Koblenz

Nach mehr als 300 Verhandlungstagen: Koblenzer Neonazi-Prozess endgültig eingestellt

Gerichtssaal 128, Landgericht Koblenz: Hier lief fast fünf Jahre lang der wohl größte Neonaziprozess in der Geschichte von Rheinland-Pfalz. Archivbild: Frey
Gerichtssaal 128, Landgericht Koblenz: Hier lief fast fünf Jahre lang der wohl größte Neonaziprozess in der Geschichte von Rheinland-Pfalz. Archivbild: Frey Foto: dpa

Das Landgericht Koblenz hat einen der größten Neonazi-Prozesse in Deutschland nach mehr als 300 Verhandlungstagen eingestellt. Das Gericht begründete diesen Beschluss am Dienstag mit dem „Verfahrenshindernis der überlangen Verfahrensdauer“ von fast fünf Jahren.

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Prozessauftakt war bereits 2012. Den ursprünglich 26 Angeklagten rund um ein „Aktionsbündnis Mittelrhein“ wurden Gewalt gegen Linke, aufgesprühte Hakenkreuze und versuchte Brandanschläge auf Autos vorgeworfen. Zunächst war die Hauptverhandlung nur ausgesetzt worden – weil der Vorsitzende Richter Hans-Georg Göttgen Ende Juni in den Ruhestand geht und ein Prozessende bis dahin als unerreichbar gilt. Laut Landgericht ist der neue Beschluss der Einstellung, der am Dienstag verkündet worden ist, noch nicht rechtskräftig. Über eine Beschwerde würde das Oberlandesgericht Koblenz entscheiden.

Der Prozess zu Straftaten aus dem Umkreis der mutmaßlich rechtsextremen Organisation Aktionsbüro Mittelrhein hatte im Sommer 2012 gegen ursprünglich 26 begonnen, zuletzt waren es noch 17 Angeklagte. Die fast 1000-seitige Anklage lautete auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung.

haw/dpa

Kommentar: Dieser Mammutprozess war ein Fehler

Das Landgericht Koblenz hat den wohl größten Neonaziprozess in der Geschichte von Rheinland-Pfalz nach fast fünf Jahren eingestellt. Und: Es hat einen schweren Fehler eingeräumt. Beides ist gut so, kommentiert unser Redakteur Hartmut Wagner.

Hartmut Wagner über das Ende im Neonaziprozess

Denn die Koblenzer Justiz hat sich mit dem Prozess um das Aktionsbüro Mittelrhein völlig verzettelt. Das belegen Zahlen: Ursprünglich sollte der Prozess vier Wochen und neun Verhandlungstage dauern. Es wurden fast fünf Jahre und 337 Verhandlungstage.

Seit der Mammutprozess 2012 mit 26 Angeklagten begann, sorgte er für Debatten. Die Prozessbefürworter sagten, man müsse alle mutmaßlichen Mitglieder und Unterstützer der mutmaßlich kriminellen Vereinigung Aktionsbüro Mittelrhein auf einmal anklagen. Weil sonst alle Zeugen mehrfach aussagen müssten. Und weil dies der Bundesgerichtshof in einem solchen Verfahren vorschreibt. Die Kritiker argumentierten, man hätte den Mammutprozess so nie beginnen dürfen. Weil er mit seinen bis zu 84 Beteiligten (26 Angeklagte, 52 Anwälte, ein Staatsanwalt, fünf Richter) nicht verhandelbar war. Und weil er die Angeklagten mit bis zu drei Verhandlungstagen pro Woche extrem belastete.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz hält bis heute daran fest, dass dieses Mammutverfahren richtig war und nicht eingestellt werden darf. Anders das Landgericht Koblenz. In dessen Einstellungsbeschluss findet sich auf Seite 11 dieses bemerkenswerte Eingeständnis: „Aus heutiger Sicht (ex post) hat es sich als schwerwiegender Fehler herausgestellt, alle 26 Angeklagten in einem Verfahren gemeinsam anzuklagen.“ Denn erst die Vielzahl der Beteiligten habe es den Angeklagten und deren Anwälten ermöglicht, das Verfahren jahrelang massiv zu sabotieren.

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