Plus
Westerwald

Wahlzeit: Flüchtlingshelfer beklagen hohe Integrationshürden

Bettina Lindner-Gehrhardt (links) gibt im Auftrag des Montabaurer Alten- und Pflegeheims Hospitalfonds auch Deutschkurse für Ausländer. Seit zwei Jahren engagiert sich die 65-Jährige ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe. Foto: Thorsten Ferdinand
Bettina Lindner-Gehrhardt (links) gibt im Auftrag des Montabaurer Alten- und Pflegeheims Hospitalfonds auch Deutschkurse für Ausländer. Seit zwei Jahren engagiert sich die 65-Jährige ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe. Foto: Thorsten Ferdinand

Bettina Lindner-Gehrhardt will Flüchtlingen bei der Integration in die deutsche Gesellschaft helfen. Doch in der Praxis stößt sie dabei häufig auf bürokratische Hürden.

Lesezeit: 4 Minuten
Die Bilder von flüchtenden Menschen ließen Bettina Lindner-Gehrhardt nicht kalt. Für die pensionierte Realschullehrerin aus Bladernheim war es im Herbst 2015 eine Herzensangelegenheit, den Ankömmlingen zu helfen. Mit viel Engagement und Leidenschaft stürzte sie sich in ihr neues Ehrenamt. Inzwischen sind zwei Jahre vergangen, und die anfängliche Euphorie ist verflogen. ...
Möchten Sie diesen Artikel lesen?
Wählen Sie hier Ihren Zugang
  • 4 Wochen für nur 99 Cent testen
  • ab dem zweiten Monat 9,99 €
  • Zugriff auf alle Artikel
  • Newsletter, Podcasts und Videos
  • keine Mindestlaufzeit
  • monatlich kündbar
E-Paper und
  • 4 Wochen gratis testen
  • ab dem zweiten Monat 37,- €
  • Zugriff auf das E-Paper
  • Zugriff auf tausende Artikel
  • Newsletter, Podcasts und Videos
  • keine Mindestlaufzeit
  • monatlich kündbar
Bereits Abonnent?

Fragen? Wir helfen gerne weiter:
Telefonisch unter 0261/9836-2000 oder per E-Mail an: aboservice@rhein-zeitung.net

Oder finden Sie hier das passende Abo.

Anzeige

Andreas Nick: Es ist schon viel erreicht worden

Wir sind ein weltoffenes Land mit einer unverwechselbaren Identität. Menschen, die in ihrer Heimat politisch und religiös verfolgt werden oder durch einen Bürgerkrieg in Lebensgefahr geraten sind, müssen sich auch künftig unserer Hilfe sicher sein können.

Mit unserer Flüchtlingspolitik ist schon vieles erreicht worden: Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge konnte deutlich reduziert und in geordnete Bahnen gelenkt werden, Entscheidungen über Asylanträge fallen schneller, die Bundesländer und Kommunen werden unter anderem durch eine jährliche Integrationspauschale entlastet. Schutzsuchende, die eine gute Bleibeperspektive haben, erhalten frühzeitig Angebote vom Staat. Ihre Integration wird eine der wichtigsten innenpolitischen Aufgabe der nächsten Jahre. Im Sinne des „Fördern und Fordern“ müssen sie sich aber auch selbst aktiv um Integration bemühen. Das Engagement der vielen Ehrenamtlichen, aber auch zahlreicher Betriebe in unserer Region verdient hohe Anerkennung. Sicherlich muss in vielen Einzelfällen schneller und unbürokratischer entschieden werden. Hier können vor Ort oft pragmatische Lösungen erreicht werden.

Gabi Weber: Ehrenamtliche steuerlich stärken

Die Zahl der neu ankommenden Geflüchteten hat sich deutlich reduziert. Weiterhin ist die schnelle Klärung der Aufenthaltsperspektive enorm wichtig. Dazu dürfen die befristeten Stellen im BAMF jetzt nicht auslaufen.

Integration kostet zunächst, aber diese Investition braucht es, damit Geflüchtete schnell in Arbeit und ein unabhängiges Leben finden. Frauen dürfen nicht durch fadenscheinige Ausreden von Bildung und Spracherwerb ferngehalten werden. Durch ein Zuwanderungsgesetz ließe sich Einwanderung deutlich besser steuern, da Kriterien formuliert, Zuständigkeiten zugewiesen und so das Asylrecht entlastet würde. Integrationskurse müssen besser auf die Zielgruppen ausgerichtet sein, verbunden mit der Aussicht auf Beschäftigung. Dazu zählt auch die Feststellung der individuellen Kompetenzen, ohne dass Unterlagen aussichtslos im Heimatland angefordert werden. Besonders wichtig ist das Engagement der Ehrenamtlichen, das am Ende den Unterschied zwischen gelingender oder gescheiterter Integration ausmacht. Die Ehrenamtlichen zu stärken und steuerlich und bei der Berechnung ihrer Rente zu würdigen, muss Aufgabe der neuen Bundesregierung sein.

Michael Musil: Schnell Klarheit erreichen

Wir sind für schnelle, faire und rechtsstaatlich einwandfreie Verfahren. Es muss schnell Klarheit darüber geschaffen werden, ob ein Asylantrag zur Anerkennung führt.

Erstversorgung und Unterbringung bis zur Verteilung sowie die Identifizierung, die Registrierung und die Weiterverteilung der Schutzsuchenden sollten nach Möglichkeit bereits in den Eintrittsländern innerhalb der EU organisiert werden. Die Erstaufnahme muss eine menschenwürdige Unterbringung gewährleisten, die insbesondere Rücksicht nimmt auf die Bedürfnisse von Frauen, Kindern und Kranken. Schnelle Verfahren führen zu schneller Klarheit für die Betroffenen. Dazu gehört eine freiwillige und möglichst zügige Rückkehr derjenigen, die nach dem Abschluss rechtsstaatlicher Verfahren kein Bleiberecht in Deutschland erhalten. Wir werden für anerkannt schutzbedürftige Menschen auch verantwortungsvoll mit denjenigen umgehen, die kein Bleiberecht erhalten, und wir werden diejenigen, die bleiben, gut aufnehmen und tatkräftig dabei unterstützen, unsere Sprache zu lernen, eine Wohnung und eine Arbeit zu finden. Die beste Flüchtlingspolitik ist und bleibt, die Menschen davor zu bewahren, ihre Heimat verlassen zu müssen.

Martin Klein: Ministerium für Migration

Die Linke sieht Integration als Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Integration ist keine Bringschuld eines Einzelnen, wenn wir auch die Bereitschaft, sich integrieren zu wollen, voraussetzen.

Die Integration in einer demokratischen Gesellschaft schließt das Recht auf unterschiedliche Lebensentwürfe mit ein. Eine Integration, die auf einem System von bürokratischen und juristischen Schikanen aufbaut und Migranten und Flüchtlinge andauernder Diskriminierung aussetzt, ist keine. Die Linke will eine solidarische Einwanderungsgesellschaft gestalten. Dabei setzen wir auf ein inklusives „Wir, die hier leben“. Das ist vielfach gelebte Praxis in Kommunen, in der Arbeit und der Freizeit, genauso wie in Sportvereinen und zivilgesellschaftlichen Initiativen. Wie viel Offenheit und Engagement in unserer Gesellschaft vorhanden ist, zeigen die vielen, die in der Flüchtlingssolidarität aktiv sind. Ihre Arbeit und die Zusammenarbeit mit Behörden wollen wir fördern. Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, muss die Zuständigkeit dem Innenministerium entzogen werden. Nicht nur weil Deutschland ein Einwanderungsland ist, fordert Die Linke ein eigenes Bundesministerium für Migration und Integration.

Thorsten Hehl: Geordnetes Recht schaffen

Ehrenamtlich tätigen Menschen ist es zu verdanken, dass die Aufnahme von Hunderttausenden Geflüchteten überhaupt gelingen konnte. Dafür möchte ich meinen tief empfundenen Respekt und Dank ausdrücken.

Es dauert noch immer zu lange, bis es in den Asylverfahren zu Entscheidungen kommt. Wir wollen ein geordnetes Einwanderungsrecht schaffen, das nach Möglichkeit in einem Einwanderungsgesetzbuch zusammengefasst wird. Dabei muss zwischen individuell politisch Verfolgten, Kriegsflüchtlingen und dauerhaften Einwanderern unterschieden werden. Das Grundrecht auf Asyl für individuell politisch Verfolgte ist für uns unantastbar. Für Kriegsflüchtlinge wollen wir einen eigenen Status schaffen, einen humanitären Schutz. Nach Identitätsfeststellung soll der Status unkompliziert verliehen werden. Kriegsflüchtlinge sollen nach Beendigung des Krieges in der Regel in ihr Heimatland zurückkehren. Dauerhafte Einwanderer wollen wir uns wie jedes andere Einwanderungsland selbst aussuchen. Deutschland ist auf die Einwanderung von qualifizierten und fleißigen Menschen angewiesen, wenn wir unseren Wohlstand auch zukünftig erhalten wollen.

Astrid Angelika Bergmann-Hartl: Hürden müssen abgebaut werden

Integration durch Fordern und Fördern, das ist eine der Leitlinien der Freien Wähler. Wir stehen zu unserem Asylrecht und der humanitären Verantwortung.

Verfolgte und Bürgerkriegsflüchtlinge genießen hier Schutz, aber es muss auch einen schnelleren Abschluss der Asylverfahren geben, mit der Konsequenz das es bei abgelehnten Asylbewerbern zeitnah zur Rückführung kommt. Diejenigen der Zuwanderer, die bei uns bleiben werden, müssen wir so gut wie möglich in die offene Gesellschaft eingliedern. Doch dies ist keine Einbahnstraße! Der Erwerb der Sprache, die Bereitschaft sich für den Arbeitsmarkt nachzuqualifizieren, so wie unsere liberale Gesellschaftsordnung anzuerkennen, gehören unweigerlich dazu. Die Anerkennung von Abschlüssen muss verbessert werden, ohne aber das Ausbildungsniveau zu senken. Dazu müssen die bürokratischen Hürden abgebaut werden. Um einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen, wollen wir ein Einwanderungsgesetz. Wir fordern von der Regierung auch die volle Kostenübernahme der Integrationspolitik, um die Kommunen zu entlasten. Es müssen Anlaufstellen für die Menschen geschaffen werden, um die Ehrenamtlichen zu entlasten.

Meistgelesene Artikel