

Foto: crimespot.de/Felix Gadewolz
Vorgeworfen werden Axel G. unter anderem Körperverletzung mit Todesfolge und Widerstand gegen Staatsbeamte. Der Angeklagte schweigt bislang zu allen Vorwürfen.
Verhandlung beginnt mit Turbulenzen
Kurze Aufregung gab es vor Verhandlungsbeginn: Die Verteidigung des Angeklagten hatte einen Antrag gestellt, dass der Prozess nicht öffentlich stattfinden soll. Angeblich würden die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten und der Toten verletzt. Dem Antrag gab das Gericht nicht statt.
Für weitere Aufregung sorgte, dass am Mittwochmorgen ein Briefumschlag mit einer bislang nicht definierten Substanz in den Briefkasten des Gerichts geworfen worden war. Feuerwehr und Gefahrenschutz waren im Einsatz.
Müll, Pornos – und Barbies
Axel G. (51) hatte die unter anderem in Folie und Malerflies verpackte Leiche der 32-Jährigen in seinem Bad abgelegt. In einer Ecke der Badewanne sitzt eine männliche Barbiepuppe – Sarah liebte die Puppen und sammelte sie. Am 9. August 2016 terrorisierte Axel G. zum wiederholten Mal seine Nachbarn: Gegen sechs Uhr am Morgen spielte er splitternackt in seinem Garten Trompete.


Die Polizisten nahmen bei ihrem Eintreffen starken Verwesungsgeruch wahr und fanden Sarahs Leiche im Badezimmer. Früh machte Axel G., selbsternannter „Reichsbürger“, Angaben zur Tat: Er habe ihr nach einem Streit um eine verschwundene Brille eine Lektion erteilen wollen. Ihren Tod habe er indes nicht beabsichtigt. In den sozialen Netzwerken können viele nicht nachvollziehen, dass Axel G. nicht wegen Mord oder Totschlag angeklagt ist.
Wut und Entsetzen in Facebook-Gedenkgruppe für Sarah
Er habe ihren Tod in Kauf genommen, kalkuliert gehandelt, sagen sie. Die Wut und das Entsetzen einiger User – zum Beispiel in der seit August 2016 bestehenden Gedenkgruppe für Sarah in Facebook – ist groß. Von nur drei Jahren Haft ist in den Medien die Rede. „Absolut unverständlich, ein Witz, wo bleibt da die Gerechtigkeit?“, heißt es in den Kommentaren immer wieder.
Allerdings: Die Beweislage ist dünn, bislang gibt es nur die spärlichen Angaben des Angeklagten, der von Henning Köhler – bekannt durch einige spektakuläre Fälle im Norden Deutschlands – verteidigt wird. Noch nicht einmal der genaue Todeszeitpunkt – die Ermittler gehen von vier Wochen vor dem Auffinden der Leiche aus – wie auch die Todesursache sind offenbar angesichts der stark verwesten Leiche der jungen Frau genau bekannt.
Was suchte Sarah in und bei Axel G.?
Viele Fragen sind offen und beschäftigen jene, die Anteil an Sarahs Schicksal nehmen.
- Was hat sie bei Axel G., den sie 2015 im Internet kennengelernt hatte und recht schnell danach zu ihm nach Alt Rehse zog, gesucht? Tatsächlich die große Liebe? Jemanden, der ihre durch die fragwürdige Sat.1-Kuppelshow „Schwer verliebt“ einem Millionenpublikum bekannt gewordene Barbie-Sammelleidenschaft akzeptiert, gar unterstützt? Wahrnehmung nach einer schwierigen, von Mobbing geprägten Kindheit Materielle Sicherheit nach der Jugend in eher ärmlichen Verhältnissen, die das Zahlen der Heizölrechnung zum Problem werden ließ?
- Warum nahm sie die Unterstützungsangebote der Frauenhaus-Mitarbeiterinnen – Sarah suchte dort zweimal Schutz vor Axel G. – nicht an?
- Welche Rolle spielen die Behörden, deren Kommunikation untereinander wohl nicht die beste war?
- Ist Axel G. tatsächlich psychisch schwer krank, wie auch seine unzähligen wirren Facebook-Posts untermauern könnten? Oder inszeniert er sich ganz kalkuliert und durchdacht?
Der NZ liegen Fotos aus dem Haus in Alt Rehse vor: Das Chaos ist unbeschreiblich. Überall Dreck, Müll, Pornohefte, kaputte Barbies: Es scheint, als habe der Angeklagte nach Sarahs Tod völlig die Kontrolle über sein Leben verloren.
Auch Magazin "Stern" berichtet über Sarahs Schicksal
Auch der „Stern“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über Sarahs Schicksal und das Engagement unserer Zeitung für Sarah. Reporterin Kerstin Herrenkind schreibt: „Axel G. ist gerade von seiner Frau verlassen worden, kommt aus der Psychiatrie. Er hatte Benzin und Wasser in den Keller geleitet und gedroht, das Haus anzuzünden.
Das Amtsgericht Neubrandenburg hatte ihn deshalb am 6. Januar 2015 vorläufig in die Psychiatrie einweisen lassen. Gut zwei Wochen später, am 21. Januar, war er wieder entlassen worden, weil nach einem ärztlichen Attest ,keine Eigen- oder Fremdgefährdung‘ mehr von ihm ausginge.“
Ereignisse in Idar-Oberstein noch einmal beleuchtet
Eine Rolle spielten auch die Ereignisse in Idar-Oberstein vor gut einem Jahr, als Axel G. ins Amtsgericht marschierte, den Direktor lautstark bedrohte, fast einen Polizisten überfahren hätte und dann mit hohem Tempo mit Sarah im Auto floh (die NZ berichtete). Nach Informationen des „Stern“ verteidige die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach ihre diesbezügliche Entscheidung, Axel G. nur wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in besonders schwerem Fall angeklagt und keine U-Haft beantragt zu haben. Die „rechtlichen Voraussetzungen“ für ein versuchtes Tötungsdelikt „hätten nicht vorgelegen“, sage ein Sprecher.


Foto: crimespot.de/Bastian Schlüter
Dass Axel G. in Neubrandenburg schon mal in der Psychiatrie gewesen sei, weil er gedroht habe, sein Haus anzuzünden, habe der Staatsanwalt nicht gewusst. In Neubrandenburg wiederum sei nicht bekannt gewesen, dass er in Idar-Oberstein beinahe einen Polizisten überfahren hatte.
Kein Draht zwischen Polizei in Ost und West?
Ob die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern allerdings wirklich über den Vorfall in Idar-Oberstein informiert gewesen sei, lasse sich nicht mehr rekonstruieren. Es gebe kein Einsatzprotokoll. Womöglich habe die Polizei in Idar-Oberstein den Vorfall auch gar nicht nach Mecklenburg-Vorpommern gemeldet. „Aus unseren Unterlagen ist keine Mitteilung über den Sachverhalt an ein anderes Bundesland ersichtlich“, schreibe die Pressestelle.
So bleibe mysteriös, woher Amtsgerichtsdirektor Hans-Walter Rienhardt die falsche Info bekommen habe, Axel G. sei gestellt worden. Fest stehe nur, „dass der Mann, der gedroht hatte, sein Haus anzuzünden und beinahe einen Polizisten überfahren hätte, auf freien Fuß blieb, obwohl er eine Gefahr für sich und andere war. Und dass er dann Sarah tötete“, schreibt Herrnkind.
Damian Hötger vertritt Nebenklage
Axel G. verweigert bislang die psychiatrische Begutachtung. Zudem spielt es in dem Prozess, der am 8. Februar fortgesetzt wird, vermutlich eine Rolle, ob Axel G. überhaupt schuldfähig ist. Sarahs leicht dementer Vater ist Nebenkläger im Prozess und wird vom Idar-Obersteiner Rechtsanwalt Damian Hötger vertreten: „Kein Urteil wird sie wieder lebendig machen. Aber wir brauchen ein Zeichen, dass ein solches Gewaltverbrechen von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird“, sagt er. Hötger kritisiert zudem die mangelnde Abstimmung der Ermittlungsbehörden untereinander wie auch mangelnde Tiefe der Ermittlungen.
- Fünf Jahre nach "Schwer verliebt": Drama in Sarahs neuer Heimat:
- Details aus den Ermittlungsakten: Sarah starb einen qualvollen Tod
Ich war und bin geschockt von Sarahs Ende. Und Sat.1 wie auch andere Sender treiben weiter ihr Unwesen auf dem Rücken der Schwächsten unserer Gesellschaft.
Via Facebook schrieb die Mutter eines Kandidaten (Name ist der Redaktion bekannt), der ebenfalls 2011 an der Sendung „Schwer verliebt“ mitgewirkt hatte, an die NZ.