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Laufenselden/Rettert

Trotz Corona: Brauchtum der Fahlerkerb lebt fort

Von Thorsten Stötzer
Symbol der Tradition: Die Kerbeburschen mit den weißen Kappen richten einen Kerbebaum vor der Kastell-Apotheke in Laufenselden auf.
Symbol der Tradition: Die Kerbeburschen mit den weißen Kappen richten einen Kerbebaum vor der Kastell-Apotheke in Laufenselden auf. Foto: Thorsten Stötzer

„Holz hoch“, lautet das Standard-Kommando von Thomas Rock beim Baumstellen für die Fahlerkerb vor der Apotheke in Laufenselden. Mit Muskelkraft und drei blau und orange lackierten Stangenpaaren wird die 27 Meter lange Fichte in die Senkrechte gebracht. Geschmückt ist sie mit Bändern und mit Glühbirnen in den beiden Traditionsfarben an ihrer Spitze. Das Brauchtum lebt fort, so wie in jedem dritten Jahr. Dennoch ist im Corona-Jahr einiges anders.

Lesezeit: 1 Minute
Von der Fahlerkerb künden sonst 13 Bäume. Diesmal sind es lediglich zwei: Einer schmückt den Fahlerplatz in Rettert und einer den Vorplatz der Apotheke in Laufenselden, genannt das Pflaster. Auf die Bäume als Symbol ganz verzichten wollte keiner, da 2020 das Kerbejahr bleibt, wenngleich nur der Marsch nach Rettert möglich ist, ...
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Tradition auch in Krisenzeiten erhalten

Im August 1945 war der Krieg vorüber. Doch Laufenselden war amerikanisch besetzt und Rettert französisch. Man hatte irgendwie seinen Weg gefunden, über die Grenze zu gelangen, wenngleich keine Quelle das erläutert. Detaillierter sind die Angaben zum Jahr 1942, als 18 Altvordere von Laufenselden nach Rettert liefen. Der Retterter Gastwirt spendierte eine Flasche Branntwein, aber sonst waren nur noch zwei Glas Bier pro Mann zu bekommen. Für 40 Pfennig hatte demnach jeder die Kerb gehalten.

1939 herrschte an den Festtagen im August formal noch Frieden, und es wurde gefeiert. Bürgermeister Lind aus Laufenselden schilderte jedoch gedrückte Stimmung. Und „noch bevor die letzten Arbeiten von den Kerbeburschen erledigt werden konnten, kam der Ruf des Führers, und die meisten Kerbeburschen folgten dem Ruf zu den Waffen“.

1921 war Rettert französisch besetzt, während Laufenselden im freien Flaschenhals lag. Im Sommer 1924 existierte diese Grenze nicht. Es tobte der „Ruhrkampf“, die Franzosen hielten in dieser Zeit auch die Flaschenhälse besetzt. Ihr Colonel Steck erteilte trotzdem eine Genehmigung, wenngleich mit Auflagen. Es hatten „jedes Marschieren in Reih und Glied sowie das Mitführen von Uniformen, Fahnen und solcher Abzeichen, die diesem den Eindruck eines Militärmarsches geben könnten“ zu unterbleiben.

1870 war gerade der deutsch-französische Krieg ausgebrochen. Statt „die Fahlerkerb is do“ wurde am 14. August 1870 beim großen Marsch nach Rettert die „Wacht am Rhein“ gesungen. Die Gruppe, die sich auf den Weg machte, war überschaubar: Sie bestand aus dem „Ortsvorstand mit etwa 20 Mann“ und der Schuljugend. Das hatte der von 1922 bis 1950 in Laufenselden tätige Lehrer Wilhelm Orth notiert. „Würdig und still, wie es dem Ernste der Zeit entsprach“, so verlief 1870 der Tag, wie 1903 ein gewisser Johannes Wagner-Wittenberg in einem Aufsatz geschrieben hatte. „Sie umschritten ohne Spiel und Trommelschlag den Fahlerplatz und hatten so der drohenden Verjährung vorgebeugt“. So bestehen die Rechte seit rund 650 Jahren. ths

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