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Kreis Birkenfeld

WAHL-ZEIT Duell Lezius/Weingarten (5): Kitas – Ausreichend Personal ist ein Qualitätsmerkmal

Von Vera Müller

Es war kein Zufall, dass Sozialpädagogin Sabine Dalheimer-Mayer, seit 1993 als Kindertagesstättenfachberaterin für die zwölf evangelischen Kitas im Kirchenkreis Obere Nahe zuständig, kleine Martin-Luther-Playmobilfiguren als Geschenk an die beiden Kandidaten übergab. Diese nette Geste war nicht nur dem Reformationsjubiläum geschuldet. Vielmehr erinnerte der nahezu schon mahnende Auftritt der 55-Jährigen an Luthers berühmten Thesenanschlag im Jahr 1517 an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg.

Lesezeit: 2 Minuten
Sabine Dalheimer-Mayer hatte keine 95 Thesen. Und doch gab sie in der fünften Bürger-Wahlzeit in der NZ-Redaktion zum Thema Kindertagesstätten allerlei Denkanstöße mit auf den Weg, die Antje Lezius (CDU) und Joe Weingarten (SPD), die beiden favorisierten Direktkandidaten im Bundestagswahlkreis Bad Kreuznach-Birkenfeld, zum Nachdenken brachten. „Die Welt spiegelt sich in ...
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Sabine Dalheimer-Mayer: Quantität und Qualität dürfen nicht vom Etat der Kommune abhängen

Sabine Dalheimer-Mayer aus Idar-Oberstein ist Fachberaterin für Kindertagesstätten im Kirchenkreis Obere Nahe.

Sie haben jüngst in einem Gespräch mit unserer Zeitung gesagt: „Die Kita als Institution allein kann nicht für das Funktionieren von Arbeitswelt verantwortlich sein.“ Wie meinen Sie das?

Es braucht vonseiten der Wirtschaft und der Politik Unterstützung, um dem Fachkräftemangel, der sich schon in vielen Bereichen abzeichnet, entgegenzutreten. Ebenso sind eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowie neue Arbeitszeitmodelle unabdingbar.

Bund, Länder und Kommunen haben gemeinsam mit den Trägern die Angebote in der Kindertagesbetreuung enorm ausgebaut. Da ging es eher um quantitative Aspekte. Nun soll eine qualitative Weiterentwicklung folgen. Wie lässt sich das finanzieren?

Es muss eine finanzielle Beteiligung an den Kosten vonseiten der Länder sichergestellt sein. Quantität und Qualität der Angebote dürfen nicht von der Finanzkraft der jeweiligen Kommune abhängen. Da Erziehung, Bildung und Betreuung in Kitas eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind, muss sich allerdings auch der Bund in Zukunft dauerhaft an der Finanzierung der Kitas beteiligen.

Durch den Ausbau des Systems Kindertagesstätte haben sich die Personalstellen in Kitas deutlich erweitert. Der Leitung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Wie sieht das in der Praxis aus?

Es ist unabdingbar, genügend Zeitkontingente für Leitungstätigkeiten festzuschreiben, um eine gute Personalentwicklung zu betreiben und der Weiterentwicklung der Kindertagesstätte gerecht zu werden. Dazu benötigen Leitungen, ständige Vertretungen und Fachkräfte gute Angebote im Bereich Fortbildung, Supervision und Coaching sowie Reflexionsmöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen. Wichtig dabei ist eine flächendeckende Installierung von Fachberatung, wie dies insbesondere bei den meisten freien Trägern bereits üblich ist.

Inwiefern haben sich die Themen in der Kita-Arbeit verändert?

Themen wie Inklusion, Teilhabegerechtigkeit, Kindeswohl(-gefährdung), Gestaltung von Erziehungspartnerschaft mit den Sorgeberechtigten sind nur einige Themen der Kitas, die an Intensität und Häufigkeit zugenommen haben. Dazu benötigt man gut ausgebildetes und fortgebildetes Personal mit qualifikationsbezogener Bezahlung. vm

Kitas: Es geht um mehr als Knete – Lezius und Weingarten sehen Wichtigkeit der Standards

Bürger-Wahlzeit in der Redaktion der Nahe-Zeitung im Idar-Obersteiner Kennedycenter: Antje Lezius (CDU) und Joe Weingarten (SPD), die beiden favorisierten Direktkandidaten für den Sieg im Wahlkreis Bad Kreuznach-Birkenfeld, stellen sich den Fragen von Menschen, die für ganz bestimmte Themen stehen. In diesem Block geht es um Kindertagesstätten und damit letztlich auch um Bildungspolitik bei Kleinstkindern. Dazu befragte Sozialpädagogin Sabine Dalheimer-Mayer, seit 1993 als Kindertagesstättenfachberaterin für die Kitas im Kirchenkreis Obere Nahe zuständig, die beiden Kandidaten.

Sabine Dalheimer-Mayers Aufgabenbereich umfasst im Kirchenkreis Obere Nahe zwölf Kindertagesstätten in evangelischer Trägerschaft. Davon befinden sich acht evangelische Kindertagesstätten in Idar-Oberstein, die vom Verband Evangelischer Kindertagesstätten in Idar-Oberstein (Vekio) getragen werden. In Birkenfeld sind zwei Kindertagesstätten in Trägerschaft der evangelischen Kirchengemeinde, eine davon ist integrativ. Die Kindertagesstätten in Baumholder und Berschweiler, in Trägerschaft der jeweiligen Kirchengemeinden, werden ebenfalls durch das Kindergartenreferat betreut.

Zudem werden acht kommunale Einrichtungen der Verbandsgemeinde Birkenfeld und vier Kindertagesstätten der Gemeinde Nohfelden, zwei davon ehemals in evangelischer Trägerschaft, von Sabine Dalheimer-Mayer beraten.

Die 55-Jährige lieferte eine Expertise, die die beiden Kandidaten beeindruckte. Gute Kitas seien von gesamtgesellschaftlichem Interesse und damit eine nationale Aufgabe. Die zukünftige Bundesregierung solle, wie bereits in dieser Legislaturperiode begonnen, den Qualitätsentwicklungsprozess mit Ernsthaftigkeit und Nachdruck verfolgen, um das bereits vorbereitete Bundesqualitätsentwicklungsgesetz zeitnah zu verabschieden, fordert die 55-Jährige.

Nur durch verbindliche Qualitätsziele könnten gleichwertige Bedingungen für Kinder in Kindertagesstätten hinsichtlich Bildung, Erziehung und Betreuung unabhängig von ihrem Wohnort geschaffen werden. Die Diskrepanz zwischen der gestiegenen gesellschaftlichen, politischen und fachlichen Bedeutung von Kindertageseinrichtungen auf der einen Seite und den gegebenen Rahmenbedingungen auf der anderen Seite, gelte es zu überwinden.

Gute Kitas brauchten aus ihrer Sicht dazu unabdingbar:

  • eine Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels,
  • mehr zeitliche Ressourcen für Leitungen (vor dem Hintergrund der Größe der Einrichtung und der Anzahl der Beschäftigten),
  • verbindliche Personalberechnungsmodelle unter Einbeziehung der Zeiten der mittelbaren pädagogischen Arbeit,
  • die Sicherstellung von Fachberatung sowie Fort- und Weiterbildung und
  • die Einbeziehung von Expertisen bei der Planung von Aus- und Neubauten von Kitas.
  • Ebenso seien eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowie
  • neue Arbeitszeitmodelle unabdingbar.

Weingarten kommentierte: „Kitas sind Teil der Bildungspolitik. Der Bund muss sich verstärkt einbringen, zum Teil auch gegen die Länderhoheit. Es sind bundesweite Standards nötig.“ In Rheinland-Pfalz habe sich nachgewiesenermaßen viel Vorbildliches im Kita-Bereich getan: „Und uns sitzt der Rechnungshof zu Unrecht im Nacken. Da müssen wir unbedingt dagegenhalten.“ Wobei, so Weingarten: „Kostenfreiheit ersetzt nicht die Qualität.“ Diese zu entwickeln, sei ein stetiger Prozess.

Lezius entgegnete: „Ich bin froh über unser Föderalismussystem. Wir sollten nicht alles von oben vorgeben.“ Vonseiten des Bundes werde bereits viel im Kita-Bereich getan: „Es wurden Millionen in die Hand genommen.“

In diesem Punkt herrscht Einigkeit zwischen Lezius, Weingarten und Dalheimer-Mayer: Kinder verbringen immer mehr Lebenszeit in Kindertagesstätten. Bei Öffnungszeiten bis zu zehn Stunden sind Kinder unter Umständen länger in der Kita, als voll-beschäftigte Erwachsene ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen und dies oft vom ersten bis zum sechsten Lebensjahr. „Es ist eine große Verantwortung für uns alle, diese sensible und wichtige Lebensphase eines Menschen bestmöglichst zu gestalten und auszustatten“, betonte die Expertin.

Deshalb müssten alle Verantwortlichen für das frühkindliche Bildungssystem Sorge tragen, sodass die Kinder ihre Rechte, gerade auf Bildung, wahrnehmen können.

Dies bedeute einen hohen Anspruch an das System, nicht nur quantitativ, sondern insbesondere qualitativ. Die Kita müsse ein Ort sein, in dem Kinder „gut gelebten Alltag“ erleben und sich so entsprechend ihrer Bedürfnisse entwickeln können.

Ein Problem, dass Erzieher immer wieder haben: die enorm gestiegene Erwartungshaltung der Eltern, die nicht selten mit einer Abwertung der Erzieher einhergeht. Weingarten dazu: „Wir können die Ethik der Menschen nicht verändern. Aber Politik kann Wertschätzung über Bezahlung und Entlastung ausdrücken.“

Ein Fazit der Diskussionsrunde formulierte Lezius: „Kinder sind eine Investition in die Zukunft.“ Und das sei nicht nur als Slogan zu verstehen, wie Dalheimer-Mayer eindringlich betonte. Vera Müller

Das sagen die anderen Bundestagskandidaten zum Thema Kita:

Herbert Drumm (68/Freie Wähler) Bad Kreuznach

In Kindertagesstätten wird wertvolle Arbeit geleistet.

Wer sich die gesellschaftliche Bedeutung dieser Arbeit bewusst macht, die sogar eventuell vorhandene Defizite im Elternhaus teilweise kompensieren kann und muss, wird begreifen, dass das Ansehen unseres gut ausgebildeten Fachpersonals in den Kitas gestärkt werden muss.

Dies sollte auch durch eine faire Bezahlung zum Ausdruck kommen sowie durch verbesserte Arbeitsbedingungen (angemessene Fachkraft – Kind – Relation, Entlastung insbesondere der Leitungen durch Zentralisierung der Bürokratie, intensivierte Fortbildung und Fachberatung).

Kostenfreie Kindertagesstätten mit flexibilisierten Öffnungszeiten und genügend Plätzen sind nötig, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten.

Aber auch die Eltern dürfen nicht aus der Verantwortung entlassen werden, selbst die wichtigsten Erzieher zu sein. Dies muss wieder einen hohen gesellschaftlichen Rang erlangen.

Christiane Wayand (35/Grüne) Idar-Oberstein

Wir Grüne wollen Länder und Kommunen dabei unterstützen, die Kindertagesstätten besser zu bauen und auszustatten.

Diese Investitionen zahlen sich aus. Die Zeit, die eine Fachkraft für die unmittelbare pädagogische Arbeit mit den Kindern hat, ist häufig zu knapp bemessen. Deswegen wollen wir bundesweit in einem Gesetz Qualitätsstandards festlegen und endlich die Voraussetzung dafür schaffen, dass auch Kindern mit Behinderung ihr Recht nicht verwehrt wird.

Ein Erzieher soll künftig höchstens drei Kinder unter drei Jahren beziehungsweise höchstens zehn ältere Kinder betreuen. Wir wollen in Aus- und Weiterbildung von Erzieher investieren und Rahmenbedingungen schaffen, dass sie besser bezahlt werden.

Der Bund soll sich mit mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr an den zusätzlichen Kosten beteiligen. Außerdem sollen Elternbeiträge in der Kindertagesbetreuung sozial gestaffelt sein.

Wir wollen die Qualität in Kindertagesstätten sichern.

Lothar Ackermann (63) aus Idar-Oberstein

Wir Freie Demokraten setzen uns für eine bessere Bezahlung und Ausbildung des Kita-Personals ein.

Es sind Fachkräfte nötig, die zur Anregung und Entwicklung von Kindern ausgebildet sind, die deren Talente fördern. Für diese Aufgabe müssen Erzieher entsprechend qualifiziert sein und sollten dafür angemessen bezahlt werden.

Wie auch bei den Schulen ist es notwendig, über finanzielle Beteiligung des Bundes zu diskutieren, weil die Anforderungen an Personal und Träger immer weiter steigen. Entscheidungskompetenzen sollten jedoch bei den Ländern bleiben.

Zudem fordern wir, die Finanzierung der Schulen und Kitas schrittweise auf Bildungsgutscheine umzustellen. Denn so entsteht ein transparenter Qualitätswettbewerb.

Staatliche, kommunale und Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft erhalten pro Kind den gleichen Betrag, damit Eltern nicht nur die Wahl zwischen öffentlichen Angeboten, sondern auch zwischen öffentlichen und freien Trägern haben.

Manuela Holz (52/Linke) aus Idar-Oberstein

Allen Kindern muss von Anfang an ganztägig das gemeinsame Leben und Lernen mit anderen in Kindertageseinrichtungen ermöglicht werden.

Unabhängig davon, ob und wie lange die Eltern arbeiten. Zur Sicherung der Qualität der Einrichtungen und für den weiteren Ausbau von Kitaplätzen muss der Bund mehr Geld zur Verfügung stellen.

Wir brauchen ein Kitaqualitätsgesetz, das beim Kitaausbau die Belange der Kinder und der Beschäftigten in den Mittelpunkt rückt. Dringend notwendig ist ein bundesweit einheitlicher Betreuungsschlüssel von mindestens einem anwesenden Erzieher zu maximal drei Kindern im Alter bis zu drei Jahren, mindestens einem Erzieher zu maximal acht Kindern ab drei Jahren.

Wir wollen gebührenfreie Kitas. Die Kitaversorgung ohne Kosten für die Eltern darf dabei nicht auf Kosten der Qualität der Bildungsarbeit in den Einrichtungen geschehen. Dringend notwendig sind die bessere Bezahlung und verbesserte Arbeitsbedingungen.

Leander Hahn (21/ÖDP) aus Idar-Oberstein

Erziehung ist eine Investition in die Zukunft, die im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegt.

Sie darf daher keinesfalls unter dem Vorwand der staatlichen Finanzknappheit beschnitten werden. Mit der ÖDP wird es eine höhere Grundsicherung für Kinder, einen verbesserten Betreuungsschlüssel in Kitas, eine höhere Entlohnung des Personals und ein Erziehungsgehalt geben.

Erziehung, Betreuung und Versorgung von Kindern müssen in finanzieller Hinsicht von der ganzen Gesellschaft getragen werden, so wie die nachwachsende Generation die Versorgung und Betreuung der Generation der Ruheständler trägt.

Wir wollen ein Erziehungsgehalt als angemessenes Einkommen für Eltern. Dadurch bekommen sie echte Wahlfreiheit, ob sie ihre Kinder ganz oder teilweise selbst zu Hause betreuen möchten oder in Kinderbetreuungseinrichtungen mit anteiliger Abführung ihres Erziehungsgehalts.

So könnte man die Kindertagesstätten und deren Personal entlasten.

Nicole Höchst (47/AfD) aus Speyer

Eltern kleiner Kinder ist der gesellschaftliche, finanzielle und arbeitsmarktliche Druck zur doppelten Berufstätigkeit zu nehmen.

Wir brauchen eine tatsächliche Wahlfreiheit ohne eine Diskriminierung elterlicher Betreuung. Die AfD fordert, dass bei unter Dreijährigen eine Betreuung, die Bindung ermöglicht, im Vordergrund steht.

Die Kindertagesstättenbetreuung darf nicht einseitig staatlich bevorzugt werden. Stattdessen sollen die häusliche Erziehung und Fremdbetreuung gleichberechtigt nebeneinanderstehen.

Eine Wahlfreiheit schließt elterliche und familiennahe Betreuung mit ein, wobei alle Betreuungsformen finanziell realisierbar sein müssen. Die Qualität der Krippen muss sich hinsichtlich des Betreuungsschlüssels an international geforderten Standards orientieren. Berufstätigkeit soll Eltern nicht anhaltend überlasten.

Familie und Beruf sind nur vereinbar, wenn Eltern Zeit haben, um ihrer Elternrolle und ihrer Erziehungspflicht gerecht zu werden.

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