Kreis Bad Kreuznach. Es geht um Vertrauen. Und um den Missbrauch von Vertrauen. Um das Zerstören von Existenzen. „Revenge Porn“, auf Deutsch Rachepornos, sind längst auch im Kreis Bad Kreuznach angekommen. Und da nicht nur in den Städten, berichtet Erster Kriminalhauptkommissar Dietrich Gödker von der Polizeiinspektion Bad Kreuznach.
Gut ein halbes Dutzend Mal ermittelten Gödker und seine Kollegin, Kriminalkommissarin Jasmin Sauter, im vergangenen Jahr zu diesem Thema. Racheporno: Das ist der Oberbegriff für intime Fotos und Videos, die gegen den Willen der Betroffenen online gestellt werden. Das reicht vom Oben-ohne-Foto bis hin zum privat gedrehten Sexfilm.
Das Strafgesetzbuch zum Missbrauch von Bildaufnahmen
Bis zu zwei Jahre Gefängnis oder Geldstrafe drohen demjenigen nach Paragraf 201 des Strafgesetzbuches, der von einem Menschen in einem geschützten Bereich ohne Wissen des betroffenen Fotos oder Filme erstellt oder hilflose Menschen aufnimmt, um sie so zur Schau zu stellen.
Dabei sind sowohl der Eigengebrauch als auch die Weitergabe an Dritte strafbar. Gleich strafbewehrt ist Bildmaterial, das zwar mit Zustimmung des Opfers entstanden ist, aber gegen dessen Willen anderen zugänglich gemacht wird.
Nacktheit generell, egal ob mit Schadensabsicht oder nicht, wird bei Bildaufnahmen bestraft, wenn die abgebildete Person minderjährig ist und die Aufnahmen kommerziellen Zwecken dienen. Schließlich gilt noch die generelle Regel, dass all jene Aufnahmen strafbar sind, die geeignet sind, „dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden“ – falls sie einer dritten Person zugänglich macht werden. stb
Betroffen davon sind in den allermeisten Fällen nur Frauen, sehr oft auch sehr junge Frauen und Mädchen, wissen Sauter und Gödker. Täter sind in erster Linie ihre Ex-Freunde, die sich auf diese Weise an ihren Verflossenen rächen wollen. „Das ist bei Jugendlichen und Heranwachsenden leider fast üblich“, berichtet Staatsanwältin Christine Mossem von der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach. Eine weitere Variante besteht darin, mit der Veröffentlichung des Materials zu drohen, wenn die Beziehung nicht aufrechterhalten wird, wenn es nicht weiter Sex gibt, fügt sie an.
Schulisches Umfeld betroffen
Täterkreis Nummer drei: Das sind Männer, die sich – oft unter Angabe falscher Personendaten – in Onlinechats junge, naive Mädchen suchen und ein Vertrauensverhältnis aufbauen, bis die Mädchen das machen, was sie wollen: ihnen Nacktfotos oder gar Filmmaterial zusenden, berichtet Gödker. Denn für solches Material gibt es einen Markt.
Und dann gibt es noch das schulische Umfeld. Dort treffen diese Fotos die Betroffenen direkt, setzen sie im Bekanntenkreis herab, lassen sie zum Mobbingopfer werden. Und eben so, dass sie es auf jeden Fall mitbekommen. Und so landen diese Fälle dann bei Polizei und Staatsanwaltschaft, weiß Christine Mossem.
Eine der weltgrößten Seiten zum Thema Racheporno hat seine Server auf den Seychellen stehen und einen Provider aus den Niederlanden. Dort findet man allerlei Material und auch Anfragen wie „Gibt‘s hier was aus der Bad Kreuznacher Gegend? Womöglich was von der … ? Auf dem alten Server gab es ein paar Fotos von ihr… “ Oder: „Haha, ist das in Bad Münster-Ebernburg? Hat jemand etwas von … aus Bad Sobernheim?“ (Texte leicht abgeändert, Namen der Redaktion bekannt). Bei der lokalen Polizei und Staatsanwaltschaft hat man diese Seiten nicht im Blick, konzentriert sich auf die Anzeigen, die eingehen.
Tipp: Nichts Intimes ins Internet
Im Darknet, der Teil des Internets, der nur mit dem alle Nutzer anonymisierenden Torbrowser erforscht werden kann, werden ebenfalls allerlei Rachepornos angeboten. Oft reichen aber auch schon ein ausländischer Blog ohne Impressumspflicht oder gar der Messenger WhatsApp, die Blog-Plattform Tumblr oder schlicht Facebook.
Gödker geht von einem großen Dunkelfeld aus – also davon, dass nur die wenigsten Mädchen und Frauen den Gang zur Polizei wagen. Das kann auch Heinz Günter Brill vom Weißen Ring bestätigen. Die Bad Kreuznacher Außenstelle der Opferhilfe-Organisation ist als Kooperationspartner der Polizei mit der Materie ebenfalls vertraut.
Sauters und Gödkers Tipp: Nichts Intimes übers Internet versenden. Das sagt sich leicht. So mancher Dienst gaukelt auch Sicherheit vor. Snapchat zum Beispiel löscht Beiträge nach einer gewissen Zeit automatisch und meldet, falls jemand ein Bildschirmfoto von diesem Beitrag macht. Klingt sicher. Ist es aber nicht.
Egal, wie dieser Vertrauensbruch geschieht: Er ist auf jeden Fall strafbar, weiß Christine Mossem und verweist auf Paragraf 201a des Strafgesetzbuchs: die „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“. Bis zu zwei Jahre Gefängnis oder Geldstraße drohen – schon jenseits von Verbreitung pornografischer Schriften, Kindesmissbrauch, Bedrohung oder Nötigung.
Von unserem Reporter Stefan Butz