Westerwald

Seltene Besucher: Watvögel sind zu Gast im Westerwald

Von Manfred Höfer
Der Bruchwasserläufer streckt sein Gefieder.
Der Bruchwasserläufer streckt sein Gefieder. Foto: Manfred Höfer

Watvögel. dieser Familie, die auch Limikolen genannt wird, gehören viele verschiedene Vogelarten an. Berühmt sind vor allem die oft riesigen Watvogelschwärme, an den Küsten der Nordsee zu beobachten sind. Solche Mengen an Watvögeln treten bei uns zwar nicht auf, doch ist es erstaunlich, wie viele verschiedene Arten auch bei uns im Westerwald in 2021 und 2022 zu Gast waren, wie Beobachtungen auf dem Neunkhausener Plateau und am Elkenrother Weiher zeigen.

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Eine der bekanntesten Limikolenarten, die sich auch in unserer Region heimisch fühlen, ist der taubengroße, schwarz-weiß gefärbte Kiebitz. Einst war er in Deutschland auf Feuchtwiesen und auch auf Feldern ein weitverbreiteter Brutvogel. Doch mittlerweile sind die Bestände bundesweit um etwa 90 Prozent zurückgegangen, und der Kiebitz ist vom „Allerweltsvogel“ zur bedrohten Art geworden. Auch bei uns im Westerwald sind die Zeiten, in der bei uns noch Kiebitze brüteten, schon lange vorbei. Zur Zeit des Frühjahrszuges Ende Februar und im März und dann wieder nach der Brutzeit ab Ende Juni kann man dem prächtigen Vogel jedoch auf den offenen Flächen des Plateaus noch in meist relativ kleinen Schwärmen begegnen.

Große Limikolenart aus dem hohen Norden: der Regenbrauchvogel.
Große Limikolenart aus dem hohen Norden: der Regenbrauchvogel.
Foto: Manfred Höfer

Wenn im Frühjahr die Kiebitze bei uns durchziehen, werden sie gelegentlich von dem etwas kleineren, unauffällig bräunlich gefärbten Goldregenpfeifer begleitet. In diesem Jahr konnte sogar ein größerer Trupp, bestehend aus etwa 50 Goldregenpfeifern, im März in der Feldflur rastend beobachtet werden. Goldregenpfeifer waren wohl noch nie Brutvögel im Westerwald, doch als Gäste zu den Zugzeiten werden sie doch mehr oder weniger regelmäßig bei uns gesehen.

Eine wahre Rarität waren dagegen die zwei Mornell-Regenpfeifer, die im vergangenen Jahr auf dem Weg ins noch weit entfernte Brutgebiet im hohen Norden Europas hier auf einem Acker eine Ruhepause einlegten. Es handelte sich bei dieser Beobachtung wohl um den ersten Nachweis rastender Mornell-Regenpfeifer im Westerwald. In Gestalt und Größe ähnelt dieser Vogel dem Goldregenpfeifer, allerdings ist er kontrastreicher gefärbt. Im Gegensatz zu fast allen anderen Vogelarten ist beim Mornell das Weibchen wesentlich bunter als das Männchen gefärbt.

Noch ein gutes Stück kleiner als die beiden vorgenannten Arten ist der Flussregenpfeifer. Diese Art brütet normalerweise auf unbewachsenen Schotterbänken unserer Flüsse. Da es diese kaum noch gibt, muss er auf andere vegetationslose Flächen, wie zum Beispiel in Kies- oder Basaltsteinbrüche, ausweichen. Einige Paare finden daher auch bei uns noch einen Brutplatz. Der noch weitgehend kahle Acker, auf dem die Mornell-Regenpfeifer rasteten, sagte offensichtlich auch einem ziehenden Flussregenpfeiferpaar zu, denn zusammen mit den seltenen Gästen aus dem hohen Norden legte es hier eine Pause ein.

Ein Flussuferläufer hat am Elkenrother Weiher mit einer Wespe eine seltene Beute gemacht.
Ein Flussuferläufer hat am Elkenrother Weiher mit einer Wespe eine seltene Beute gemacht.
Foto: Manfred Höfer

Im April dieses Jahres gab es zudem eine große Überraschung: Gleich acht Regenbrachvögel, ebenfalls auf dem Weg ins nordische Brutgebiet, gingen auf dem Neunkhausener Plateau auf Nahrungssuche. Mit seinen langen Beinen, dem langen Schnabel und einer Körperlänge von rund 45 Zentimetern unterscheidet er sich beträchtlich von den bisher genannten Arten.

Direkt ans Neunkhausener Plateau grenzt der Elkenrother Weiher an. Speziell in diesem trockenen Sommer finden in diesem Jahr auf den trockengefallenen, schlammigen Uferflächen auch einige wassergebundene Limikolenarten auf dem Weg ins afrikanische Winterquartier gute Bedingungen vor. Mit dem Flussuferläufer, dem Bruchwasserläufer, dem Waldwasserläufer und der Bekassine waren sogar vier verschiedene Arten gleichzeitig zu beobachten.

Unauffällig gefärbter Gast in der Feldflur: der Goldregenpfeifer.
Unauffällig gefärbter Gast in der Feldflur: der Goldregenpfeifer.
Foto: Manfred Höfer
Am gelben Augenring ist der kleine Flussregenpfeifer zu erkennen.
Am gelben Augenring ist der kleine Flussregenpfeifer zu erkennen.
Foto: Manfred Höfer

Der Flussuferläufer, der in etwa auf die Größe eines Stars kommt, ist der kleinste der Watvögel. Er brütet meist in der dichten Ufervegetation „wilder“, unverbauter Flüsse. Da diese bei uns kaum noch vorhanden sind, ist der Flussuferläufer ein eher seltener Brutvogel in Deutschland. Auf dem Zug sind allerdings Vögel aus dem Norden recht häufig an den verschiedensten Gewässern zu sehen.

Nur wenig größer ist der Bruchwasserläufer. An den vielen hellen Flecken auf der braun gefärbten Oberseite, den längeren Beinen und dem längeren Schnabel ist er vom Flussuferläufer zu unterscheiden. Als Brutvogel kommt diese Art in Deutschland aber nicht mehr vor. Noch etwas größer und dunkler gefärbt ist der Waldwasserläufer. Im Brutverhalten unterscheidet er sich beträchtlich von allen anderen bisher genannten Arten. Diese sind nämlich Bodenbrüter und verstecken ihr Gelege im dichten Pflanzenbewuchs. Der Waldwasserläufer dagegen brütet im Wald auf Bäumen und nutzt dabei meist alte Nester von verschiedenen Drosselarten. Da sich die drei genannten Arten recht ähnlich sehen, sind sie schnell zu verwechseln.

Leider als Brutvogel – wie der Kiebitz – verschwunden: Die Bekassine.
Leider als Brutvogel – wie der Kiebitz – verschwunden: Die Bekassine.
Foto: Manfred Höfer

Keine Verwechslungsgefahr besteht allerdings mit der vierten hier im August anwesenden Art, der Bekassine. Am hell gestreiften, braunen Gefieder und dem ungemein langen Schnabel ist sie leicht zu erkennen. Mit der Bekassine schließt sich der Kreis zum Kiebitz: Wie dieser war sie früher auf Feuchtwiesen und Sümpfen in Deutschland – und auch in unserer Heimat – weit verbreitet. Heute ist sie jedoch vielerorts als Brutvogel verschwunden. Auch die ehemaligen Brutplätze auf dem Neunkhausener Plateau sind seit Jahren verwaist, und die Bekassine ist nur noch zu den Vogelzugzeiten als Gast bei der Nahrungssuche an schlammigen Ufern zu sehen.