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Müschenbach

Theologe zur Debatte um Paul-Dickkopf-Straße: Vergleich mit Dietrich Bonhoeffer ist „unappetitlich“

Die Paul-Dickopf-Straße hat nicht nur innerorts Gesprächsbedarf ausgelöst. Hintergrund der Auseinandersetzung ist die Rolle des Namengebers und ehemaligen BKA-Präsidenten in der Nazi-Zeit.
Die Paul-Dickopf-Straße hat nicht nur innerorts Gesprächsbedarf ausgelöst. Hintergrund der Auseinandersetzung ist die Rolle des Namengebers und ehemaligen BKA-Präsidenten in der Nazi-Zeit. Foto: Röder-Moldenhauer

Nachdem in der Müschenbacher Gemeinderatssitzung zur Abstimmung über den Namen der Paul-Dickopf-Straße ein Ratsmitglied den wegen seiner Vergangenheit umstrittenen früheren BKA-Präsidenten Dickopf als in das NS-System verstrickte „schillernde Figur“ bezeichnet und zwischen dieser und dem im Konzentrationslager getöteten NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer einen Vergleich gezogen hatte, hat sich Pfarrer i. R. Dr. Johannes Loh (Köln) zu Wort gemeldet. Der Zungenschlag dieser Analogisierung verfälsche manipulativ die historischen Gegebenheiten, so Loh.

Lesezeit: 2 Minuten
Loh hat an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn als Privatdozent gearbeitet und zum Leben und Wirken Bonhoeffers geforscht. Er schreibt, das Ratsmitglied habe Bonhoeffer auf die gleiche Stufe mit Dickopf gestellt, der ebenfalls Kontakte zu fremden Nachrichtendiensten gehabt und Informationen weitergegeben habe. Und weiter heißt es im Text von Loh, ...
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Professor: Dickopf war geheimdienstlich gegen die BRD tätig

Auch am Institut für Geschichte der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, das vor Jahren im Auftrag des Bundeskriminalamtes ein Gutachten über die braune Vergangenheit der Polizeibehörde erstellt und dabei auch Bezug zu deren früherem Präsidenten Paul Dickopf genommen hatte, wurde die Gemeinderatsentscheidung aus Müschenbach registriert. Der Historiker Professor Dr. Patrick Wagner teilt dazu und auch zu einer öffentlichen Stellungnahme des Gemeindearchivars von Müschenbach, der darauf hingewiesen hatte, dass Dickopf nach dem Krieg als Entlasteter eingestuft wurde, in einer E-Mail Folgendes mit.

"1. Herr Dickopf hat von der CIA über fast zwei Jahrzehnte, während er bereits Bundesbeamter war, regelmäßige Zahlungen erhalten – im Gegenzug für Informationen, die er der CIA geliefert hat. Sein Dienstherr (= das Bundesinnenministerium) hatte hiervon keine Kenntnis. Insofern war Herr Dickopf geheimdienstlich gegen die Bundesrepublik tätig. Das ist qualitativ (und straf- sowie disziplinarrechtlich) etwas völlig anderes als das Erteilen ,sachkundiger Ratschläge'.

2. In der Tat ist die Zugehörigkeit zum SD etwas anderes als die Zugehörigkeit zur Waffen-SS, bedeutet nämlich eine viel stärkere Involvierung in den Repressionsapparat des NS-Regimes. Aber so herum dürfte es der Herr Gemeindearchivar nicht gemeint haben.

3. Es ist heute schwer zu rekonstruieren, bis zu welchem Zeitpunkt Dickopf während des Krieges noch für die Abwehr der Wehrmacht gearbeitet hat und wann er zum US-Geheimdienst übergelaufen ist oder ob er zumindest zeitweise Doppelagent war. So ist das im Geheimdienstmetier.

4. Den Entscheidungen und Dokumenten aus Entnazifizierungsverfahren begegnet die zeithistorische Forschung bereits seit vielen Jahren mit quellenkritischer Skepsis. Die Naivität, mit der der Herr Archivar sich dieser Quellen bedient hat, würde ihn wissenschaftlich disqualifizieren. Aber es handelt sich ja wohl auch eher um eine auf anderer Ebene angesiedelte Einlassung.“

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