Rhein-Lahn/Limburg

Kirchen stellen Statistik vor: Pandemie bremst Kirchen, aber auch Zahl der Austritte

Immer noch kehren viele Menschen der Kirche den Rücken und treten aus den Glaubensgemeinschaften aus. Dass die Zahl der Kirchenaustritte im Bistum Limburg und in der EKHN im Pandemiejahr 2020 zurückgegangen ist, dürfte auch auf lange Schließungszeiten der Behörden zurückzuführen sein.
Immer noch kehren viele Menschen der Kirche den Rücken und treten aus den Glaubensgemeinschaften aus. Dass die Zahl der Kirchenaustritte im Bistum Limburg und in der EKHN im Pandemiejahr 2020 zurückgegangen ist, dürfte auch auf lange Schließungszeiten der Behörden zurückzuführen sein. Foto: dpa

Im Corona-Jahr 2020 sind im Bistum Limburg und im Gebiet der hessen-nassauischen Landeskirche (EKHN) weniger Menschen aus der Kirche ausgetreten. Bei den Katholiken sank die Zahl der Kirchenaustritte im Vergleich zu 2019 von 9439 auf 8192. Das entspricht einem Rückgang um etwa 1200 Personen. In der EKHN gingen die Zahl der Austritte von 21.049 (2019) auf 18.411 zurück. Das sind mehr als zwölf Prozent weniger. Die genaue Lage des Bistums und der Landeskirche im Überblick.

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Angesichts der langen Schließungszeiten der Behörden im zurückliegenden Pandemiejahr seien diese Zahlen aber nur eingeschränkt aussagekräftig.

So ist die Lage im Bistum Limburg

Die Coronapandemie hat nach Angaben des Bistums Limburg das kirchliche Leben im vergangenen Jahr massiv beeinträchtigt. Neben dem langfristigen Trend einer zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft schlage sich das auch in der kirchlichen Statistik 2020 nieder. So sank die Zahl der Gottesdienstbesucher im Bistum von 51.131 im Jahr 2019 auf 33.554 Personen. Der Anteil der Gottesdienstbesucher unter allen Katholiken fiel von 8,6 auf 5,8 Prozent.

Weil viele Angebote und Gottesdienste ersatzlos gestrichen werden mussten, macht sich die Pandemie auch bei den Sakramenten und Kasualien bemerkbar. 2020 wurden im Bistum 2078 Personen getauft (2019: 3545). Die Zahl der Personen, die die Erstkommunion empfingen, sank von 4473 im Jahr 2019 auf 3441, gefirmt wurden 2316 Menschen (2019: 3190). 237 Paare spendeten sich das Ehesakrament (2019: 904). Bestattet wurden 5902 Personen (2019: 6173). 47 Christen traten zur katholischen Kirche über (2019: 68), 208 Menschen traten wieder in die Kirche ein (2019: 225).

Bischof Georg Bätzing
Bischof Georg Bätzing
Foto: dpa

Zum Bistum Limburg, das Teile der Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz umfasst, gehörten laut der Statistik im vergangenen Jahr 579.687 Katholiken – das sind etwa 13.000 Personen weniger als 2019. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung sank auf 23 Prozent. Der Rückgang betrifft auch die Zahl der Katholiken ohne deutschen Pass, von denen viele in den international geprägten Gemeinden anderer Muttersprache im Bistum beheimatet sind. Zu ihnen zählten 2020 noch 96.252 Personen und damit etwa 2000 Menschen weniger als noch 2019 mit 98.159.

„Die Coronapandemie hat das kirchliche Leben im Bistum stark beeinträchtigt. Persönlicher Austausch, Begegnung und Seelsorge waren nur unter erschwerten Bedingungen möglich“, erklärt Bischof Georg Bätzing. Durch die Pandemie habe die Erosion kirchlichen Lebens der vergangenen Jahre nochmals drastisch zugenommen.

„In dieser für die Kirche und die Gesellschaft schwierigen Pandemiezeit gilt es für uns Christen, aus dem Glauben heraus zuversichtlich und hoffnungsvoll zu bleiben“, sagt der Limburger Bischof. „Resignation und innere Abschottung sind keine Lösungen für die Herausforderungen, die vor uns liegen.“

Nötig seien neben mutigen Veränderungen in der Kirche auch Christen, die ihren Glauben entschieden lebten und anderen so zeigten, wie wertvoll und relevant der Glaube für das persönliche Leben sein kann. „Ich bin überzeugt: Die vielen Angebote kirchlichen Lebens, der unermüdliche Einsatz von Ehrenamtlichen, unsere katholischen Kindertagesstätten und Schulen, Bildungswerke und Akademien, eine nach wie vor einsatzfreudige und engagierte Jugendarbeit und vieles mehr, was von Christinnen und Christen jeden Tag geleistet wird, sind beredte Zeugnisse dafür, wie lebendig Kirche ist.“

So ist die Lage in der EKHN

Auch in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau stehen die Zahlen für das zurückliegende Jahr deutlich im Zeichen der Coronapandemie. Nach der aktuellen Erhebung zählt die EKHN zum Stichtag 31. Dezember 2020 genau 1.446.971 Millionen Mitglieder in ihren 1103 Kirchengemeinden. Davon leben rund 1,16 Millionen Evangelische in Hessen, 280.000 im rheinland-pfälzischen Kirchengebiet

. 2019 zählte die EKHN 1.483.767 Mitglieder. Das entspricht einem Rückgang um 2,5 Prozent. Einfluss auf die Mitgliederentwicklung haben neben den Sterbefällen und Austritten auch Zu- und Wegzüge – und im vergangenen Jahr die pandemiebedingt deutlich geringere Zahl der Taufen. Die EKHN erstreckt sich unter anderem über die mittleren und südlichen Teile Hessens sowie die rheinland-pfälzischen Regionen Rheinhessen und Westerwald.

Leicht gesunken sind nach EKHN-Angaben auch die Kircheneintritte. Sie gingen auf 2040 gegenüber 2849 im Vorjahreszeitraum zurück. Annähernd gleich geblieben sind 2020 die evangelischen Bestattungen mit 19.467 (2019: 19.402).

Taufen, Trauungen und Konfirmationen haben dagegen deutlich sichtbar unter der Coronakrise und den damit verbundenen Einschränkungen gelitten. So sank die Zahl der Taufen bei Kindern um die Hälfte auf 5131 gegenüber 10.565 im Jahr zuvor. Auch die Erwachsenentaufen gingen auf 623 (2019: 985) zurück. Mit 8342 Konfirmationen fanden ein Drittel weniger als zuletzt statt (2019: 11.881). Ein noch deutlicher von Corona geprägtes Bild ergibt sich bei den kirchlichen Hochzeiten. Hier gab es mit nur 590 Trauungen gegenüber 2751 im Vorjahr einen Einschnitt um fast 80 Prozent. Viele Brautpaare hatten angesichts der Pandemie ihre Hochzeitsfeier verschoben.

EKHN-Kirchenpräsident Volker Jung
EKHN-Kirchenpräsident Volker Jung
Foto: privat

Kirchenpräsident Volker Jung sieht in der aktuellen Mitgliedererhebung eine „Statistik mit großen Fragezeichen durch die Pandemie“. Die Gemeinden seien aktuell dabei, mit vielen kreativen Ideen wie etwa Tauffesten vieles nachzuholen. Zuletzt seien gerade die Konfirmationen „wichtige Eckpfeiler der Kirche für junge Menschen“ geblieben. Fast 90 Prozent eines evangelischen Jahrgangs hätten sich in den vergangenen Jahren konfirmieren lassen.

Nach Worten Jungs werfen die weiterhin verhältnismäßig hohen Austrittzahlen zugleich „ganz grundlegende Fragen an die Kirche auf“. So hätten Untersuchungen einerseits gezeigt, „dass Religionsgemeinschaften in der Pandemie eine stützende Rolle spielen“. Andererseits stellten Umfragen heraus, dass immer mehr Menschen eine distanzierte innere Haltung zur Kirche hätten und nach einer Zeit den Entschluss fassten, auszutreten. Dabei würde die Arbeit der Kirchen auch von Menschen, die aus der Kirche austreten, durchaus für wichtig erachtet, aber als wenig oder gar nicht relevant für das eigene Leben betrachtet.

Offenbar würden dabei die breit gefächerten Leistungen und Angebote von der Kinder- und Jugendarbeit über diakonische Hilfen bis zur Seelsorge oft nur unzureichend wahrgenommen, so Jung. Gleichzeitig arbeiteten Gemeinden, Dekanate und Einrichtungen „mit viel Energie und großem Engagement vor Ort“. Jung: „Es bleibt eine dauerhafte Herausforderung für die evangelische Kirche, Menschen im Glauben und Leben zu begleiten. Dazu gehört, das breite Angebot für alle Menschen und die Leistungen für die Gesellschaft besser herauszustellen, um Menschen auch für Mitgliedschaft und Engagement in der Kirche zu gewinnen.“

Jung kündigte zugleich an, dass auf einer Sondertagung der Kirchensynode am 11. September weiter intensiv über Zukunftsfragen der hessen-nassauischen Kirche beraten werden soll. Im Zentrum des Treffens stehe die Weiterarbeit an dem Projekt „ekhn2030“, so Jung. „Wir stehen vor einer Zeit grundlegender Umbrüche“, erklärte der Kirchenpräsident.

Entscheidungen stünden darüber an, was wir „aufgeben müssen, um Freiraum für Neues zu gewinnen“. So seien beispielsweise stärkere Kooperationen der Gemeinden untereinander aber auch mit Institutionen und Einrichtungen vor Ort unerlässlich. Jung: „Ziel muss es sein, auch in Zukunft eine Kirche zu bleiben, die offen und öffentlich ist, eine Kirche für andere und Kirche mit anderen.“

Detaillierte Infos im Internet

Der Limburger Bistumsatlas, eine interaktive Karte, veranschaulicht das kirchliche Leben mit Zahlen: https://limburg.bistumsatlas.de/ statistik/

Die EKHN-Statistiken sind hier abrufbar und werden in Kürze um die aktuellsten Zahlen ergänzt: https://www.ekhn.de/ueber-uns/ daten-fakten.html

Der Trend im Dekanat Nassauer Land

Im evangelischen Dekanat Nassauer Land liegt der Mitgliederschwund weiter deutlich unter der bundesweiten Entwicklung und dem Durchschnitt der Landeskirche. Die Zahlen fürs Jahr 2020 liegen zwar noch nicht vor, aber in der 10-Jahres-Entwicklung zeigt sich auch hier eine leichte Beschleunigung des Mitgliederverlustes.

Der lag in den 30 Jahren zwischen 1980 und 2010 noch deutlich unter einem Prozent pro Jahr. In den vergangenen zehn Jahren wuchs das Minus zwischen neuen Mitgliedern und den Verstorbenen und Ausgetretenen auf knapp 1,5 Prozent jährlich an. Gab es 2010 noch rund 60.000 Evangelische im Dekanatsgebiet, waren es 2019 nur noch 51.300. Knapp 8000 Mitglieder sind in diesem Zeitraum verstorben.

Für Dekanin Renate Weigel ist der Blick auf die Zahlen kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken: „Ich freue mich über alle, die da sind und da bleiben und auch neu dazukommen, denn die gibt es ja auch“, so die Theologin. „Wir sind am Platz.“

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