Wahlen
Bätzing-Lichtenthäler: SPD braucht anderen Umgang mit Tiktok
Mainz (dpa/lrs). Mit Demokratie-Bildung ab der Kita und einem professionelleren Umgang mit Tiktok will die designierte SPD-Landeschefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler junge Wähler davon abbringen, ihr Kreuz bei der AfD zu machen. «Inflation, Krieg und Frieden sowie bezahlbare Wohnungen beschäftigen junge Menschen sehr», sagte Bätzing-Lichtenthäler im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Und viele von ihnen hätten bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg AfD gewählt. «Der Einfluss von Tiktok ist schon massiv da.»
Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen müssten für die Bundes-SPD ein «Wendepunkt» sein, sagte Bätzing-Lichtenthäler, die auch Fraktionschefin ist. Die Wahl in Brandenburg zeige, dass die SPD mobilisieren könne, wenn die Personen passten und Authentizität und Glaubwürdigkeit im Vordergrund stünden. «Das Signal muss in Berlin gehört sein.» Die engagierte Rede von Olaf Scholz zum Haushalt stimme sie hoffnungsvoll. «Da war er klar und deutlich.»
Bätzing-Lichtenthäler: Wir sind die Bürgerinitiative für die Gesellschaft
Die SPD müsse auch wieder mehr Menschen zum Mitmachen gewinnen und dafür über niedrigschwelliger Zugänge wie Gastmitgliedschaften nachdenken, regte Bätzing-Lichtenthäler an. «Bürgerinitiativen haben einen großen Zulauf.» Die SPD müsse zeigen, dass sie die Solidarität für die Gesellschaft organisieren könne. «Wir sind die Bürgerinitiative für die Gesellschaft.»
Bätzing-Lichtenthäler: Die SPD hat Tiktok am Anfang in Teilen unterschätzt
Die SPD habe Tiktok am Anfang in Teilen unterschätzt und angenommen, es gehe auf der Plattform vor allem um Beauty-Tipps, räumte die Politikerin ein. «Dann kam die AfD und ist da rein.» Der Auftritt der SPD im Internet müsse professionalisiert und die Partei stärker auf Tiktok wahrgenommen werden. «Wir müssen auch beim Liken, Teilen und Verbreiten von Reels, Links und Clips disziplinierter und aktiver sein. Damit erreiche ich nun mal Reichweite», sagte Bätzing-Lichtenthäler. Die Produktion der Inhalte sei allerdings zeitintensiv und koste viel Geld und Personal. An die Reichweite der AfD werde die SPD erst einmal nicht mehr herankommen. «Dafür haben sie schon zu viel Vorsprung.»
«Die AfD macht aber keine Wahlkreisarbeit vor Ort», sagte die SPD-Politikerin. «Wir wollen als SPD die Partei von Tiktok und den Theken sein. Diese Klammer zu schaffen, ist eine Mammutaufgabe.»
Nicht nur die Aktentasche von Olaf Scholz zeigen
Die Inhalte der SPD im Internet dürften «inhaltlich nicht so platt und populistisch sein», wie viele der AfD. «Man kann aber auch nicht nur die Aktentasche von Bundeskanzler Olaf Scholz zeigen oder in einen Döner beißen. Damit transportiere ich ja auch keine Inhalte.» In der SPD-Landtagsfraktion habe man inzwischen damit begonnen, Redeauszüge zu nehmen und die «mit Bam zu hinterlegen».
Eine Debatte über Regulierungen von Tiktok sei sinnvoll mit Blick auf Radikalisierungen. «Das Recht gilt auch auf Tiktok», betonte Bätzing-Lichtenthäler. «Aber zu glauben, mit einem Verbot würde man diesen Trend brechen, dass sich jungen Menschen vor allem auf Tiktok informieren und dann zu Populisten tendieren, das wäre blauäugig. Dann suchen sie sich eine neue Plattform. Das wäre wie Hase und Igel.»
Demokratie-Bildung geht sogar im Musik-Unterricht
«Demokratie-Bildung geht in den Schulen in fast jedem Fach, selbst in Musik», betonte Bätzing-Lichtenthäler. Dazu gehöre auch Quellenkritik. «Ob Demokratie gelingt, entscheidet sich vor Ort, in den Dörfern und Städten», betonte die SPD-Politikerin. Deshalb seien auch Formate sinnvoll, bei denen junge Menschen in den Stadtrat zu den Sitzungen gingen und umgekehrt die Abgeordneten in die Schulen kämen. «Das ist für beide Seiten bereichernd.»
Die Hälfte der Gesellschaft sind Frauen – das soll sich in der SPD widerspiegeln
Als erste Frau an der Spitze der SPD in Rheinland-Pfalz sei es ihr auch wichtig, dass sich in der Partei die 50 Prozent Frauen in der Gesellschaft widerspiegelten. In der Sandwich-Position zwischen betagten Eltern und Kindern, die für viele Frauen noch gesellschaftliche Realität sei, hätten viele Frauen aber nicht mehr die Energie, sich abends nach der Arbeit noch im Ortsbeirat zu engagieren. «Wir müssen über andere Strukturen und Angebote nachdenken, um mehr Leute für die Sache zu gewinnen.»
Klare Sprache und realistische Versprechen
«Zu den Küchentisch-Themen gehört auch eine Küchentisch-Sprache», betonte Bätzing-Lichtenthäler. Vielen sage etwas das Wort Transformation nur wenig. Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) hatte in seiner Rede gesagt, er wolle sich mit seiner Politik an den Themen orientieren, die die Menschen am Küchentisch besprächen.
Bätzing-Lichtenthäler forderte zudem, nur realistische Versprechen zu machen. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu versprechen, obwohl man das nicht allein in der Hand habe, müsse vermieden werden, sagte sie mit Blick auf Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD).
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