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VG Adenau

Immer mehr Ü-60: Was bedeutet das für den Alltag im Dorf?

Von Sofia Grillo
Einmal im Monat treffen sich Senioren aus Dümpelfeld und den umliegenden Gemeinden und tauschen sich aus. Sie wissen genau, wie sich das Zusammenleben in der Gemeinde verändert hat.
Einmal im Monat treffen sich Senioren aus Dümpelfeld und den umliegenden Gemeinden und tauschen sich aus. Sie wissen genau, wie sich das Zusammenleben in der Gemeinde verändert hat. Foto: Sofia Grillo

Von 13.921 Bürgern der Verbandsgemeinde Adenau sind 4356 über 60 Jahre alt (Zahlen 2018). Und Prognosen zeigen, dass die Überalterung voranschreitet. Schon jetzt spüren die Senioren aus der Verbandsgemeinde eine Veränderung im gesellschaftlichen Leben. Mit der Rhein-Zeitung sprechen sie über ihre Erfahrungen.

Lesezeit: 3 Minuten
Mit seiner Trompete stellt sich der 76-jährige Willi Klein in den Raum und beginnt die Melodie von „Happy Birthday“ zu spielen. Im Chor singen die rund 30 anwesenden Senioren den Text dazu. Drei Mal singen sie heute das gleiche Lied, denn drei der Mitglieder des Ü-60-Treffens in Dümpelfeld hatten Geburtstag. ...
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Überalterung: Kann Adenau die Pflege seiner Senioren künftig bewältigen?

So lange wie möglich zu Hause bleiben, das ist der Wunsch der meisten Senioren in der Verbandsgemeinde Adenau. Und wenn es wirklich nicht anders geht, soll das Pflegeheim in der Region sein. Nur ist das überhaupt noch möglich?

Wie gut ist das Pflegesystem in der Verbandsgemeinde Adenau auf die Überalterung vorbereitet?
Wie gut ist das Pflegesystem in der Verbandsgemeinde Adenau auf die Überalterung vorbereitet?
Foto: Sofia Grillo

Die Fallzahlen der Sozialstation Adenau-Altenahr steigen stetig an: Hatte der Pflegedienst in kommunaler Trägerschaft 2017 noch 294 Fälle, so verbuchte er 2018 schon 320. Und dieser Trend führt sich schon seit einigen Jahren so fort. „Noch schaffen wir es, der Nachfrage gerecht zu werden“, sagt Uwe Szymanski, Leiter der Sozialstation. Das geht aber nur, weil er in den vergangenen Jahren mehr Mitarbeiter eingestellt hat und offene Stellen schnell wiederbesetzen konnte.

Die Sozialstation pflegt die Senioren zu Hause, sie bietet Grundpflege, Behandlungspflege und auch Hauswirtschaftsleistungen an. Derzeit hat sie rund 70 Mitarbeiter, davon arbeiten 45 in der Pflege, 20 in der Hauswirtschaft und der Rest in der Verwaltung und Organisation. Zusammen versorgen sie Kunden in den Verbandsgemeinden Adenau und Altenahr. Mit Blick auf den demografischen Wandel versucht Szymanski schon jetzt, sich einen Puffer an Mitarbeitern aufzubauen, um auch weiterhin den mehr werdenden Anfragen gerecht zu werden.

Der Altersdurchschnitt der Mitarbeiter in der Sozialstation liegt bei rund 48 Jahren. Noch könnte er die Ausbildungsstellen besetzen, sodass auch junge Kräfte nachkämen, doch die Bewerberzahlen seien rückläufig, sagt Szymanski. Mit Sorge um den weiteren Nachwuchs in der Altenpflege blickt er auf das neue Ausbildungsmodell, das ab kommendem Jahr deutschlandweit gelten soll. Die bisher im Altenpflege- und im Krankenpflegegesetz getrennt geregelten Pflegeausbildungen werden dann in einem neuen Pflegeberufegesetz zusammengeführt.

Alle Auszubildenden erhalten zwei Jahre lang eine gemeinsame Ausbildung, in der sie einen Vertiefungsbereich in der praktischen Ausbildung wählen. Die Auszubildenden können dann entweder den Berufsabschluss „Pflegefachfrau“ beziehungsweise „Pflegefachmann“ erwerben oder in ihrem Schwerpunkt einen gesonderten Abschluss in der Altenpflege oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erwerben.

Szymanski befürchtet, dass dadurch die Altenpflege auf der Strecke bleibt, weil die jungen Auszubildenden lieber in Krankenhäusern ihre Karrieren einschlagen. „Die Altenpflege leidet unter einem Imageproblem“, weiß Szymanski. Mit Vorträgen an Schulen in der Region kämpft er schon heute gegen das schlechte Image des Berufs an. Trotz dieser Herausforderung blickt Szymanski positiv in die Zukunft, er glaubt, dass die Sozialstation für die zunehmende Überalterung gewappnet ist.

„Wir sind jetzt schon in einer Notlage, es kommen weit mehr Anfragen, als wir leisten können.“

Heidi Reiands vom Eifeler Pflegedienst

Das sieht man im Eifeler Pflegedienst, der fast im ganzen Kreis Ahrweiler unterwegs ist, anders. Auch der private Dienst bietet häusliche Pflege sowie Hauswirtschaftsdienste an. „Wir sind jetzt schon in einer Notlage, es kommen weit mehr Anfragen, als wir leisten können“, berichtet Heidi Reiands, Bürokraft. Der Pflegedienst hat rund 90 Mitarbeiter, es fehlt dennoch an Pflegepersonal und auch an Angestellten, die hauswirtschaftliche Dienste übernehmen. Der Dienst hat über 500 Kunden und kann keinen mehr aufnehmen. Die Situation sei seit rund einem Jahr so angespannt, so Reiands. Um wenigstens Nachwuchs in der Altenpflege auszubilden, orientiert sich der Eifeler Pflegedienst inzwischen ins Ausland. Im kommenden Ausbildungsjahr kommen rund 30 Kräfte aus dem Kosovo, die dann im Eifeler Pflegedienst ausgebildet werden.

Im deutschen Pflegesystem sei zu lange nichts gemacht worden, so Reiands. Das Kind sei eigentlich schon in den Brunnen gefallen. Wenn sich nicht bald etwas ändern würde, dann laufe es darauf hinaus, dass die Familien wieder mehr Pflege ihrer Angehörigen übernehmen müssten.

Wenn es irgendwann nicht mehr zu Hause geht, wollen viele Senioren in einem Pflegeheim in der Region versorgt werden. In der Verbandsgemeinde Adenau gibt es zwei davon: das Alten- und Pflegeheim „Alte Burg“ in Herschbroich und die Villa am Buttermarkt in Adenau. Die Villa am Buttermarkt hat 89 Plätze, davon sind 24 im „Das Dorf“ (eine vollstationäre Pflege Demenz) und sechs Wohnungen in der „Senioren-Alp“ (altengerechtes Wohnen). Doch diese Plätze sind schon voll belegt, die Nachfrage danach steigt und kann schon jetzt nicht mehr bedient werden. Auch im Alten- und Pflegeheim „Alte Burg“ sieht es nicht anders aus. 19 Plätze gibt es hier, die Nachfrage reißt nicht ab, doch die Plätze sind voll, sagt Inhaber Dietmar Hütt.

Von unserer Reporterin Sofia Grillo

Wir werden immer älter: Was bedeutet demografischer Wandel?