Limburg

120 Jahre Tilemannschule in Limburg: Ehemalige Schüler blicken zurück

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Im November 2007 setzten sich die Tilemannschüler in Limburg für den Verkaufsstand einer Bäckerei an ihrer Schule ein. Das Foto zeigt einige der Schüler bei der „Brot-Demo“ im Gespräch mit Schulleiterin Regine Eiser-Müller, die noch heute das Gymnasium leitet. Foto: Archiv Thomas Scholtysik

Ob eine Buspanne in Griechenland während einer Schülerfahrt, eine Schülerdemonstration für das Recht, weiterhin Brot in der Schule kaufen zu können, oder 3000 mit Wasser gefüllte Becher, die plötzlich im Lehrerzimmer stehen: Jeder hat besondere Erinnerungen an seine Schulzeit. Wir haben sechs frühere Tilemannschüler gefragt, woran sie gerne zurückdenken. Das Gymnasium am Schafsberg feiert am heutigen Dienstag sein 120-jähriges Bestehen.

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Den Festvortrag hält der Limburger Bürgermeister Dr. Marius Hahn (SPD), der sich ebenfalls an eine schöne Anekdote erinnert. An eine besondere Schulreise erinnert sich Dr. Klaus Valeske (60) aus Limburg-Linter; er ist Kinderherzchirurg an der Uni-Klinik in Gießen und vertritt die FDP als Fraktionsvorsitzender im Kreistag Limburg-Weilburg: „Eine meiner schönsten Erinnerungen an meine Schulzeit ist unsere Griechenlandfahrt 1978.

Organisiert von unserem Direktor Dr. Klaus Meyer und unterstützt von einigen Lehrern wie dem unvergessenen Heinrich Schmitt, „Black Henry“, verbrachten wir fast vier fantastische Wochen auf einer Busreise durch Griechenland. Besonders im Gedächtnis ist mir eine Buspanne nahe Larissa geblieben. Dr. Meyer als Altphilologe musste zwischen dem Hessisch/Deutsch sprechenden Busfahrer und dem Neugriechisch sprechenden Abschleppdienst übersetzen. Ich fand, dass das eigentlich ganz gut klappte, aber Dr. Meyer sagte nachher, dass das ganz schön schwierig gewesen sei, denn: ,Sokrates kannte einfach keinen Schraubenschlüssel.’“

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Der heutige Sprecher des Staatlichen Schulamts Weilburg, Dirk Fredl, als Schüler im Mai 1990 mit Schuldirektor Dieter Diefenbach.
Foto: Archiv Dirk Fredl

„Unser Abi-Streich im Jahr 1989 ist eine meiner schönsten Erinnerungen."

Das Beste in der Schule kommt immer zum Schluss, weiß Pascal Beekmann (54) aus Limburg; er ist Immobilienmakler und Vorsitzender des Ehemaligenvereins seiner Schule: „Unser Abi-Streich im Jahr 1989 ist eine meiner schönsten Erinnerungen an die Tilemannschule. Wir hatten einen Karikaturisten damit beauftragt, von unserem damaligen Schulleiter, Dieter Diefenbach, eine Karikatur anzufertigen. Die hat er dann lebensgroß an die Wand in dessen Büro gezeichnet. Der Höhepunkt war unsere Aktion im Lehrerzimmer: Wir hatten nachts 3000 mit Wasser gefüllte Becher auf dem Boden abgestellt. Am nächsten Morgen waren unsere Lehrer dann erst einmal damit beschäftigt, alle Becher auszuschütten; ich habe noch ein schönes Foto davon. Zu diesem besonderen Tag gehörte auch die ,Rocky-Horror-Picture-Show’, die Mitschüler auf einer Bühne aufgeführt haben.“

Es muss schon einen sehr guten Grund geben, warum ein Elzer Mädchen auf die Kirmes verzichtet. Anja Eisenbach (geborene Kahl, 39) hat vor 20 Jahren ihr Abitur an der Tilemannschule gemacht. Die Angestellte im Bewerbermanagement der R+V-Versicherung Wiesbaden, die noch immer in Elz wohnt, erinnert sich an ihre Abschlussfahrt in die Toskana im Jahr 2002: „Alles begann damit, dass unsere Tutoren (Bio- und Physik-Leistungskurs) versehentlich unsere Reise eine Woche früher als geplant gebucht hatten.

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Ob er damals schon wusste, dass er mal Bürgermeister von Limburg sein wird? Marius Hahn als Tilemannschüler.
Foto: Archiv Marius Hahn

Dementsprechend reisten wir während der regulären Schulzeit und nicht in der dafür vorgesehenen Projektwoche, wie der Rest des Jahrgangs. Am 13. September 2002 ging es los nach Bella Italia, genauer gesagt in die Toskana. Im Gegensatz zu den anderen Leistungskursen, die erst eine Woche nach uns starteten, hatten wir grandioses Strandwetter und wurden mit viel Sonnenschein belohnt. Der frühere Termin war allerdings für mich als Elzer Mädchen etwas unglücklich, da die Klassenfahrt nun über die Elzer Kirmes stattfand, bei der ich als künftiges Kirmesmädchen beim Einzug dabei gewesen wäre – aber mit Sommer, Sonne, Strand und ein wenig Alkohol konnte ich auch in Italien die Elzer Kirmeslieder anstimmen und somit etwas Kirmesflair nach Italien bringen.“

Demonstrieren will gelernt sein und braucht immer einen guten Grund – Christoph Sagebiel (35) arbeitet heute als Jurist in Frankfurt am Main und erinnert sich an folgendes Ereignis: „Im November 2007 war die Tilemannschule eine Baustelle. Ich war damals einer von zwei Schulsprechern und Zeuge eines handfesten Skandals, über den auch die regionale Presse berichtete: die ,Brot-Demo’. Entsprechende Beweise lassen sich in schlechter Bildqualität auf Youtube finden, was damals noch brandneu war. Was war geschehen?

Dr. Klaus Valeske (sitzend, 2. von rechts) als 15-Jähriger im Kreise seiner Mitschüler im 11. Schuljahr an der Tilemannschule Limburg. Das Foto entstand nach dem Griechenlandaufenthalt, an den er sich an dieser Stelle erinnert.  Foto: Archiv Dr. Klaus Valeske
Dr. Klaus Valeske (sitzend, 2. von rechts) als 15-Jähriger im Kreise seiner Mitschüler im 11. Schuljahr an der Tilemannschule Limburg. Das Foto entstand nach dem Griechenlandaufenthalt, an den er sich an dieser Stelle erinnert.
Foto: Archiv Dr. Klaus Valeske

Der Imbiss in der Pausenhalle, samt dem pünktlich zur dritten Stunde einsetzenden Alt-Fett-Geruch, sollte einem Neubau mit moderner Mensa und Bibliothek-Mediothek weichen. Ein regionaler Bäcker versorgte uns zunächst im Schulgebäude, später dann – wegen Platzmangel – auf dem Pausenhof aus einem Verkaufswagen heraus. Als aber der Bäcker den Verkaufswagen abziehen musste, um ihn anderswo einzusetzen, stand die Schülerschaft ohne Verpflegung da.

Erzürnt über den plötzlichen Wegfall der Verpflegungsmöglichkeiten in der Schule formte sich in der Schülerschaft ein regelrechter Aufstand. Bewaffnet mit Bannern, Schildern und Flugzetteln probte die Schülerschaft die Revolution. Mit dem Schlachtruf „Wir wollen Brot!“ und Spitzen gegen die Schulleiterin war an diesem Tag an Unterricht nicht mehr zu denken. Die Lehrer waren machtlos oder ließen uns machen. Auf einer eilig einberufenen Schülerratssitzung stellte sich die Schulleiterin den Vorwürfen. Als dann auch noch der Bäcker in die Versammlung platzte, wurde der Disput zwischen Schulleitung und Bäcker offen in einem Showdown ausgetragen. Letztlich ging es um schlechte Kommunikation, Brandschutz, Hygiene, fehlende Alternativen und eine gehörige Portion Dickköpfigkeit auf beiden Seiten. Kurz darauf durfte die Bäckerei wieder in der Pausenhalle verkaufen, direkt vor der Staubschleuse zur Baustelle, die von uns damals auch als Asbest-Schleuse bezeichnet wurde.“

Der Limburger Bürgermeister Dr. Marius Hahn (SPD) hält an seinem Schreibtisch die Satzung für das Haushaltsjahr 2023 in der Hand
Und so sieht er heute aus: der Limburger Bürgermeister Dr. Marius Hahn (SPD) in seinem Büro im Rathaus.
Foto: Stefan Dickmann

Der Bürgermeister von Limburg, Dr. Marius Hahn (SPD, 51), hatte es als Schüler faustdick hinter den Ohren: „Ich hatte in der elften Klasse den Eindruck, dass ein Lehrer die Klassenarbeiten nicht so intensiv korrigierte. Also beschloss ich, ein wenig – heute würde man es ,fake news’ nennen – in meine Klassenarbeit einzubauen. Daher zitierte ich den holländischen Philosophen Hjalmar B. (Name aus datenschutzrechtlichen Gründen abgekürzt), ein Schüler in der Parallelklasse.

Das wurde vom Lehrer anstandslos akzeptiert. Auf meinen Hinweis bei Rückgabe der Arbeit, dass sich der Gegenstand der Arbeit ja sehr gut mit den Thesen des holländischen Philosophen Hjalmar B. decken würde, bekam ich vom Lehrer zur Antwort, dass das sicherlich stimme, er aber noch nicht so viel von diesem Philosophen gelesen habe. Ab da waren alle Dämme gebrochen und es wurden in weiteren Klassenarbeiten von meinen Klassenkameraden und mir der norwegische Philosoph Ole Gunnar Fidjestøl (ein norwegischer Skispringer), der schwedische Philosoph K. Näkkebrôd sowie der österreichische Philosoph A. Loch zitiert – alles zu unserer großen Freude ohne Beanstandung.“

Von 1985 bis 1993 war ich in der Schülervertretung aktiv

Dirk Fredl

Heute spricht er für das Staatliche Schulamt in Weilburg, und schon als Tilemannschüler zeigte Dirk Fredl (49) aus Limburg, der auch CDU-Stadtverordneter ist, sein Organisationstalent: „Von 1985 bis 1993 war ich in der Schülervertretung aktiv, darunter vier Jahre als Schulsprecher. In dieser Zeit fanden die weit über die Grenzen der Region hinaus bekannten ,Tilemann-Feten’ statt – ein Musikevent, das jährlich mehr als 5000 Besucher auf den Schafsberg lockte.

Das Besondere: Die komplette Organisation und Durchführung lag in den Händen der Schülervertretung. Die Vorbereitung dauerte ein Jahr, in den Wochen vor der Fete war für uns Veranstalter an Unterricht nicht zu denken. Dafür haben wir in dieser Zeit viele Dinge gelernt, die für Ausbildung, Studium und Beruf mitunter bis heute überaus hilfreich sind. Und wir haben jährlich einen enormen fünfstelligen Gewinn erwirtschaftet, über dessen schulische Verwendung die Schülervertretung frei entscheiden konnte.

Auch viele Kontakte aus dieser außergewöhnlichen Zeit sind bestehen geblieben – und nicht selten werde ich bei Veranstaltungen noch heute mit dem Satz angesprochen: ,Du warst damals mein Schulsprecher.’ Als Schülervertretung haben wir natürlich nicht nur Schulfeste und Konzerte veranstaltet, sondern waren auch in Sachen (Bildungs-)Politik sehr engagiert. So haben wir nicht nur Ende der 1980er-Jahre die Mülltrennung in der Schule eingeführt, sondern auch Demonstrationen organisiert. Die größte Protestkundgebung fand am 22. September 1990 statt: Zu dieser Zeit fielen jahrelang massig Unterrichtsstunden aus, weil Lehrerstellen nicht besetzt wurden. Wir riefen die anderen Limburger Schulen auf, am Samstag nach (!) Unterrichtsschluss gegen die Bildungspolitik zu demonstrieren, texteten Protestsongs, entwarfen Transparente und Reden. Mehrere Tausend Schüler zählte der Demonstrationszug durch die Innenstadt.“ red