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Bäcker war oft Mittelpunkt des Lebens im Dorf
„Noch bis Mitte der 70er-Jahre hatte der Dorfbäcker intensiven geschäftlichen Kontakt mit den damals noch existierenden Müllern in der näheren Umgebung“, erzählt Hans-Jürgen Pletz aus Willingen, der mehr als 50 Jahre als Bäcker tätig war. „Der Müller holte das Getreide bei den heimischen Bauern ab, reinigte es und vermahlte es zu Schrot oder Mehl. Einmal wöchentlich lieferte er es dann an den Bauern zurück, der es zur Fütterung der Tiere brauchte, oder er lieferte es an den Bäcker, der es zu Backwaren verarbeitete. Mit der Lieferung des fertigen Mehls wurde gleich wieder das Getreide zum Mahlen mitgenommen – der Kreislauf war geschlossen.“
Zwei Mühlen im kleinen Dorf
Allein in Nisterau verarbeiteten im kleinen Ortsteil Bach zwei Müller mit ihren Wassermühlen das Korn aus der Region. Große Qualitätsunterschiede in der Beschaffenheit des Mehls waren gang und gäbe, die der Bäckermeister Dank seiner Erfahrung ausgleichen konnte.
Die Bäckerei war oft der dörfliche Mittelpunkt. Bis Anfang der 70er-Jahre brachten die Hausfrauen im Dorf ihre zu Hause aufbereiteten Kuchen zum Bäcker, um sie dort backen zu lassen. Wenn der Bäcker mit seiner Arbeit fertig war, konnte er dann, mit der noch vorhandenen Hitze im Backofen, die Kuchen backen. „20 Pfennig nahm er für das Backen eines Kuchens“, erinnert sich Pletz. „Vor allem im Spätsommer, wenn Kwetschekouche und Erbelsbrut (Kartoffelbrot) Saison hatten, war die Backstube samstags mit bis zu 30 kleinen Herdblechen von den Landfrauen des Dorfs zugestellt. Eine energiesparende Maßnahme. Damals hatten nur wenige Haushalte einen zuverlässigen Herd, schon gar keinen Elektroherd, mit dem sie ein gutes Backergebnis erreichen konnten.“
Aber nicht nur Spätheimkehrer besuchten den Bäckermeister im „Backes“. Im Winter kamen die „Wegewärter“ in die Backstube, um sich von der Kälte in ihren schlecht beheizten Schneepflügen oder Schneefräsen aufzuwärmen. „Da wurde auch mal ein Kaffee oder etwas anderes Wärmendes genossen“, weiß der Bäckermeister noch, wie es in der Bäckerei in Willingen war, die 1924 von Richard Pletz gegründet wurde und seit vier Generationen im Besitz der Familie ist. „Die lange Tradition des Backens, gepaart mit dem Können erfahrener Bäckermeister, führte schon vor Jahrzehnten zu herzhaften, gesunden Gebäcken, die sich durch vorzüglichen Geschmack auszeichneten. Vor allem das würzige Aroma des selbst hergestellten Sauerteigs machte das gute Brot aus.“
Beim „natürlichen“ Backen war die Natur mit im Spiel. „Sogar das Wetter – Hoch- oder Tiefdruck, Temperatur und Luftfeuchtigkeit – beeinflussten das Backergebnis.“, erzählt der Bäcker. „Auch die Beschaffenheit des Mehls hing eng mit der Qualität des Brotes zusammen. Weil aus Überzeugung auf jegliche Zusatzstoffe verzichtet wurde, war auch das fertige Brot – trotz althergebrachter genau eingehaltener Rezeptur – vom einen zum anderen Mal unterschiedlich. Es war halt reine Natur! Mit der Hand geformte Brote und Gebäcke waren und sind hochwertige, Grundnahrungsmittel.“ Heute bleibt der Pletzsche Backofen überwiegend kalt. Gebacken wird nur noch zu besonderen Anlässen.
Pletz macht aber noch auf eine andere Funktion der Dorfbäckerei aufmerksam: „Der lokale Bäcker war und ist aber weit mehr als nur Lieferant von Lebensmitteln. Im Dorf ist er ein wichtiger Kommunikationsmittelpunkt, und er steht nicht nur für die bessere Qualität der Lebensmittel, sondern insgesamt für eine bessere Lebensqualität im Ort.“ Ein kleiner Rest Dorfgemeinschaft, mit wichtigen und unwichtigen Dingen, hat auch heute noch Platz in den rar gewordenen Wäller Dorfbäckereien.
Große Brotvielfalt in Deutschland
„Deutschland ist bekannt für die Vielfalt und die Qualität seiner Brote und Gebäcke. Darum beneiden uns viele“, so ein zu Recht stolzer Hans-Jürgen Pletz. „Brot ist ein unerlässlicher Bestandteil unserer Ernährung und gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, vor allem Kindern die Bedeutung von gesunden Nahrungsmitteln möglichst früh zu vermitteln. Denn handwerklich hergestellte Backwaren aus Roggen- und Vollkornmehl sind wahre Fitnesspakete. Sie fördern die Gesundheit und Vitalität und sorgen damit für mehr Wohlbefinden im Alltag.“
Der Tag des Brotes im vergangenen Jahr in Hachenburg (die WZ berichtete) zeigte, welche Köstlichkeiten in einer kleinen Dorfbäckerei hergestellt werden. „Denn nur beim Bäckermeister weiß man, woher die Backwaren kommen und wer sie gebacken hat“, betont Pletz. „Der handwerkliche Bäckermeister steht für hohe Produktqualität, für meisterliche Fähigkeiten und für kreative, auf den Kunden zugeschnittene Lösungen mit kostenloser persönlicher Beratung. Für den heimischen Bäckermeister ist die Regionalität des Rohstoffbezugs und die Nachvollziehbarkeit der überschaubaren Produktion kein Marketinggag, sondern Selbstverständlichkeit.“
„Der Dorfbäcker – ein Stück Lebensqualität“ – diese Aussage hat nur noch in wenigen Dörfern Gültigkeit. „Dabei wird dort noch Brot gebacken wie in früheren Zeiten, nur mit Mehl, Sauerteig, Salz, Hefe und Wasser – reine Naturprodukte“, so Hans-Jürgen Pletz.
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Selbst Brot backen lernt man am besten beim Meister
Doch bevor es richtig losgeht, gibt es im Café Heimatstübchen erst einmal eine theoretische Einführung in das Handwerk – oder besser die Kunst – des Brotbackens. Dazu wird Kaffee serviert, und natürlich dürfen gleich mehrere Sorten von Pletz schon auf Vorrat gebackene Brotsorten probiert werden. „Ich esse Brot meistens einfach nur mit Butter“, erläutert der Bäckermeister, „das schmeckt mir am besten. Zustimmendes Nicken.
Nun geht es ans Erläutern der ausgeteilten Rezepte, von denen sich jeder was aussuchen soll. Natürlich nimmt die Diskussion, wie ein richtiger Sauerteig hergestellt werden muss, breiten Raum ein. Da aber auch Pletz, der ehrenamtlich im Westerwald-Verein auch Chefredakteur der Vereinszeitschrift „Der Westerwald“ ist, längst nicht mehr jeden Tag backt, geht er hier mit der Zeit und benutzt für den Sauerteig einen speziellen Ansatz, den es im Fachhandel zu kaufen gibt. Davon darf später jeder etwas mit nach Hause nehmen.
Nun geht es aber in die Backstube und an die Arbeit: Alle Zutaten werden abgewogen und gründlich gemischt. Dann beginnt die Schwerstarbeit: das Kneten des Teiges. Hier verrät der Profi den Amateuren einige Kniffe, wie man sich das Kneten leichter machen kann, und dass man auch das Falten des Teiges nicht vergessen darf. Sonst bekommt man ihn nicht in die richtige Form. Wer möchte, kann noch Nüsse, Körner oder Gewürze in seinen Teig einarbeiten. Dann werden die Brotrohlinge je nach Konsistenz des Teiges, was wiederum unter anderem von der Mehlart abhängt, auf Bretter oder in Gärkörbchen gesetzt.
„Jetzt müssen unsere Brote gehen, also gehen wir wieder Kaffee trinken“, schlägt Bäckermeister Pletz vor. Im Nebenraum können dann nicht nur weitere Brotsorten probiert werden, sondern es gibt auch jeder Menge Informationen zum Weg des Brotes, angefangen beim Anbau des Getreides früher und heute über die historische und moderne Mühlentechnik bis hin zu den traditionellen oder mittlerweile hoch technisierten Bäckereien.
„Ich glaube, jetzt können wir mal nach unserem Teig schauen“, meint Pletz, doch er hat sich zu früh gefreut: Weil es in der nicht mehr regelmäßig genutzten Backstube nicht mehr so warm ist, müssen sich alle noch etwas gedulden. Doch dann ist es so weit: Die von den Kursteilnehmern in traditioneller Handarbeit produzierten Brote werden möglichst rasch in den Ofen eingeschoben. Dann wird es spannend: Damit die Brote schön knusprig und glänzend werden, wird Dampf in den Backofen eingelassen. „Vorsicht, jetzt wird's heiß“, warnt der Bäckermeister. Denn schon nach kurzer Zeit muss er die Ofentür öffnen, um den überschüssigen Dampf wieder abzulassen.
Danach heißt es für alle: Geduld haben. Doch bald kann jeder mal durchs Sichtfenster nachschauen, wie seine Brotlaibe langsam braun werden. Pletz holt einen der knusprigen Laibe aus dem Ofen, nimmt ihn in die Hand und klopft auf die Unterseite. „Noch ein paar Minuten, dann sind die Brote fertig und können mitgenommen werden.“
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