Rhein-Lahn/Kreis Ahrweiler

Wenn man sie braucht, sind sie da: Rettungshundestaffel Rhein-Lahn-Taunus war im Katastrophengebiet im Einsatz

Von Ulrike Bletzer
Labrador Retriever sind hier bei einer Übung zu sehen: Sam, 13,5 Jahre, beim Trümmertraining.  Foto: BRH RHS Rhein-Lahn-Taunus
Labrador Retriever sind hier bei einer Übung zu sehen: Sam, 13,5 Jahre, beim Trümmertraining. Foto: BRH RHS Rhein-Lahn-Taunus

Das Schicksal der von der Flutkatastrophe betroffenen Menschen lässt kaum jemanden kalt – natürlich auch nicht im Rhein-Lahn-Kreis. Zu den professionellen Helfern, die im Katastrophengebiet im Einsatz waren und möglicherweise wieder sein werden, zählen auch Vierbeiner, die logischerweise nicht losgelöst von ihren zweibeinigen Kollegen zu sehen sind: Zwei Rettungshundeteams und ein Zugführer der BRH-Rettungshundestaffel Rhein-Lahn-Taunus waren am 20. Juli im besonders stark betroffenen Landkreis Ahrweiler vor Ort.

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige

Zwei Tage später nehmen sich drei aus der Gruppe Zeit, um unserer Zeitung in einer Videokonferenz von ihren Erlebnissen zu berichten. Während Philipp Heun aus Limburg und Lukas Busch aus Miehlen inzwischen wieder zu Hause sind, ist die Dachsenhausenerin Yvonne Haupt nach wie vor am Ort: Sie ist aus Ahrweiler zugeschaltet.

Wie ist der Einsatz am Dienstag zuvor abgelaufen? „Die ortsansässige Rettungshundestaffel Rhein-Mosel, bei der es sich ebenfalls um eine BRH-Rettungshundestaffel handelt, hat uns zur Unterstützung nachalarmiert“, berichtet Zugführer Philipp Heun. Zur Erklärung: Hinter dem Kürzel BRH verbirgt sich der Bundesverband Rettungshunde. „Unser Auftrag war es, gemeinsam mit der Rettungshundestaffel, die schon vor Ort war, die Trümmerlage in einem Abschnitt der Ahr zwischen den Gemeinden Rech und Mayschoß nach Vermissten abzusuchen“, erläutert Lukas Busch. „Das haben die beiden Staffeln in entgegengesetzten Richtungen und so flächendeckend wie möglich getan.“ Zum Einsatz kommen in einem solchen Fall speziell ausgebildete Trümmerhunde. Leider verlief die Suche erfolglos.

Völlig zerstört wurden Häuser in der Gemeinde Rech. In dieser Region waren auch die Rettungshunde aus dem Rhein-Lahn-Kreis im Einsatz, um Vermisste zu finden. Foto: dpa
Völlig zerstört wurden Häuser in der Gemeinde Rech. In dieser Region waren auch die Rettungshunde aus dem Rhein-Lahn-Kreis im Einsatz, um Vermisste zu finden.
Foto: dpa

Mit Stand vom Donnerstag war dies für die Rettungshundestaffel Rhein-Lahn-Taunus bisher der einzige Einsatz im Katastrophengebiet. Aber: „Grundsätzlich kann es jederzeit passieren, dass wir wieder alarmiert werden“, stellt Philipp Heun klar. „Ich bin regelmäßig in Kontakt mit der Staffel vor Ort. Wir haben denen gesagt: ‚Wenn ihr unsere Unterstützung braucht, sind wir da.‘“ Allerdings wird ein weiterer Einsatz von Tag zu Tag unwahrscheinlicher, weil es kaum noch Hoffnung auf Überlebende gibt. „Die Suche mit Rettungshunden kann aber in dem Moment noch sinnvoll sein, in dem man damit anfängt, mit schwerem Gerät zu räumen, und der Verdacht besteht, dass unter den Trümmern möglicherweise noch jemand leben könnte – etwa, weil das betreffende Haus nicht komplett überflutet war“, sagt Heun. Ein weiteres Beispiel beschreibt Yvonne Haupt mit den Worten: „Wenn man beim Trümmerräumen auf luftgefüllte Hohlräume stößt, die vorher verschlossen waren. Da schickt man dann, um kein Menschenleben zu gefährden, Hunde hinein.“

Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass die fünf Rettungshundestaffel-Mitglieder vor Ort traumatische Bilder gesehen haben. „Das Ausmaß der Zerstörung ist enorm“, bestätigt Yvonne Haupt. „Vor allem wird einem klar, dass das kein Hochwasser war, wie man es kennt, das langsam steigt und langsam wieder abfließt. Von der Wucht und Zerstörungskraft, die das Wasser hier hatte, macht man sich keine Vorstellung, wenn man nicht vor Ort gewesen ist.“

Wie verkraftet man so etwas? „Wir legen großen Wert darauf, nach jedem Einsatz eine kleine Nachbesprechung zu machen“, antwortet Philipp Heun. „Außerdem haben wir bereits während des Einsatzes ein Auge aufeinander und achten darauf, ob es vielleicht bei einem der anderen Anzeichen für eine Überlastung gibt. Und natürlich können wir bei Bedarf jederzeit auf Notfallseelsorger zurückgreifen.“ Untereinander über das zu sprechen, was man sieht und erlebt, helfe enorm beim Verarbeiten, sagt auch Yvonne Haupt: „Und dass wir unsere Arbeit als hilfreich und sinnvoll erleben.“ Zudem würden in solche extremen Lagen ausschließlich erfahrene Einsatzkräfte geschickt.

Warum ist Yvonne Haupt eigentlich noch vor Ort, während die anderen inzwischen wieder zu Hause sind? Ebenso wie vier weitere Mitglieder der BRH-Rettungsstaffel Rhein-Lahn-Taunus gehört sie dem Auslandskader der Hilfsorganisation I.S.A.R (International Search and Rescue) Germany an. „Seit dem 16. Juli sind wir hier im Katastrophengebiet in die Aktionen von I.S.A.R. Germany mit eingebettet“, berichtet sie. „Dabei geht es allerdings weniger um Vermisstensuche als darum, Gebäude daraufhin zu beurteilen, ob sie einsturzgefährdet sind, und zusammen mit einem Bauunternehmen Räumungen vorzunehmen.“ In Ahrweiler seien in Kooperation mit der Polizei über das Innenministerium auch schon Leichenspürhunde von I.S.A.R. Germany zum Einsatz gekommen, fügt sie hinzu.

Verzweiflung, Pragmatismus, funktionieren statt nachdenken – wie gehen die Menschen im Katastrophengebiet mit dem Schicksalsschlag um? „Es ist von allem ein bisschen dabei“, antwortet Yvonne Haupt. „Sicher ist die Verzweiflung groß. Aber es gibt auch einen unglaublichen Spirit, eine unglaubliche gegenseitige Unterstützung, auch was die Helfer untereinander angeht.“ Und: „Wir animieren die Leute dazu, über ihre Probleme zu reden. Zum Beispiel haben wir gestern mit Menschen gesprochen, die Ängste haben, weil sie immer noch das Wasser hören und solche Dinge. Da haben wir sehr an sie appelliert, sich professionelle Hilfe zu holen.“

Davon, in der gut gemeinten Absicht zu helfen auf eigene Faust ins Katastrophengebiet zu fahren, rät die Fachfrau dringend ab. „Möglicherweise ist das in ein paar Wochen aber angebrachter. Arbeit gibt es dann mit Sicherheit auch noch genug.“ Auch Sachspenden hätten bis auf Weiteres wenig Sinn: „Am meisten hilft es, wenn man Geld spendet und die Hilfsorganisationen, die hier tätig sind, unterstützt – sei es finanziell oder indem man mit anpackt.“

Er sei gespannt, wie lange die momentane Situation andaure und ob auch die Rettungshundestaffel noch einmal alarmiert werde, sagt Philipp Heun. Sollte dies der Fall sein, kann man sich jedenfalls darauf verlassen, dass sie ihren Einsatzauftrag systematisch abarbeiten wird – so lange, bis sie entweder Vermisste findet oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen kann, dass sich an der betreffenden Stelle noch lebende Menschen unter den Trümmern befinden.

Von unserer Mitarbeiterin Ulrike Bletzer