Köln/Limburg

Prozess um Ex-Reemtsma-Entführer: Drach ergreift doch das Wort

Zu den Vorwürfen im Prozess gegen ihn will sich Thomas Drach nicht äußern, aber stumm bleibt er dennoch nicht. Am dritten Verhandlungstag echauffiert er sich über das Sicherheitsprogramm, das er durchlaufen müsse. Unterdessen werden die ersten Zeugen gehört.

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Der Angeklagte Thomas Drach (links) winkt im Landgericht beim Betreten des Gerichtssaals neben seinen Anwälten Andreas Kerkhof (Mitte) und Dirk Kruse. Die Staatsanwaltschaft wirft Drach vier Überfälle auf Geldtransporter vor.
Der Angeklagte Thomas Drach (links) winkt im Landgericht beim Betreten des Gerichtssaals neben seinen Anwälten Andreas Kerkhof (Mitte) und Dirk Kruse. Die Staatsanwaltschaft wirft Drach vier Überfälle auf Geldtransporter vor.
Foto: dpa

Der frühere Reemtsma-Entführer hat die Sicherheitsvorkehrungen im Prozess gegen ihn am Landgericht Köln mit einem Film des französischen Komikers Louis de Funès verglichen. Der 61-Jährige ergriff am dritten Verhandlungstag etwas überraschend das Wort und kritisierte das Sicherheitsprogramm, dem er sich für das Verfahren unterziehen müsse. Drach wird eng von Polizisten begleitet.

Unter anderem habe er mittlerweile seine Hose gewechselt, „weil die mir hundertmal den Gürtel rein- und rausziehen“, sagte Drach am Mittwoch. Nun trage er eine sportliche Hose, aber „jetzt haben die mir den Gummizug da rausgezogen“. Er halte das für „lächerlich“. Auch seine Schuhe müsse er mehrmals an- und ausziehen. „Als wenn ich die da mit den Gummilatschen bewerfe“, sagte Drach, der unter anderem wegen versuchten Mordes und besonders schweren Raubes angeklagt ist.

„Wissen Sie, wie das ist?“, fragte er Richter Jörg Michael Bern. „Wie so eine Komödie von Louis de Funès. Die Hosenscheißer-Brigade.“ Welchen Film er damit genau meinte, blieb zunächst unklar. In seiner Paraderolle in „Der Gendarm von Saint Tropez“ (1964) überwachte Louis de Funès (1914–1983) mit einer Polizeibrigade einen FKK-Strand.

Drach werden in dem Prozess Überfälle auf vier Geldtransporter in Köln, Frankfurt und Limburg vorgeworfen. Er bestreitet die Vorwürfe. Ein mutmaßlicher Komplize ist mitangeklagt. Für den Prozess gelten hohe Sicherheitsvorkehrungen. Beobachter etwa werden vor Betreten des Saals zweimal überprüft.

Zu den Vorwürfen selbst will sich Drach nicht äußern. Das hatten seine Anwälte erklärt. Er werde von seinem Schweigerecht Gebrauch machen und weder zu seiner Person noch zur Sache Angaben machen. Die Anwälte hatten zudem vor dem Prozess erklärt, dass sie einen Freispruch erwarteten. Es gebe keinerlei stichhaltige Beweise gegen ihren Mandanten. Auch der niederländische Mitangeklagte wollte keine Aussagen machen. Sein Anwalt nannte die Anklageschrift dürftig, sie enthalte keine belastbaren Beweise.

Nach mehreren Unterbrechungen und Verzögerungen in dem Verfahren konnte das Gericht am Mittwoch erstmals einen Zeugen befragen. Es handelte sich um einen Polizisten, der als einer der ersten an einem der Tatorte eintraf – einer Kölner Ikea-Filiale, an der Ende März 2018 ein Geldtransporter überfallen worden war. Der Beamte schilderte, wie sich das Geschehen damals dargestellt habe.

Von Mitarbeitern der Sicherheitsfirma sei berichtet worden, dass ein Täter sie mit einer Maschinenpistole in der Hand überfallen habe. Er habe sie aufgefordert, einen Geldkoffer abzustellen. Zudem habe er den Revolver eines Sicherheitsmitarbeiters an sich genommen. Anschließend sei er mit einem schwarzen Wagen geflohen. Eine erste Täterbeschreibung habe die Eckdaten umfasst: etwa 1,70 Meter groß, „leicht untersetzt“, graue Mütze und Schal vor dem Gesicht. Ein Mitarbeiter der Sicherheitsfirma habe auf ihn einen geschockten Eindruck gemacht, sagte der Polizist als Zeuge. „Er war beeindruckt von der Situation.“

Die Anklage wirft Drach vor, diesen Überfall begangen zu haben, bewaffnet mit einem Sturmgewehr des Typs AK-47. Sein Ziel seien die Tageseinnahmen des Möbelhauses gewesen. Das Bargeld habe er an sich genommen. Im Falle einer Verurteilung in dem Prozess steht für Drach neben einer hohen Freiheitsstrafe auch die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Raum.

1996 hatte der heute 61-Jährige den Erben der Hamburger Tabakdynastie Reemtsma, Jan Philipp Reemtsma, entführt und ihn später gegen Lösegeld wieder freigelassen. Für die Tat wurde er einst zu vierzehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Anfang 2021 war er wegen des Verdachts auf die Überfälle festgenommen worden.

Archivierter Artikel vom 10.02.2022, 11:30 Uhr