Im Einsatz für Landeskirche: Wie eine Polizeiseelsorgerin Beamten in Not beisteht
Vor einem Jahr sterben bei einer Routinekontrolle im rheinland-pfälzischen Kreis Kusel eine Polizeianwärterin und ein Kommissar durch Kopfschüsse. Beamte werden bei Demonstrationen oder anderen Einsätzen angefeindet, bespuckt, mit Böllern, Steinen oder Brandsätzen beworfen. Wer dem Ärger, den Belastungen oder anderen Problemen Luft machen will, kann zur Polizeiseelsorge gehen.
Barbara Görich-Reinel kennt die Probleme und Sorgen der Staatsdiener. Sie ist seit 2014 Polizeiseelsorgerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Seit Oktober leitet die 62-Jährige das Polizeipfarramt, das für Teile von Hessen und Rheinland-Pfalz zuständig ist.
Nicht nur in der Krise aktiv
„Gut, dass ihr da seid, aber am liebsten brauchen wir euch nicht“, beschreibt die studierte evangelische Theologin die Haltung der Beamtinnen und Beamten sowie der Mitarbeiter bei der Polizei. Das sei nachvollziehbar, assoziiere aber auch, dass die Seelsorger nur aktiv sind, wenn es schlimm, kritisch oder krisenhaft wird. Die Aufgaben der mit zweieinviertel Stellen ausgestatteten Seelsorge der EKHN seien jedoch weit umfassender.
Zu den Aufgaben gehören laut Görich-Reinel auch berufsethischer Unterricht, Einsatzbegleitung bei Blaulichtfahrten oder Versammlungen sowie Gottesdienste. Aber auch Beratungen von kirchlichen Gremien, wenn es um Einsätze wie zum Beispiel bei der Rodung des Dannenröder Forstes geht. Im Herbst 2020 waren, begleitet von massiven Protesten, in drei Waldstücken in Mittelhessen, darunter im Dannenröder Forst, Bäume für den umstrittenen Ausbau der A 49 gefällt worden.
In manchen Diensten wissen Polizisten nicht, was sie erwartet
Auch bundesweit stimme sich die kirchliche evangelische Seelsorge ab, sagte die 62-Jährige. Sie ist seit Herbst vergangenen Jahres auch Mitglied im Vorstand der bundesweiten „Konferenz Evangelischer Polizeipfarrerinnen und Polizeipfarrer“ in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Uns beschäftigt Suizid, uns beschäftigen auch psychische Erkrankung und Erschöpfungssyndrome, die man aber auch aus anderen Institutionen kennt.“ Das sei nichts Polizeispezifisches.
„Wir gucken nach Menschen und fragen nach, was sie tun. Wir wollen verstehen, was die Herausforderungen der Polizeiarbeit sind“, sagt die verheiratete Mutter eines Sohnes. Die Inhalte der Gespräche gingen von der beruflichen Situation bis in den privaten Bereich. Da gehe es um mangelnde Karriereperspektiven, Arbeitsbelastung bis hin zu Trennungen oder Scheidungen. „Die Hauptaufgabe ist Begleitung. Die Beamtinnen und Beamten verdienen hohen Respekt für das, was sie für uns tun.“
Bürgerinnen und Bürger hätten das Bild, dass alles immer schlimmer werde, das sei aber nicht zwingend richtig. „Ich erlebe nicht die Polizei jetzt durch Kusel oder durch andere Momente als verängstigt, im Gegenteil“, sagt die Theologin. Vielmehr sei man noch vorsichtiger und aufmerksamer. „Der Einzeldienst – wie Streife fahren – ist der Herausforderndste, weil man nie weiß, was ist.“
Verschiedene Seelsorgeangebote
In geschlossenen Einheiten fühle man sich da sicherer. Allerdings könnten die Beamten hier wie bei der Räumung in Dannenröder Forst und jüngst in Lützerath für den Kohleabbau natürlich selbst in einen Zwiespalt kommen. Sie müssen das staatliche Gewaltmonopol durchsetzen, auch wenn sie möglicherweise selbst Zweifel am Sinn einer Autobahnverlängerung oder des Kohleabbaus haben. „Das Thema Gewalt ist eines, auf das sie sich einlassen. Das sind junge Leute, die nicht unbedingt Gewalterfahrung haben und erst einmal lernen müssen, Gewalt anzuwenden“, sagt die 62-Jährige.
Für die Seelsorge sind in Hessen nach Angaben des Innenministeriums die katholischen Bistümer Mainz, Fulda und Limburg sowie die EKHN und die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck zuständig. Neben den Anlaufstellen der Kirchen gebe es auch noch organisationsinterne Angebote wie das Zentrum für polizeipsychologische Dienste und Services.