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Frankfurt/Mainz

Deeskalation als Strategie gegen Randale? Dreyer eckt mit Polizeitipps an

Von epd/mr
Polizeipräsenz am Frankfurter Opernplatz: Nach den jüngsten Ausschreitungen wird der Platz an Wochenenden um 1 Uhr nachts geräumt.
Polizeipräsenz am Frankfurter Opernplatz: Nach den jüngsten Ausschreitungen wird der Platz an Wochenenden um 1 Uhr nachts geräumt. Foto: dpa

Nach den nächtlichen Krawallen in Frankfurt und Stuttgart in den vergangenen Wochen plädiert die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), für eine zurückhaltende Polizeistrategie. Die Polizei sollte „den Weg der Deeskalation gehen“, sagte sie. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) indes hält die jüngsten Ausschreitungen für die Folge eines über Jahre zu weichen Vorgehens der Polizei gegen Regelverstöße. Ähnlich argumentierte der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster.

Lesezeit: 3 Minuten
Kretschmer sagte in einem Interview mit der Düsseldorfer „Rheinischen Post“: „Wir müssen unsere Werte, unsere Regeln bereits im Kleinen durchsetzen.“ Wenn das über Jahre nicht geschehe, „wenn man in kleinen Gruppen lärmend im Park sitzen und Alkohol trinken und Drogen nehmen kann und nie einer kommt und sagt, dass Schluss ...
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Kommentar zur Polizeistrategie: Bitte keine Tipps vom sicheren Spielfeldrand!

Jede Medaille hat zwei Seiten. Den Ausschreitungen, wie sie sich jüngst in Stuttgart und Frankfurt ereignet haben, liegen mit Sicherheit multikausale gesellschaftliche Zusammenhänge zugrunde. Es mag sein: Hier entlädt sich der Corona-Frust von jungen Leuten, denen die Pandemie die Möglichkeit geraubt hat, sich auf Sportplätzen, Konzerten oder den Tanzflächen der Klubs auszuleben. Oder die Wut junger Männer – häufig mit Migrationshintergrund –, die selbst mit deutschem Pass in dieser Gesellschaft oftmals Ausgrenzung und geringere Chancen im Berufsleben erfahren. Und doch sind diese gewalttätigen Szenen und brutalen Angriffe gegen Polizisten auf dem Opernplatz in Frankfurt und anderswo vor allem eines: absolut untragbar!

Manfred Ruch zu Malu Dreyer und der Polizeistrategie

Genau das hätte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer bei ihrem Mediengespräch zum Thema zunächst einmal in aller Deutlichkeit artikulieren sollen. Sie hätte damit vermeiden können, dass ihre Empfehlungen zu einer deeskalierenden Polizeistrategie nicht gleichzeitig als versteckte Kritik an Frankfurter oder Stuttgarter Behörden empfunden werden konnten. Sie hätte sich glasklar vor eine Berufsgruppe stellen müssen, der in dieser entscheidenden Phase der Corona-Lockerungen und wachsender Angst vor der zweiten Welle eine besonders schwere Aufgabe zufällt: Sie muss für Sicherheit und Ordnung sorgen, wo unter dem Eindruck von Alkohol die Vernunft versagt, Regeln über Bord geworfen werden und Aggression sich ungehemmt Bahn bricht. Polizistinnen und Polizisten, die als Vertreter der Staatsmacht die Folgen hautnah zu spüren bekommen, brauchen deshalb nicht nur jetzt, aber jetzt ganz besonders den Rückhalt der Politik und keine guten Tipps vom sicheren Spielfeldrand.

Was ist nur los mit der SPD, dass sie sich mit der Polizei derzeit so unglaublich schwertut? Erst unterstellt die Parteivorsitzende Saskia Esken im Zuge der Rassismus-Unruhen in den USA auch den deutschen Beamten strukturellen Rassismus (und rudert dann halbherzig zurück), und jetzt sorgt auch die sonst so besonnene rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin mit ungeschickt gewählten Worten für erhebliche Irritationen. Dass zum Handwerkszeug der Polizei in Rheinland-Pfalz die Deeskalation gehört, steht außer Frage. Niemandem ist gedient, wenn eine Lage ohne Not eskaliert und aus dem Ruder gerät. Dass man aber Situationen wie die in Frankfurt, vielleicht auch irgendwann in Mainz, nicht mehr mit freundlichen, aber bestimmten Worten lösen kann, muss ebenfalls jedem klar sein.

Kommen wir zurück zum Anfang. Ja, die Medaille hat zwei Seiten. Dringend muss sich diese Gesellschaft überlegen, was sie dem offensichtlichen Frustpotenzial vieler junger Leute entgegensetzen und wie sie deren Chancen vergrößern will. Aber ebenso dringend ist es, die aktuellen Auswüchse so schnell wie möglich zu stoppen. Freundlich, aber notfalls eben auch mit der nötigen Konsequenz. Viel zu lange haben es Ordnungsbehörden bereits zugelassen, wie sich hemmungsloser Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit breit macht – mit all seinen Folgen wie Pöbeleien, Lärm und Müll. Davon sind längst nicht nur Frankfurt und Stuttgart betroffen. Auch kleinere Kommunen und viele Festveranstalter können davon ein trauriges Lied singen.

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