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RZ-Reporter wagt Sprung aus Flugzeug: In 4000 Metern Höhe ist für Angst kein Platz

Knapp eine Minute freier Fall bleiben den Springern nach dem Ausstieg, danach sollten sie besser ihren Hauptschirm auslösen, um die sichere Landung vorzubereiten. Viele Gäste wie Olga (rechts unten), reisen dafür gar aus Frankfurt an. Fotos: Skyconcept/Röder-Moldenhauer (2)
Knapp eine Minute freier Fall bleiben den Springern nach dem Ausstieg, danach sollten sie besser ihren Hauptschirm auslösen, um die sichere Landung vorzubereiten. Viele Gäste wie Olga (rechts unten), reisen dafür gar aus Frankfurt an. Fotos: Skyconcept/Röder-Moldenhauer (2) Foto: Skyconcept

Als der Höhenmesser am linken Armgelenk von Rudi neben mir die Marke von 4200 Metern erreicht hat, kommt das verabredete Handzeichen, und mit einem kräftigen Ruck fliegt die Schiebetür der einmotorigen Pilatus Porter auf. Kühle Luft strömt in das kleine, turbinengetriebene Sportflugzeug, und plötzlich ist sie da, die Frage: „Was verdammt tue ich hier eigentlich?“

Lesezeit: 5 Minuten
Mein Herz pocht laut, doch der einzige Weg zurück zum Flugplatz Ailertchen unter uns führt durch die offene Luke. Irgendwer klopft auf mein rechtes Knie: Es ist Zeit zu gehen. Die meisten Plätze meiner Mitreisenden sind bereits verwaist. Gemeinsam mit meinem Sprungpartner Unai – in der Szene ist man bei ...
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Frei wie ein Vogel über der Wäller Seenplatte

Ailertchen. Es geht nach oben und zwar kräftig: Kaum hat Simon Seiler die angepeilte kleine Wolke, die in der Luft über Höhn hängt, erreicht, packt der erhoffte Aufwind den zweisitzigen Segelflieger und reißt ihn mit sich nach oben. Das fortwährende Signalrauschen, das den Piloten über Steige- und Fallgeschwindigkeit informiert, schwillt zu einem lauten Pfeifen an.

Seiler tritt in die Seitenruder und drückt den Steuerknüppel zwischen seinen Beinen behutsam nach links. „Wir nutzen jetzt die vorhandene Thermik und kreiseln uns langsam nach oben“, erklärt der 18-jährige Jugendwart des Flugsportvereins Ailertchen. Dann beginnt der Kurvenflug durch den sogenannten Schlauch, an dessen Ende der Höhenmesser knapp 1000 Meter über dem Boden anzeigt.

Möglich ist das Führen eines Segelfliegers beim FSV Ailertchen ab dem gesetzlich erlaubten Einstiegsalter von 14 Jahren. Bis zum Erwerb einer Fluglizenz zunächst an der Seite eines erfahrenen Fluglehrers, später dann aber auch komplett alleine. Auch Seiler ist mit 15 Jahren aus der Modellflugabteilung in die Jugendgruppe des Vereins hinübergewechselt. Deren harter Kern besteht derzeit aus rund zehn jungen Leuten, darunter überraschend viele Mädchen.

An Wochenenden und freien Tagen, sofern es das Wetter zulässt, findet man sie direkt am Flugfeld. „Dort bauen wird dann unseren Start auf“, erklärt Seiler. Der mobile Tower besteht im wesentlichen aus drei wichtigen Dingen: einem Funkgerät, um Kontakt mit den in der Luft befindlichen Piloten zu halten, dem tagsüber gültigen Flugplan und einem großen Sonnenschirm.

„Die Faszination des Fliegens ist ziemlich schwer in Worte zu fassen“, räumt Seiler ein und versucht es dann doch: „Für mich ist es ein Mix aus Freiheit und Entspannung, Anspannung und Konzentration. Man erlebt Tausende schöne Sachen hier oben.“

Stolz ist der Schüler vor allem auf die Umweltverträglichkeit seines Hobbys. Ist der Segler erst einmal in der Luft, stören weder lautes Motorengeräusch noch irgendwelche Abgase die Natur um ihn herum. Wozu das führen kann, zeigt sich, als Seiler einen weiteren Aufwärtskreisel einleitet: Ein selten gewordener Rotmilan, ebenfalls ein perfekter Segelflieger, begleitet die Maschine über dem Stöffelpark ein Stück lang, bevor er wieder seine eigenen Bahnen zieht.

Nach den Kosten gefragt, winkt er ab. Sie sind dank der Unterstützung durch den Verein weit geringer, als man vermuten könnte: „Der Verein stellt uns alle Flugzeuge zur Verfügung. Das Teuerste ist der Betrieb des Schleppflugzeuges, das die Segler in die Luft zieht“, verrät der Jugendwart. Der Minutenpreis liegt bei 2,80 Euro. Wer sich also fünf Minuten ziehen lässt, hat 15 Euro zu bezahlen. „In der Stunde kostet der Doppelsitzer 21 Euro, wenn man zu zweit fliegt, kann man sich das gut teilen“, ergänzt der Schüler, der sein Hobby mit Nebenjobs finanziert.

Die längste Strecke, die er bislang in einem Stück zurück gelegt hat, waren 400 Kilometer. Was es dafür braucht, hat er sich auch in den verpflichtenden Theoriebestandteilen der Pilotenausbildung angeeignet. „Am Ende weiß man nicht nur übers Fliegen an sich, sondern auch über seine eigenen Leistungsgrenzen und die Meteorologie Bescheid.“ Angst, doch einmal abzustürzen, hat er nicht. „Einen Motor, der uns ausfallen kann, haben wir ja gar nicht“, scherzt er, und schiebt nach: „Und wenn es sein muss, lernen wir auch, auf einem Acker zu landen.“

Von unserem Reporter Martin Boldt