maria Grassi aus dem Jahr 1802.
Das Bild zeigt Königin Luise von Preußen, ein Ölgemälde von Josef Maria Grassi aus dem Jahr 1802.
Foto: Alexander Thon M.A., Lahnstein

Schon kurze Zeit nach ihrer Eheschließung mit dem preußischen Thronfolger Friedrich Wilhelm im Jahre 1793 hat Herzogin Luise von Mecklenburg-Strelitz eine geradezu kultische Verehrung erfahren. Geboren aus einer Mischung aus Bewunderung für ihre ansprechende Erscheinung und ihr ungewöhnlich volksnahes, eher bürgerliches Verhalten in der Öffentlichkeit, wuchs ihr Ansehen bei der preußischen Bevölkerung rasch. Nachdem ihr Ehemann 1797 als Friedrich Wilhelm III. den preußischen Thron bestiegen hatte, sollte sich noch eine Steigerung einstellen. Vor allem ihr Treffen mit dem französischen Kaiser Napoleon nach der verheerenden Niederlage Preußens in der Schlacht von Jena und Auerstedt 1806 sollte legendär werden, gleichwohl Luise letztlich keinerlei Zugeständnisse erreichen konnte. Schon 1810 an einer Lungenentzündung verstorben, setzten umgehend zahlreiche Formen des Gedenkens an die Königin ein, ein „Mythos durch Emotion“ war geboren. Ihre Grabstätte in einem Mausoleum von Schloss Charlottenburg wurde rasch zu einer Wallfahrtsstätte. Das Stiftungsdatum des 1813 vom preußischen König gestifteten “Eisernen Kreuzes“ wurde auf den Todestag Luises datiert, ein Jahr später mit dem „Luisen-Orden“ eine nur an Damen zu verleihende Auszeichnung geschaffen. Zahlreiche und führende zeitgenössische Literaten huldigten in ihren Schriften der verstorbenen Königin, und noch 1931 und 1957 widmeten sich abendfüllende Spielfilme mit großem Publikumserfolg, freilich aber unkritisch ihrem Leben und Wirken.

Unter Rückgriff auf die Biographien von Jacob und Wilhelm Grimm unterzog Frau Ziegler das somit entstandene Frauenbild der preußischen Königin einer näheren Betrachtung. Dabei konnte sie insbesondere für den Fall von Wilhelm Grimm einen frappanten Wandel feststellen. Sind die Frauengestalten in den gesammelten Märchen in den frühen Versionen zunächst noch durchaus selbstbewusst und wissen ihren männlichen Pendants die Stirn zu bieten, so ändert sich dies in den späteren Bearbeitungen der Geschichten deutlich. Hier geraten die handelnden weiblichen Personen geradezu zu einem Ebenbild des in der preußischen Bevölkerung verbreiteten Bildes von Königin Luise, sind im Sinne der “preußischen Madonna“ eher zurückhaltend und bescheiden. Auch wenn, wie die Referentin selbst einräumte, Wilhelm Grimm diesen Rückgriff nie explizit ausformuliert hat, so ist sein Vorbild unverkennbar. Die deutlichen Veränderungen dieses am Ende nun gar nicht mehr feministischen Frauenbildes in den verschiedenen Bearbeitungsstadien der Märchen wusste Frau Ziegler dem Publikum an Hand zahlreicher Beispiele einprägsam zu illustrieren und schlüpfte dabei von Zeit zu Zeit in ihre Rolle als Märchenerzählerin Griseldis. Das Publikum honorierte die Vortragende mit viel Applaus für ihre höchst eindrucksvollen Ausführungen, denen sich eine intensive Diskussion mit Fragen unterschiedlichsten Inhalts anschloss.

Zum Abschluss des Abends lud Bruderschaftskanzler Alexander Thon, Magister Artium (M.A.) herzlich zu den nächsten Veranstaltungen ein: Zunächst wird am Sonntag, den 12. Mai von 14 bis 17 Uhr erstmals in diesem Jahr wieder der Scharfe Turm in Rhens am Rheinufer für das Publikum geöffnet und erläutert. Im Rahmen des kommenden vierten Dämmerschoppens referiert Prof. Dr. Heinz Fischer aus Koblenz am Donnerstag, den 16. Mai, um 18 Uhr im Hotel Roter Ochse in Rhens über den englischen Lordprotektor Oliver Cromwell (1599–1658). Im Mittelpunkt steht dabei die Beurteilung der Frage, inwieweit Cromwells bisherige Bewertungen, die von Königsmörder bis hin zu Freiheitsheld reichen, der historischen Realität entsprechen. Die Teilnahme an beiden öffentlichen Veranstaltungen ist kostenfrei, Gäste sind herzlich willkommen. Die erste Tagesexkursion führt am 1. Juni auf den Spuren König Adolfs von Nassau in die Nordpfalz nach Göllheim, Kloster Rosenthal und auf den Donnersberg.

Weitere Informationen zu allen Programmpunkten finden sich auf der Internetseite der Bruderschaft www.kaiser-ruprecht-bruderschaft.de oder sind beim Kanzler der Bruderschaft unter der Telefonnummer 02621/696 86 95 oder per E-Mail unter ALThon@web.de zu erhalten.