Plus
Rheinland-Pfalz

Pflegeeinrichtungen immer wieder von heftigen Ausbrüchen betroffen: Können wir Heimbewohner besser schützen?

Von Kathrin Hohberger

Warum schaffen wir es nicht, die besonders vulnerablen Gruppen wirksam vor einer Corona-Infektion zu schützen? Die aktuellen Ausbrüche in Seniorenpflegeeinrichtungen werfen genau diese Frage auf. Im Vergleich zur ersten Welle im Frühjahr 2020, als es Schwierigkeiten gab, ausreichend Schutzmaterial wie FFP2-Masken, Desinfektionsmittel oder Handschuhe zu besorgen, ist das derzeit kein Problem. Schnelltests sind seit Wochen im Einsatz, um Bewohner, Mitarbeiter und Besucher zu testen – und trotzdem melden die Kreis- und Stadtverwaltungen im nördlichen Rheinland-Pfalz immer wieder von einem Corona-Ausbruch betroffene Seniorenpflegeeinrichtungen.

Lesezeit: 4 Minuten
Unsere Redakteurin Kathrin Hohberger ist der Frage nachgegangen, wie man 
Corona-Ausbrüche 
in Seniorenpflegeeinrichtungen 
verhindern kann. „Wir können die Einrichtungen nicht vollständig abriegeln“, sagt Pflegewissenschaftler Prof. Dr. Michael Isfort von Deutschen Institut für Angewandte Pflegeforschung. Zu den Mitarbeitern, die ja auch eigene Familien mit wiederum eigenen Kontakten zu Arbeitskollegen oder Kindern in ...
Möchten Sie diesen Artikel lesen?
Wählen Sie hier Ihren Zugang
  • 4 Wochen für nur 99 Cent testen
  • ab dem zweiten Monat 9,99 €
  • Zugriff auf alle Artikel
  • Newsletter, Podcasts und Videos
  • keine Mindestlaufzeit
  • monatlich kündbar
E-Paper und
  • 4 Wochen gratis testen
  • ab dem zweiten Monat 37,- €
  • Zugriff auf das E-Paper
  • Zugriff auf tausende Artikel
  • Newsletter, Podcasts und Videos
  • keine Mindestlaufzeit
  • monatlich kündbar
Bereits Abonnent?

Fragen? Wir helfen gerne weiter:
Telefonisch unter 0261/9836-2000 oder per E-Mail an: aboservice@rhein-zeitung.net

Oder finden Sie hier das passende Abo.

Anzeige

So ist die Lage im nördlichen Rheinland-Pfalz

Steigen im Kreis oder in der Stadt die Infektionszahlen sprunghaft an, liegt es oft daran, dass es einen Corona-Ausbruch in einer Pflegeeinrichtung gibt. Seit dem Lockdown sind auch im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung, dem nördlichen Rheinland-Pfalz, einige Einrichtungen zum Teil sehr schwer von einer Corona-Infektion heimgesucht worden. Eine Auswahl:

Aktuell besonders betroffen ist der Kreis Birkenfeld, wo sich vergangene Woche im Haus Göttschied in Idar-Oberstein 61 der 108 Bewohner sowie 31 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert haben. Besonders bitter: Die erste Impfgabe erfolgte am 21. Januar, als schon viele Bewohner infiziert waren. Die Ermittlungen nach der Ursache laufen.

Auch im Kreis Mayen-Koblenz gibt es einen schweren Fall im Kottenheimer Seniorenzentrum Villa Toscana. Mehr als 50 Menschen haben sich infiziert, darunter rund 30 Bewohner. Ein Todesfall ist bislang zu beklagen. Auslöser der Infektion war vermutlich eine Bewohnerin, die aus einer anderen Einrichtung gekommen ist.

Im Gegensatz dazu konnte im Alten- und Pflegeheim Marienstift in Mendig eine Ausbreitung gestoppt werden, nachdem zwei Mitarbeiter und eine Bewohnerin infiziert waren. Der Ausbruch konnte wohl durch rigoroses Testen und weitestgehende Kontaktbeschränkungen eingedämmt werden.

Das Infektionsgeschehen in den Einrichtungen im Rhein-Hunsrück-Kreis ist durchaus unterschiedlich. Während im Haus Ursula in Gemünden zeitweise mehr als 50 Bewohner positiv auf Corona getestet worden waren, hat sich die Anzahl kontinuierlich gegen null verschoben. Dagegen hält sich das Altenheim Hildegard von Bingen in Simmern hartnäckig an der Spitze: Weiterhin sind 47 Bewohner und zwölf Mitarbeiter infiziert. Wie sehr die Pflegeeinrichtungen das Infektionsgeschehen beeinflussen, sieht man, wenn man die Zahlen in Relation setzt: Am Montag meldete das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung insgesamt 236 Infizierte, allein 98 davon leben oder arbeiten in einer von vier stationären Pflegeeinrichtungen.

Im Kreis Neuwied fällt die Häufung der Fälle ins Auge. Sieben Seniorenpflegeeinrichtungen melden vermehrt auftretende Fälle von Covid-19. Hinzu kommt die Kamillus Klinik ins Asbach. In den sieben Pflegeheimen sind rund 200 Personen infiziert.

Doch nicht nur Seniorenpflegeeinrichtungen sind betroffen, auch bei Einrichtungen, in denen behinderte Menschen leben, gibt es Corona-Ausbrüche. Im Rhein-Lahn-Kreis meldet die Stiftung Scheuern insgesamt 27 positiv auf Corona getestete Bewohner und Mitarbeiter in den Häusern in Nassau und Nastätten. Entdeckt wurden die Infektionen, die laut einer Pressemitteilung teilweise ohne Symptome verliefen, aufgrund von Schnelltests.

Zudem waren im Dezember mehr als 60 Bewohner im Haus Hohe Lay in Nassau mit dem Coronavirus infiziert. Nur 22 Bewohner blieben bei den Tests negativ. Insgesamt 14 Senioren sind mit Corona verstorben.

Wie angespannt die Situation ist, lässt sich auch daran ablesen, dass viele Städte oder Kreise die Namen der betroffenen Einrichtungen nicht nennen möchten – oder auch die Einrichtungen selbst darum bitten, da die Mitarbeiter schon genug belastet sind. Der Kreis Bad Kreuznach beispielsweise ist sehr zurückhaltend und meldet insgesamt 45 neue Fälle, davon „etwa ein Drittel durch Ausbruch in einem Altenheim“. red

Wie eine rheinhessische AWO-Einrichtung es bisher geschafft hat, einen Ausbruch zu vermeiden

Das Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt im rheinhessischen Wörrstadt ist ein gutes Beispiel dafür, wie es gelingen kann, das Infektionsrisiko für die Bewohner zu minimieren. Eine Angehörige berichtet unserer Zeitung vom Ablauf eines Besuchs bei der 96-jährigen Tante. „Bei jedem Besuch gilt das gleiche Prozedere: Ich melde mich vorab telefonisch zum Schnelltest an und bekomme einen festen Termin. Am Eingang desinfiziere ich meine Hände, dann fülle ich das Formular zur Kontaktnachverfolgung aus. Bei allem trage ich natürlich eine FFP2-Maske. In einem weiteren Schritt wird Fieber gemessen, dann erfolgt in einem Extraraum der Schnelltest. Die 20 Minuten, die ich auf das Ergebnis warte, sitze ich im Friseursalon des Heims, der zurzeit ja geschlossen ist. Mit dem negativen Testergebnis gehe ich dann zu meiner Tante – und habe aber auch in ihrem Zimmer immer die FFP2-Maske auf. Da das Testergebnis den ganzen Tag gilt, kann ich auch abends noch mal wiederkommen, dann lohnt sich das Ganze wenigstens“, sagt die 68-Jährige schmunzelnd. Da einfach alle getestet werden, die das Haus betreten, musste auch der Handwerker zum Schnelltest, bevor er im Keller eine Waschmaschine anschließen wollte, berichtet sie.

Diese Konsequenz ist ein Baustein des Erfolgs. Die Wörrstädter Einrichtung hatte noch keinen Corona-Ausbruch zu vermelden, einzig eine Mitarbeiterin aus der Küche wurde zu Beginn der Pandemie positiv getestet, hat aber auch keine anderen Mitarbeiter angesteckt. Für Pflegedienstleiterin Isabell Spangenmacher ist das wichtig: „Unsere Mitarbeiter sind sehr sensibel, was das Thema betrifft. Sobald einer sich nicht gut fühlt oder leichte Erkältungssymptome hat, bleibt er zu Hause.“ So habe man es bisher vermeiden können, dass das Coronavirus durch Mitarbeiter eingeschleppt wurde. „Trotzdem hatten wir auch einfach Glück“, sagt sie.

Sie wünscht sich, dass auch die Besucher ähnlich sensibel wären. „Wir sehen es immer mal wieder, dass die Angehörigen beim Besuch die Masken abnehmen. Ich verstehe das, auch den Wunsch, die Mutter oder Oma mal umarmen zu können“, aber genau das seien die Momente, in denen eine ungewollte Infektion passieren kann. „Wir kommen da nur gemeinsam durch“, sagt Spangenmacher. Auch für das Wörrstädter AWO-Haus ist die Impfung das A und O, Bewohner und Pflegekräfte warten nun auf den zweiten Piks. „Auch wenn das nicht bedeutet, dass wir die Schutzmaßnahmen nach dem zweiten Impftermin sein lassen können, bringt die Impfung viel Sicherheit und erleichtert uns so den Umgang mit den Bewohnern“, sagt sie.

Meistgelesene Artikel