Ludwigshafen

Wer bestimmt, was Recht ist?

Nichts als die Wahrheit – der «Tatort» zum Odenthal-Jubiläum

Von dpa
TV-Ausblick ARD - «Tatort: Dein gutes Recht»
Eine Geiselnahme hat stattgefunden. Um die Lage einschätzen zu können, hören Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, l-r), Johanna Stern (Lisa Bitter) und der junge Einsatzleiter die Gespräche mit - eine Szene aus «Tatort: Dein gutes Recht» (undatiert). Der Krimi aus Ludwigshafen wird am 27.10.2024 im Ersten gezeigt. (zu dpa: «Nichts als die Wahrheit - der «Tatort» zum Odenthal-Jubiläum») Foto: Benoît Linder/DPA

Ein Jurist wird in seiner Kanzlei erschossen. Wirklich von einem Einbrecher? Die dienstälteste «Tatort»-Kommissarin Lena Odenthal und ihr Team geraten bei den Ermittlungen zwischen die Fronten.

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Ludwigshafen (dpa) – Der Satz «Gleiches Recht für alle» gilt nicht für alle. Das ist in der bitteren Jubiläumsfolge der dienstältesten «Tatort»-Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) früh klar. Ist Wahrheit nur, was man durchsetzen kann? Diese Frage ist in einer zunehmend zersplitterten Gesellschaft hochaktuell. «Dein gutes Recht» heißt der 80. Odenthal-«Tatort», den das Erste am Sonntag (27. Oktober) um 20.15 Uhr zeigt. Darin lotet Deutschlands TV-Dauerbrenner das Rechtssystem als Rückgrat einer Gesellschaft kompromisslos aus.

Der Sonntagskrimi beginnt mit einem dramatischen Notruf. Schon nach einer Minute muss Odenthal ihre Dienstwaffe ziehen, die noch wichtig werden wird im Verlauf dieses Films. Die Ermittlerin stößt auf eine Anwältin, die sich zitternd unter einem Schreibtisch versteckt, und findet deren offenbar von einem Einbrecher erschossenen Mann. Doch – hatte das Paar Streit? Oder ist es ein Routinefall? Sandra Borgmann als abgebrühte Juristin Patricia Prinz lässt das Publikum mit doppelbödigem Spiel lange im Unklaren. Es lohnt, dranzubleiben.

Verschiedene Zeiten und Perspektiven

«Dein gutes Recht» ist ein außergewöhnlicher «Tatort». Zum einen feiert Schauspielerin Lisa Bitter ebenfalls Jubiläum, sie ist als Odenthals Kollegin Johanna Stern nun zehn Jahre dabei. Auch in diesem Krimi aus Ludwigshafen bilden beide ein stimmiges Team. Zum zweiten entrollt Regisseur Martin Eigler diese Geschichte spektakulär aus verschiedenen Zeiten und Perspektiven, die die Spannung steigern.

Odenthal muss einem Beamten der Abteilung Interne Ermittlungen Auskunft geben. Sie soll ihre Dienstwaffe vorschnell eingesetzt haben – wo und wann, erfährt der Zuschauer noch nicht. Die Ermittlerin, vom Einsatz gezeichnet mit Pflaster am Kopf und verbundener Hand, wehrt sich gegen die Vorwürfe des Kollegen (wunderbar selbstgefällig: Bernd Hoelscher). Auch hier: Geht es um Wahrheitsfindung, oder ist es eine Kraftprobe? Wie sehr prägen Hierarchien, Geschlechter und Machtpositionen ein Urteil?

«Es ist natürlich reizvoll, die Kommissarinnen in einer Vernehmungssituation zu erleben, die sie sonst von der anderen Seite des Tisches kennen und beherrschen», sagt Regisseur Eigler. «Hier werden sie mit Tricks und Manipulationsversuchen ihres Kollegen konfrontiert.»

Hochexplosive Mischung

Schlussendlich verknüpft ein zentraler Strang alle Fäden – und der stilsicher erzählte «Tatort» neigt sich im letzten Drittel einem blutigen Showdown zu. Schlüsselfigur ist Anwältin Prinz, die den Chef eines Callcenters (Matthias Lier) verteidigt – er soll Mitarbeiterin Marie Polat (Emma Nova) sexuell bedrängt haben. Die desillusionierte Polat ist der Skrupellosigkeit von Prinz vor Gericht nicht gewachsen. Es entwickelt sich eine hochexplosive Mischung aus Verzweiflung und Selbstjustiz.

Polat flieht mit ihrer Lebensgefährtin Luisa Berger (Samia Chancrin), und es kommt zu einem Finale im Feld. Unter enormer Anspannung muss Odenthal eine Entscheidung treffen, für die man sie später zur Rechenschaft ziehen wird. Eingefangen wird diese hitzige Jagd von einer starken Kamera (Andreas Schäfauer).

Eigler hat als Drehbuchautor ein Drama ohne erhobenen Zeigefinger geschrieben, das wohl deswegen besonders wirksam ist. Eine feine Spitze erlaubt sich der Regisseur gegen Bewerberinnen auf die Assistenzstelle der Polizei. Ein vergnügliches «Work And Travel» scheint diesen jungen Menschen wichtiger zu sein als Karriere – ihr gutes Recht.

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