Mitten in der Nacht. Es ist viertel vor eins, als wir in dieser Nacht aufwachen. Doch es ist nicht das Baby, das weint. Kein Quengeln, keine Zähne, kein Bauchweh. Das Baby schläft wie gewohnt friedlich. Was haben wir ein Glück.
Wir sind wach, denn der Melder geht, die Sirene heult. Irgendjemand anderes hat gerade kein Glück. Irgendjemand anderes, den er nicht kennt, braucht Hilfe.
Ein kurzer, bestimmter Blick, ein Kuss und schon ist er – mehr schlecht als recht – angezogen und unterwegs zur Wache. Raus aus dem warmen Bett bei Frau und Tochter, rein ins kalte Auto in der feuchten Nacht. Wissend, es kann die ganze Nacht dauern. Wissend, wir werden diese Nacht beide eventuell nicht mehr schlafen, da ich mich sorge, bis er zurück ist. Hoffend, dass das Baby weiterschläft und von dem Aufruhr nicht geweckt wird. Hoffend, gleich rechtzeitig helfen zu können. Wissend, dass morgen die Arbeit trotzdem wartet ... und das wache Baby auch.
In dieser Nacht wird ein brennendes Wohnhaus gelöscht. Wo andere ihrem Instinkt folgen und flüchten würden, gehen sie rein, löschen, suchen Menschen; holen die Bewohner aus jeder Etage an die rettende Luft. Gegen halb 6 ist er zu Hause. Endlich. Wohlbehalten. Müde trinkt er einen Kaffee und erzählt in Ruhe, denn er hat noch circa eine Stunde, bis der Wecker sowieso klingeln würde. In anderen Nächten werden Verletzte aus Autos geschnitten, Industriehallen oder brennende Felder gelöscht, vermisste Menschen gesucht.
Als Frau nervt es manchmal. Ausgerechnet, wenn man einen Ausflug plant, geht der Melder. Ausgerechnet, wenn das Essen auf dem Tisch steht, geht der Melder. Ausgerechnet, wenn man Besuch erwartet, geht der Melder. Doch das heißt auch: Ausgerechnet dann, wenn ich das Glück habe, etwas Schönes zu planen, hat ein anderer gerade kein Glück. Und dann rennen sie los: Mein Mann, die vielen anderen Männer und Frauen bei der Feuerwehr Diez-Freiendiez. Freiwillig machen die das.
Und ich habe die selige Gewissheit: Habe auch ich einmal sonntags, feiertags, nachts kein Glück, sondern Pech und große Not, verlassen in anderen Schlafzimmern Feuerwehrfrauen und -männer ihre Familien, ihre warmen Betten, ihre Pläne und kommen. So schnell sie können.
Ich bin dann doch auch immer stolz auf ihn. Und euch allen so dankbar. Ja, danke. Mehr kann man an dieser Stelle eigentlich nicht sagen.
Kristin Welker