Koblenz

Erinnerung an vergangene und aktuelle Gewalt

Die Frauen des Dekanates Koblenz besuchten im Rahmen der KarTage die Landesheilanstalt Hadamar und im Anschluss Kloster Arnstein.

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Die KarTage der Frauen des Dekanates Koblenz haben schon Tradition: In jedem Jahr finden sie an einem anderen historischen Ort von Leiden und Schrecken statt. Nach Ravensbrück und Verdun waren 14 Frauen in diesem Jahr in der Gedenkstätte der ehemaligen Landesheilanstalt Hadamar, in der zwischen 1941 und 1945 15.000 Menschen Opfer der nationalsozialistischen Euthanasieverbrechen wurden.

Die Psychiatrie, von vielen Familien eine dringende Hilfe für ihre Angehörigen, wurde benutzt, um durch Massenmorde und Zwangssterilisationen den sogenannten „gesunden Volkskörper“ rein zu halten. Das zugrunde liegende Gedankengut war allerdings keine nationalsozialistische Erfindung. Die „Gefahr einer Degeneration der Bevölkerung durch minderwertiges Erbgut“ wurde schon Anfang des 20. Jahrhunderts in den Humanwissenschaften in ganz Europa beschworen. Allerdings schüchterte erst die aggressive Propaganda und die gesetzlich geregelte Aussonderung sogenannten „lebensunwerten Lebens“ ab 1933 Bevölkerung und betroffene Familien ein. Kritik und Nachfragen wurden unterdrückt.

Die unheimlichen „grauen Busse“ transportierten mit verhängten Fenstern die Menschen in die Garage, die in Hadamar noch steht. Von dort wurden sie direkt in die Gaskammer im Keller geführt. Ihre Familien erhielten vorformulierte Briefe mit erfundenen Todesursachen. Bitten um Besuche und Nachfragen wurden vereitelt. Über die verbliebene Asche ist bis heute nichts bekannt.

Oberhalb der ehemaligen Heilanstalt liegt ein Feld mit Massengräbern. Hier betete die Frauengruppe aus Koblenz am KarFreitag ihren Kreuzweg in Erinnerung an vergangene und aktuelle Gewalt und legte Rosen nieder.

Die Bildungsreferentin der Gedenkstätte, Regine Gabriel, ging in einem zweiten Teil auf die Vorgeschichte der Heilanstalt ein: Seit 1906 waren in Hadamar vor allem Frauen untergebracht, die als gesellschaftlich „störend“ empfunden wurden und das Stigma „Psychopathin“ erhielten. Dazu zählten auch Künstlerinnen. Die Teilnehmerinnen setzten sich mit einigen Biografien und kreativ mit ihren Bildern auseinander. Gemalte oder gestickte Bilder waren oft der einzige Fluchtpunkt in einem perspektivlosen Schicksal. Das wurde am Abend ergänzt durch eine Performance der beiden Künstler Lydia Koch (Köln) und Stefan Löhr (Vallendar), die nahebrachten, wie künstlerischer Ausdruck der eigenen Befreiung dienen kann.

Eine Bibelarbeit zur Auferweckung der Jüngerin Thabita aus der Apostelinnegeschichte leitete über zum Thema „Auferstehung“ und diente der Vorbereitung der Osternacht. Das Jugendgästehaus des Klosters Arnstein war an jedem Abend nach der Zeit in Hadamar ein willkommener Rückzugsort für die Gruppe, die dort ihre Tischgottesdienste und die Osternacht feierte.

Im Letzten unerklärlich blieb die mögliche Verrohung von Menschen, ihre Fähigkeit, durch ideologische Verblendung kaltblütig zu werden. Daraus ergab sich für die Teilnehmerinnen die aktuelle Frage, wo denn heute die Bewährungsproben des Mitmenschlichen liegen. Im kommenden Jahr finden die KarTage der Frauen voraussichtlich in Berlin statt und erinnern im 100. Jahr des Frauenwahlrechts in Deutschland an die Leiden der Frauen, die diesen wichtigen Schritt der Emanzipation erkämpft haben. Jutta Lehnert