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1995 gab es noch 250.000 Studienanfänger und 500.000 Ausbildungsverträge. Im Jahr 2013 hingegen begannen mehr junge Menschen ein Studium als eine duale Berufsausbildung. Er fragt die Bundestagskandidaten:
Was macht die Politik, um diesen Trend umzukehren?
Bei den Einstellungstests stellen Steffen und seine Kollegen immer wieder fest, dass grundlegendes Wissen nicht vorhanden ist. Daraus resultiert die Frage: Wie kann die Bildungspolitik geändert werden, damit die allgemeinen Schulabschlüsse wieder so hochwertig sind wie vor 20 Jahren?
Ausbildungsbetriebe müssen sich mit motivationslosen Jugendlichen plagen, die es mit der Pünktlichkeit nicht so genau nehmen und auch nicht bereit, mal mehr zu arbeiten. Deshalb fragt Rolf Steffen: Wie kann in der Schule besser auf die Ausbildung vorbereitet und Grundwerte vermittelt werden?
Steuervorteile kommen nach Meinung des Meisters in kleinen Betrieben nicht richtig an. Deshalb will er wissen:
Sieht die Politik eine Möglichkeit, eine Ausbildungsprämie zu schaffen?
Der Haken: Irgendwann ging diese Wertschätzung im gesellschaftlichen Bewusstsein verloren. „Lasst die Leute studieren, wenn sie wollen. Aber sorgt auch für eine bessere Informationspolitik hinsichtlich der Alternativen“, fordert Rolf Steffen. Antje Lezius stimmt zu: „Alle Beteiligten müssen mehr aufklären – und auch die Eltern einbeziehen.“ Joe Weingarten sieht das Problem „tief im Bereich der gesellschaftlichen Bilder“ angesiedelt und fragt: „Kennen Sie vielleicht eine TV-Serie mit Handwerkern?“
Handwerk mag goldenen Boden haben. Aber „sexy“ ist es offenkundig nicht. Studium, Studium über alles ist die Devise, darüber sind sich die Diskussionsteilnehmer einig. Zugleich setzt es Kritik am Bildungssystem. „Der Wissensschnitt ist heutzutage mindestens um eine Note schlechter als früher“, konstatiert Weingarten, „aber man kann auch nicht pauschal sagen, dass früher alles besser war.“ Lezius hat selbst ausgebildet und kennt die Notwendigkeit, die Auszubildenden nachzuschulen, weil grundlegende Kenntnisse fehlen: „Deshalb wollen manche Betriebe auch gar nicht ausbilden, weil es viel Arbeit macht und eine große Aufgabe ist.“ Der Praktiker Steffen stellt Erschreckendes bei Einstellungstests fest. Das Manko steckt überall: In den Elternhäusern, in den Schulen – und in der Politik? In der Beschreibung der Missstände steht man sich durchaus nahe. „Inflationäre Noten und Abi-Quoten durch Absenken des Niveaus sind keine Lösung“, betont die CDU-Kandidatin. Gesellschaft und Kinder hätten sich geändert. Leider oftmals nicht zum Guten, fügt der SPD-Herausforderer an: „Wir können keine durchgängig hohe Arbeitsmoral mehr unterstellen.“
Es klingt ganz nach einem Teufelskreis: Die Eltern sind schuld, die Lehrer sind schuld, die Betriebe sind schuld. Und wo sind die Lösungen, die nicht nur Rolf Steffen als Handwerksmeister von den Politikern zumindest ansatzweise hören möchte? Joe Weingarten liefert. Zu seinem Katalog gehören die stete Modernisierung von Ausbildungsinhalten und -ordnungen sowie als Anreiz eine „anständige“ Bezahlung in der Ausbildung. Auch die Schule und damit der Staat sieht er in der Pflicht: Die schulischen Inhalte müssten so ausgerichtet werden, dass sie „handwerkstauglich“ seien und zur Ausbildungsfähigkeit führen.
Für Antje Lezius ist eine Verbesserung der schulischen Bildung ebenso ein dringendes politisches Ziel. Es brauche soziale Kompetenz, Kritik- und Teamfähigkeit, die Persönlichkeits- neben der fachlichen Bildung. „Da sind wir alle gefordert, dazu müssen wir auch Geld in die Hand nehmen.“ Zugleich müsse es noch mehr Informationen über Berufe geben – das sei auch Sache der Lehrer. Es gehe nicht an, dass von 350 möglichen Ausbildungen „immer die zehn gleichen gewählt werden“. Die Forderungen gehen aber auch ans Handwerk: Es müsse sich beispielsweise für Frauen attraktiver machen und allgemein genügend Förderung und Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Hier sei die Politik ebenfalls gefordert. Den Unternehmen könne mit Förderprogrammen geholfen werden, bei Bedarf könne ein Coach zur Verfügung gestellt werden. „Hier haben wir bereits jede Menge Geld in die Hand genommen“, nennt die Christdemokratin eine Leistung der Berliner Koalition.
In die Kerbe der Hemmnisse und Verbesserungsvorschläge schlägt auch Weingarten. Bis vor wenigen Jahren hätten die Handwerkskammern gesagt: „Wir kriegen das alles selbst hin.“ Heute laufe einiges schief, vor allem auch im Schulsystem. Andererseits verteilt der Kandidat auch Lob, so etwa für manche moderne Werbe- und Imagekampagnen des Handwerks, die ihn beeindruckten.
Obermeister Steffen fordert offensiv Entlastungen für ausbildende Betriebe. Weibliche Auszubildende seien im Raum Bad Kreuznach so gut wie nicht zu bekommen. Und wenn Interesse besteht, „dann muss zum Beispiel das WC-Problem einfacher lösbar sein“. Hilfe müsse vom Bildungssystem kommen, aber auch von bürokratisch-juristischer Seite, wenn es Probleme gibt: „Ein Ausbildungsvertrag ist heute kaum auflösbar.“
In der politischen Diskussion wird immer wieder eine Ausbildungsprämie als Unterstützung und Anreiz für Betriebe genannt. Ein Allheilmittel? Steffen sieht darin eine Idee, um Betriebe zu motivieren. Aber er hält es auch für ratsam, schwarzen Schafen „bei Fehlverhalten die Ausbildung entziehen zu können“. Beide Kandidaten sind sich einig. „Die Ausbildungsprämie ist keine gute Idee. Das Problem sind zu wenige Azubis, nicht zu wenige Ausbildungsbetriebe. Hier geht es um eine ureigene Unternehmeraufgabe“, so Weingarten.
Auch in den Augen von Antje Lezius „löst eine Ausbildungsprämie das Problem nicht“. Besser sei es, die Weiterbildung in Unternehmen zu fördern und für dieses Thema zentrale Ansprechpartner zu schaffen. Dabei sollten sich Unternehmen und Arbeitnehmer beide an den Kosten der Weiterbildung beteiligen – etwa wenn es um die Erfordernisse der Digitalisierung geht –, denn „was nichts kostet, ist in den Augen vieler auch nichts“.
Nach Joe Weingartens Ansicht muss die überbetriebliche Ausbildung viel mehr gefördert werden. Es sei „eine Staatsaufgabe“, mehr in die technische Ausstattung der Berufsbildenden Schulen und die Ausbildung der Berufsschullehrer zu investieren.
Lezius verweist auf „Riesenfördertöpfe“ der EU, etwa zur Integration ausbildungswilliger Jugendlicher aus Spanien – und auf das Thema Migranten als Lehrlinge. Wieder sind sich die beiden Kontrahenten im Rennen ums Direktmandat im Wahlkreis Kreuznach ziemlich einig: Die Zielgruppen Frauen, Zuwanderer, Studienabbrecher als Potenzial für den Ausbildungsmarkt im Handwerk sind Facetten, Möglichkeiten zur Ergänzung – nicht die große Lösung. Der Tenor lautet: Das sind Diskussionen, die man führen muss.
Rainer Gräff
Wir wollen dafür sorgen, dass der Schulerfolg endlich nicht mehr durch die soziale Herkunft vorbestimmt wird.
In inklusiven Ganztagsschulen können alle ihre Begabungen und Interessen gut entwickeln. Mit 4 Milliarden Euro soll sich der Bund beteiligen. Die Agenturen für Arbeit unterstützen bereits Ausbildungsbetriebe, wenn diese förderungsbedürftige junge Menschen ausbilden.
Darüber hinaus gibt es Leistungen für Bewerber, deren finanzielle Situation die Aufnahme der Ausbildung gefährdet.
Man hat sich in der Bildungspolitik über Jahrzehnte vor allem damit beschäftigt, mit welchen Methoden man lernt, dabei aber etwas aus dem Fokus verloren, was an Grundfertigkeiten vermittelt werden muss.
Es muss auch ein Motivationssignal geben, dass man bei guten Leistungen mit normalen Schulabschlüssen Chancen auf Karrieren in der Wirtschaft hat. „Alle aufs Gymnasium“: Dadurch ist die Wertigkeit einer normalen beruflichen Laufbahn etwas auf der Strecke geblieben.
Die Eltern müssen wieder mehr in die Pflicht genommen werden. Lehrer haben keine Möglichkeiten und kein Mandat zur Erziehung, wenn das Elternhaus nicht mitzieht.
Dringend notwendig ist die personelle Ausstattung der Schulen. Unterrichtsausfall kann nur behoben werden, wenn wieder dem tatsächlichen Bedarf Rechnung getragen wird.
Anstatt einer Ausbildungsprämie, die es schon gibt, ist der beste Anreiz eine solidarische Umlagefinanzierung, die alle Betriebe in die Pflicht nimmt, damit ausreichend duale und qualitativ hochwertige Ausbildungsplätze geschaffen werden.
Eigenschaften wie Pünktlichkeit, Fleiß und Zuverlässigkeit müssen von den Eltern vermittelt und vorgelebt werden. Förderungen wie eine Ausbildungsprämie sind Instrumente der Arbeitsverwaltung. Diese kann bei Fehlentwicklungen eingreifen. So könnte man prüfen, ob Betrieben geholfen wäre, wenn etwa die berufsschulbedingte Abwesenheit ihrer Azubis finanziell kompensiert würde.
Wir fordern daher die Rückkehr zur Vermittlung des Fachwissens als zentrales Anliegen der Schule.
In der Keimzelle der Familie werden Werte angelegt. Die Schule allein ist da eher machtlos. Es muss verstärkt wieder auf Primärtugenden wie Pünktlichkeit, Disziplin, Motivation, Leistungswillen, Teamfähigkeit geachtet werden.
Wir brauchen eine grundsätzliche Reform unseres Steuersystems. Bei dieser ist ganz sicher zu bedenken, wie Ausbildungsbetriebe unterstützt werden können.
Der Bund müsste die Länder dazu anregen, bundesweit einheitliche Abschlusstests einzuführen, und es sollte bis zur 10. Klasse mehr praktischen Unterricht geben. Man wird mehr auf ein späteres Studium vorbereitet als auf das Arbeitsleben. Es sollte auch mehr Pflichtpraktika geben, um so einen besseren Einblick in verschiedene Berufe zu erlangen. Die Schulen sollten mehr praktischen Unterricht (zum Beispiel Werken) anbieten.
Mit einer Ausbildungsprämie könnte man kleine Betriebe unterstützen, die Azubis haben.
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