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Kreis Bad Kreuznach

WM persönlich: 2018 – Keine Bengalos an der Kreuzkirche

Esteban Cambiasso versagen am 30. Juni 2006 im Berliner Olympiastadion die Nerven: Der Argentinier verschießt seinen Elfmeter gegen das DFB-Team – die Deutschen erreichen bei der WM im eigenen Land das Halbfinale. Bad Kreuznach flippt völlig aus, an der Kreuzkirche werden Bengalos gezündet.  Foto: privat
Esteban Cambiasso versagen am 30. Juni 2006 im Berliner Olympiastadion die Nerven: Der Argentinier verschießt seinen Elfmeter gegen das DFB-Team – die Deutschen erreichen bei der WM im eigenen Land das Halbfinale. Bad Kreuznach flippt völlig aus, an der Kreuzkirche werden Bengalos gezündet. Foto: privat

Die Deutschen sind raus. Was soll's? Die Fußballwelt schaut weiter nach Russland, hat Spaß an gutem Sport. Hier weitere Erinnerungen und Erlebnisse von Mitarbeitern aber auch zwei Lesern des „Oeffentlichen“ – manche ernüchternd, manche nachdenklich, andere erheiternd. Und alle unterhaltsam.

Lesezeit: 1 Minute
Dennoch: All die Freude am Fußballsport, auch ohne deutsche Beteiligung, vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass das deutsche Abschneiden in Russland ein Drama mit Waterloo-ähnlichem Ausmaß war. Nicht so sehr die Ergebnisse, sondern vielmehr die Art und Weise geben zu denken. Arrogant, pomadig und erstaunlich gleichgültig ließ der Weltmeister dieses Turnier ...
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Rainer Gräff: Elf Helden und ein Dummschwätzerhut

Turek, Eckel, Rahn …. meine frühesten Erinnerungen an eine Fußballweltmeisterschaft kreisen um einen vergilbten Zeitungsausschnitt mit einem Mannschaftsfoto: die Weltmeister von 1954, die „Helden von Bern“. Dabei war ich bei diesem Triumph der Nationalmannschaft Sepp Herbergers noch längst nicht auf der Welt.

Der deutsche Stürmer und Kapitän Fritz Walter (oben) und sein Teamkollege Horst Eckel (rechts) werden nach dem Triumph im Fußball-WM-Finale 1954 im Wankdorfstadion in Bern auf Schultern getragen.
Der deutsche Stürmer und Kapitän Fritz Walter (oben) und sein Teamkollege Horst Eckel (rechts) werden nach dem Triumph im Fußball-WM-Finale 1954 im Wankdorfstadion in Bern auf Schultern getragen.
Foto: picture alliance

Doch das Zeitungsfoto, das mir mein Vater irgendwann schenkte, muss mich damals schwer beeindruckt haben. Ich konnte die Mannschaftsaufstellung auswendig, hängte das Bildchen an die Wand im Kinderzimmer. Dann werden die Erinnerungen an die Turniere und Spieler etwas lückig. Nur einige Höhepunkte bleiben im Gedächtnis. Zum Beispiel die historische Niederlage gegen die DDR im WM-Turnier 1974, die Regenschlacht im gleichen Turnier in Frankfurt gegen Polen. Natürlich die EM- und die WM-Siege.

Apropos Regenschlacht: Daran wurde ich unwillkürlich erinnert, als ich das Confed-Cup-Finale 2005 in der Frankfurter Commerzbank-Arena sehen durfte. Neu war das „Cabriodach“ des WM-Stadions, unendlich der Stolz auf das Bauwerk – just bis zu jener Partie Argentinien gegen Brasilien (1:4), als ein Wolkenbruch die ausfahrbare Dachkonstruktion überforderte und nahe der einen Eckfahne Sturzbäche das Spielfeld erreichten. Weltmeister wurden ein Jahr darauf die Italiener; die deutschen Kicker, also eigentlich wir alle, wurden Dritte.

Häufig sehe ich mir EM- und WM-Spiele im Kreis von Freunden an, mit Beamer, Leinwand, Zelt und Grill, alles bereitgestellt von einem Fan aus dem Nachbarort. Dann geht es hoch her – und der „Dummschwätzerhut“ macht die Runde: Wer den größten Kalauer oder dümmsten Spruch loslässt, muss das schwarz-rot-goldene Ungetüm aufs Haupt setzen. Bis es den nächsten erwischt. Der Schnaps zu jedem (deutschen) Tor gehört dazu. Ich freu‘ mich alle zwei Jahre drauf!

Elli Strehl: Bei jedem Tor einfach hochgehoben

Auch Elli Strehl von der Verbandsgemeinde-Verwaltung Bad Sobernheim erinnert sich: „Wir haben während der Fußball-WM 2006 mit unserer Abteilung einen Ausflug zur Fanmeile nach Saarbrücken unternommen. Obwohl ich damals noch keinerlei Interesse an Fußball hatte, bin ich (glücklicherweise) mitgefahren. Schon als der Zug in Sobernheim einfuhr, hörte man die Fans lauthals ein Lied singen, das ich bis dahin noch gar nicht kannte: „‘54, ‘74, ‘90, 2006 …“ Bis wir in Saarbrücken ankamen, kannte ich es auswendig.

In Saarbrücken bei strahlendem Sonnenschein ausgestiegen, schien alles wie in einer anderen Welt: so viele Menschen verschiedener Nationalitäten, erkennbar nicht nur an den fremden Sprachen, sondern auch, weil fast jeder in seiner jeweiligen Nationalfarbe geschminkt oder gekleidet war. Alles war quietschbunt. Alle haben mit der Sonne um die Wette gelacht, jeder war des anderen Freund.

Das Spiel haben wir uns auf einer Leinwand auf einem der Public-Viewing-Plätze angesehen. Wir standen irgendwo mittendrin unter Tausenden Menschen. Die Leinwand konnte ich leider nicht sehen. Um mich herum standen gefühlt nur Menschen über 1,80 Meter. Und obwohl dieser Tag bis dahin schon sehr besonders war, war er hier für mich am schönsten: Denn immer dann, wenn unsere Mannschaft im Begriff war, ein Tor zu schießen oder eins geschossen hat, haben mich wildfremde Leute einfach hochgehoben, damit ich auch etwas sehen konnte, und sei es nur die Wiederholung.

Ich werde diesen Tag jedenfalls niemals vergessen, ein Tag, an dem ich nur glückliche und unbeschwerte Menschen gesehen habe. Seither bin ich ein großer Fan unserer Nationalmannschaft .“

Stefan Munzlinger: Schon bei der Premiere gab's was auf die Mütze

8. Juli 2014: Deutschland demütigt Gastgeber Brasilien im WM-Halbfinale mit 7:1. Das lehrt uns: Nicht nur die Kleinen irgendwo auf unbeachteten Plätzen in der Provinz haben schlechte Tage. Später Triumph? Nein, aber ein schwacher Trost. Nach nunmehr 43 Jahren.

Rückblick: Ruhmreich sollte er werden, ruhmreich und lang, der Weg in und mit dem Fußball. Tore, Triumphe, Pokale ... Und dann gab's schon bei der Premiere richtig eins auf die Mütze: 6:0 ging auch ich, als E-Jugendkicker des damaligen FC 03 Sobernheim, beim stolzen Fußballclub Ebernburg baden.

Unterm Rheingrafenstein sprangen wir Anfänger in rot-weißen Trikots und ebensolchen Stutzen an einem grauen Sonntagmorgen übers grüne Feld wie aufgeschreckte Rehe. Planlos, angespannt, eher gelangweilt als verspielt. Und so schossen uns die Ebernburger ab. Ohne Skrupel. Lochten ein, was ging.

Zwei Handvoll Zuschauer, darunter zunehmend scharf geladene Väter der FC-Trauertruppe, quittierten die unterirdische Darbietung mit lautstarker Zurechtweisung. Die half – nichts! Denn schon beim nächsten Auftritt der E (wie Elend)-Jugend beim SV Norheim eine Woche später, schlug das selbst verstolperte Schicksal erneut gnadenlos zu. Zweistellig abgefertigt und mit hängenden Ohren zogen wir von dannen: 18:0. Ein Drama. Auf dem Platz. In der Kabine. Und in den Autos der Väter, die uns heimwärts kutschierten. Verloren? Ja. Aber was gelernt. Etwa das: Fußball ist nicht unser Leben! mz

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