Bürger-Wahlzeit in der Redaktion der Nahe-Zeitung im Idar-Obersteiner Kennedycenter: Antje Lezius (CDU) und Joe Weingarten (SPD), die beiden favorisierten Direktkandidaten für den Sieg im Wahlkreis Bad Kreuznach-Birkenfeld, stellen sich den Fragen von Menschen, die für ganz bestimmte Themen stehen. In diesem Block geht es um Kindertagesstätten und damit letztlich auch um Bildungspolitik bei Kleinstkindern. Dazu befragte Sozialpädagogin Sabine Dalheimer-Mayer, seit 1993 als Kindertagesstättenfachberaterin für die Kitas im Kirchenkreis Obere Nahe zuständig, die beiden Kandidaten.
Sabine Dalheimer-Mayers Aufgabenbereich umfasst im Kirchenkreis Obere Nahe zwölf Kindertagesstätten in evangelischer Trägerschaft. Davon befinden sich acht evangelische Kindertagesstätten in Idar-Oberstein, die vom Verband Evangelischer Kindertagesstätten in Idar-Oberstein (Vekio) getragen werden. In Birkenfeld sind zwei Kindertagesstätten in Trägerschaft der evangelischen Kirchengemeinde, eine davon ist integrativ. Die Kindertagesstätten in Baumholder und Berschweiler, in Trägerschaft der jeweiligen Kirchengemeinden, werden ebenfalls durch das Kindergartenreferat betreut.
Zudem werden acht kommunale Einrichtungen der Verbandsgemeinde Birkenfeld und vier Kindertagesstätten der Gemeinde Nohfelden, zwei davon ehemals in evangelischer Trägerschaft, von Sabine Dalheimer-Mayer beraten.
Die 55-Jährige lieferte eine Expertise, die die beiden Kandidaten beeindruckte. Gute Kitas seien von gesamtgesellschaftlichem Interesse und damit eine nationale Aufgabe. Die zukünftige Bundesregierung solle, wie bereits in dieser Legislaturperiode begonnen, den Qualitätsentwicklungsprozess mit Ernsthaftigkeit und Nachdruck verfolgen, um das bereits vorbereitete Bundesqualitätsentwicklungsgesetz zeitnah zu verabschieden, fordert die 55-Jährige.
Nur durch verbindliche Qualitätsziele könnten gleichwertige Bedingungen für Kinder in Kindertagesstätten hinsichtlich Bildung, Erziehung und Betreuung unabhängig von ihrem Wohnort geschaffen werden. Die Diskrepanz zwischen der gestiegenen gesellschaftlichen, politischen und fachlichen Bedeutung von Kindertageseinrichtungen auf der einen Seite und den gegebenen Rahmenbedingungen auf der anderen Seite, gelte es zu überwinden.
Gute Kitas brauchten aus ihrer Sicht dazu unabdingbar:
- eine Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels,
- mehr zeitliche Ressourcen für Leitungen (vor dem Hintergrund der Größe der Einrichtung und der Anzahl der Beschäftigten),
- verbindliche Personalberechnungsmodelle unter Einbeziehung der Zeiten der mittelbaren pädagogischen Arbeit,
- die Sicherstellung von Fachberatung sowie Fort- und Weiterbildung und
- die Einbeziehung von Expertisen bei der Planung von Aus- und Neubauten von Kitas.
- Ebenso seien eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowie
- neue Arbeitszeitmodelle unabdingbar.
Weingarten kommentierte: „Kitas sind Teil der Bildungspolitik. Der Bund muss sich verstärkt einbringen, zum Teil auch gegen die Länderhoheit. Es sind bundesweite Standards nötig.“ In Rheinland-Pfalz habe sich nachgewiesenermaßen viel Vorbildliches im Kita-Bereich getan: „Und uns sitzt der Rechnungshof zu Unrecht im Nacken. Da müssen wir unbedingt dagegenhalten.“ Wobei, so Weingarten: „Kostenfreiheit ersetzt nicht die Qualität.“ Diese zu entwickeln, sei ein stetiger Prozess.
Lezius entgegnete: „Ich bin froh über unser Föderalismussystem. Wir sollten nicht alles von oben vorgeben.“ Vonseiten des Bundes werde bereits viel im Kita-Bereich getan: „Es wurden Millionen in die Hand genommen.“
In diesem Punkt herrscht Einigkeit zwischen Lezius, Weingarten und Dalheimer-Mayer: Kinder verbringen immer mehr Lebenszeit in Kindertagesstätten. Bei Öffnungszeiten bis zu zehn Stunden sind Kinder unter Umständen länger in der Kita, als voll-beschäftigte Erwachsene ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen und dies oft vom ersten bis zum sechsten Lebensjahr. „Es ist eine große Verantwortung für uns alle, diese sensible und wichtige Lebensphase eines Menschen bestmöglichst zu gestalten und auszustatten“, betonte die Expertin.
Deshalb müssten alle Verantwortlichen für das frühkindliche Bildungssystem Sorge tragen, sodass die Kinder ihre Rechte, gerade auf Bildung, wahrnehmen können.
Dies bedeute einen hohen Anspruch an das System, nicht nur quantitativ, sondern insbesondere qualitativ. Die Kita müsse ein Ort sein, in dem Kinder „gut gelebten Alltag“ erleben und sich so entsprechend ihrer Bedürfnisse entwickeln können.
Ein Problem, dass Erzieher immer wieder haben: die enorm gestiegene Erwartungshaltung der Eltern, die nicht selten mit einer Abwertung der Erzieher einhergeht. Weingarten dazu: „Wir können die Ethik der Menschen nicht verändern. Aber Politik kann Wertschätzung über Bezahlung und Entlastung ausdrücken.“
Ein Fazit der Diskussionsrunde formulierte Lezius: „Kinder sind eine Investition in die Zukunft.“ Und das sei nicht nur als Slogan zu verstehen, wie Dalheimer-Mayer eindringlich betonte. Vera Müller
Das sagen die anderen Bundestagskandidaten zum Thema Kita: