Junge Musiker begeisterten: Klanggewordene Bilder beeindruckten im Schloss
Dies war nun auch beim Jahresabschlussabend der Oraniensteiner Konzerte zu erleben, zu dem die Harfenistin Isabelle Müller und der Flötist Theodore Squire in die Oraniensteiner Schlosskapelle eingeladen hatten.
Trotz parallelem Fußball-WM-Endspiel war das Konzert erfreulich gut besucht. Der Termin war als Nachholtermin mit den Künstlern neu gefunden worden, nachdem das Konzert am ursprünglichen Datum (29. Oktober) durch die plötzliche Erkrankung beider Künstler zunächst abgesagt werden musste. Allerdings hätte man sich beim Einführungsgespräch, das dem Konzert vorausging, mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewünscht. Denn von den beiden sympathischen Künstlern erfuhren die wenigen anwesenden Gäste in informativer Weise viel Interessantes über die Geschichte und die Funktionsweise von Flöte und der Harfe.
Beiden ist gemein, dass sie einerseits zu den ältesten Musikinstrumenten der Menschheitsgeschichte zählen, sich andererseits aber erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch technische Entwicklungen zu den tragfähigen Solo- und Orchesterinstrumenten mauserten, die wir im heutigen Konzertleben kennen.
Programm geschickt zusammengestellt
Vor allem den kompositorischen Bedürfnissen des Impressionismus kamen die technisch ausgereifte „moderne“ Konzert-Harfe und die durch den deutschen Flötisten, Flötenbaumeister, Komponisten und Erfinder Theobald Böhm 1847 vorgestellte „moderne“ Konzert-Flöte entgegen. Um ihre Möglichkeiten zu impressionistischer „Klangmalerei“ wunderbar darstellen zu können, hatten Isabelle Müller und Theodore Squire für Oranienstein geschickt ein Programm mit Musik für Flöte und Harfe ab 1850 zusammengestellt, das unter dem Titel „Impressionen – klanggewordene Bilder“ sowohl Werke impressionistischer Meister als auch Kompositionen der beginnenden Moderne umfasste.
Hervorzuheben sind zunächst die beiden Solo-Werke des Programms: Theodore Squire begeisterte mit einer makellosen und ausdrucksstarken Interpretation der „Image op. 38“ für Flöte solo von Eugene Bozza. Das trotz seines ruhigen Ausdrucks sehr anspruchsvolle Werk zählt zu den Klassikern der modernen Flötenliteratur. Es erfordert viele moderne Techniken wie extreme Register- und Klangfarbenänderungen sowie die Flatterzunge und bot dem jungen Flötisten die Möglichkeit, die ganze Palette seines Könnens zu zeigen.
Mit Jacques de la Presles „Le Jardin Mouillé“ („Der feuchte Garten“) aus dem Jahr 1913 führte auch Isabelle Müller eindrucksvoll in perfektem Spiel die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der modernen Konzert-Harfe vor. Nach dem gleichnamigen Gedicht von Henri de Régnier zauberte sie mit ihrer Musik klangmalerisch den Regen in die inneren Bilder der Konzertgäste, dessen erste Tropfen zunächst die grünen Blätter benetzten und Grashalme erzittern ließen, bis er sich schließlich zum Platzregen auswuchs und den Garten tropfnass hinterließ.
Ruhige Klänge prägten den Auftritt
Durch die vielfältigen Duo-Werke von Gabriel Fauré (Fantasie op.79), Eugène Bozza (Deux Impressions), Maurice Ravel (Pièce en forme de Habanera) und Claude Debussy (Beau Soir) war dieser Oraniensteiner Abend insgesamt eher durch ruhige musikalische Farben geprägt, bevor er seinen feurigen Abschluss in Pablo de Sarasates „Carmen-Fantasie“ op. 25 fand. Die beiden Künstler entfachten mit George Bizets berühmten Melodien aus der Oper „Carmen“ ein musikalisches Feuerwerk, das große Begeisterung auslöste.
Sinnbildlich für dieses Oraniensteiner Konzert mag aber vor allem das Werk „Beau Soir“ (Schöner Abend) von Claude Debussy in Erinnerung bleiben. Basierend auf einem Gedicht von Paul Bourget malten Isabelle Müller und Theodore Squire in innigem Zusammenspiel das Naturbild eines wunderschönen Abends in die Seelen ihrer Zuhörer. Und nachdem als Zugabe Johann Sebastian Bachs „Ave Maria“ in der Fassung von Charles Gounod verklungen war, hatten die Oraniensteiner Konzertgäste in der Tat einen rundum schönen Konzertabend erlebt, der mir reichlichem und lang anhaltendem Applaus belohnt wurde. red