Kreis Neuwied

Neue Hinweise: Kann nach 26 Jahren die Identität der Toten von der A 3 geklärt werden?

Ein Zeitdokument: Kriminalhauptkommissar Henry Krüger (rechts) und seine Kollegen, Eduard Sprenger (hinten links), der heute bei der PD Neuwied beschäftigt ist, sowie Klaus-Dieter Kuhn, heute Vize-Chef der PI Straßenhaus, steigen aus dem Wagen, um Spuren an der Leiche zu sichern. 
Ein Zeitdokument: Kriminalhauptkommissar Henry Krüger (rechts) und seine Kollegen, Eduard Sprenger (hinten links), der heute bei der PD Neuwied beschäftigt ist, sowie Klaus-Dieter Kuhn, heute Vize-Chef der PI Straßenhaus, steigen aus dem Wagen, um Spuren an der Leiche zu sichern.  Foto: Polizei Neuwied

Die Ermittlungen rund um die unbekannte Tote, die 1991 an der Autobahnraststätte Fernthal aufgefunden wurde, haben nach der jüngsten Berichterstattung in der RZ und in vielen anderen Medien noch einmal Fahrt aufgenommen.

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Wie der zuständige Kriminalhauptkommissar Henry Krüger im Gespräch mit unserer Zeitung informiert, sind innerhalb der vergangenen Woche weitere Hinweise bei der Kriminalpolizei Neuwied eingegangen. So habe sich etwa eine Frau aus North Carolina in den USA gemeldet, die über Facebook von den Ermittlungen erfahren hatte. „Sie hat früher mal in Idar-Oberstein gearbeitet und glaubt, die Tote erkannt zu haben“, erläutert Henry Krüger. Davon abgesehen wird Krüger wegen des mysteriösen Todesfalls am Freitag Besuch von einem TV-Kamerateam bekommen, das für die Sendung „Kriminalreport“ einen Beitrag dreht. Zudem wird der Ermittler nächste Woche beim SWR-Fernsehen noch mal den Stand der Ermittlungen darlegen und um Hinweise bitten.

Suche nach Vermissten kann mühsam sein: So arbeitet die Neuwieder Kripo

Kreis Neuwied. Die Kriminalpolizei im Kreis Neuwied bearbeitet pro Jahr mehrere Hundert Vermisstenfälle. Allein für die Beamten der Kripo Neuwied um Kriminalhauptkommissar Henry Krüger sind es 100 bis 120. Dabei handelt es sich laut Krüger „zum Glück“ in der Mehrzahl der Fälle um Personen, die entweder nach einigen Stunden oder wenigen Tagen wieder auftauchen. Doch es gibt auch immer wieder Fälle, die den Ermittlern länger Kopfzerbrechen bereiten. Und: Dank weiterentwickelter Untersuchungsmethoden kommen die Ermittler inzwischen auch in Fällen weiter, in denen Menschen schon geraume Zeit vermisst werden.

Vermisst: Matthias Tschöke (60).
Vermisst: Matthias Tschöke (60).
Foto: Polizei

Aktuell beschäftigt die Beamten etwa der 60-jährige Matthias Tschöke, der seit Mitte August aus dem St. Josefshaus in Hausen verschwunden ist. Bislang war der Mann nicht auffindbar. Wie die Ermittlungen in so einem Fall ablaufen, beschreibt Henry Krüger so: „Zunächst konzentrieren wir uns auf das nähere Umfeld des Vermissten.“ Heißt: Beamte und Mitarbeiter des St. Josefshauses haben in den Gebäuden und außen herum nach dem Vermissten gesucht. „Dann haben wir die Feuerwehr hinzugezogen und den Polizeihubschrauber, der das Wiedtal abgesucht hat.“ Weil alles das nicht zum Erfolg führte, folgte ein Zeugenaufruf in der Presse. „Daraufhin kamen die ersten Hinweise rein. Eine Frau gab an, sie kenne Herrn Tschöke und habe ihn in Neuwied in der Mittelstraße gesehen, als er in Richtung Rhein lief.“

Dennoch ist der Vermisste bis heute nicht auffindbar. Da die Kripo aber Spurenmaterial des 60-Jährigen sichern konnte, läuft laut Krüger derzeit eine DNA-Überprüfung. Zur Routine zählt dann auch, dass diese Daten in eine Datenbank eingestellt und mit Daten anderer Vermisster, mitunter an anderer Stelle tot aufgefunden, abgeglichen werden. Da sind dann automatisch Nachbarregionen und sogar Nachbarstaaten wie Belgien oder die Niederlande mit im Ermittlungsboot.

Doch es gibt immer wieder auch Ermittlungserfolge zu feiern. So ist es den Kriminalisten um Krüger unlängst gelungen, Licht in den Fall eines Langzeitvermissten aus Bad Hönningen zu bringen. Ende Dezember 2016 wurde unterhalb der Ruine Hammerstein zwischen Bäumen und Büschen ein Schädel gefunden. Beim Wühlen in den Akten stießen die Beamten auf einen Mann aus Bad Hönningen, der seit 1994 als vermisst gilt. „Das Ergebnis der Knochenuntersuchung in der Rechtsmedizin legte den Verdacht nahe, dass es sich um den Schädel des Mannes handeln könnte“, berichtet der Ermittler. Doch der Fall nahm eine seltsame Wendung: „Beim Blick in die Vermisstenakte haben wir gesehen, dass die Kollegen damals eine Blutspur gefunden hatten, die aber noch nicht untersucht worden war.“ Das holten Krüger und seine Kollegen nach. „Wir sind davon ausgegangen, dass die Blutspur zum Schädel passen würde.“ Allerdings passte die DNA-Spur vom Schädel nicht zur DNA im Blut. Beim Datenabgleich stellte sich heraus, dass der Schädel zu einem Mann gehört, der in Köln seit 1997 als vermisst gemeldet war. Dieser hatte zuletzt mangels festem Wohnsitz auf einem Campingplatz in Bad Hönningen gelebt, fanden die Ermittler heraus. „Wo sich der Rest von diesem Mann befindet, wissen wir aber nicht.“

Dafür kamen sie dank der Blutspur im Fall des Bad Hönningers weiter, der seit 1994 vermisst wurde. „Es gab einen Treffer beim Abgleich. Die menschlichen Überreste ohne Schädel fand man bereits 1997 zwischen Leutesdorf und Hammerstein im Rhein.“ Die modernen Untersuchungsmethoden von heute begünstigten den Erfolg. „In den 90er-Jahren standen diese den Kollegen noch nicht so zur Verfügung“, weiß Krüger.

Übrigens: Bei den Vermisstenfällen, die sich nach kurzer Zeit aufklären lassen, können die Ursachen für das Verschwinden von Menschen von ganz unterschiedlicher Natur sein. Dazu noch einmal Henry Krüger: „Das Spektrum reicht von Kindern, die sich aus der Schule verdrücken, um sich was zu kaufen und darüber die Zeit vergessen, bis hin zu Abenteuerlust oder der Angst vor den Eltern, wenn man mal eine schlechte Note mit nach Hause bringt. Es gibt auch die Ausreißer aus Kinderheimen. Und manche verschwinden nach Spanien, weil sie eine Weile in der Sonne leben wollen.“

So oder so wird die Lage für die Kripo immer dann brisant, wenn Kinder oder ältere Menschen vermisst werden. „Denn da ist die Gefahr, dass etwas passiert, erfahrungsgemäß am größten“, so Krüger. Bei diesen Fällen zögern die Beamten deshalb nicht, die Suchmaschinerie anzuwerfen.

Von unserem Redakteur Ralf Grün

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