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Mittelrhein

Brücke: Verkehrsanalyse ist angelaufen

Von Volker Boch
Wohin kommen die Fahrzeuge, wohin geht die Reise und zu welchem Zweck? Zwei Interviewerinnen am linken und zwei weitere am rechten Rheinufer waren an der Autofähre Boppard im Einsatz, um die Verkehrsströme vor Ort zu analysieren.
Wohin kommen die Fahrzeuge, wohin geht die Reise und zu welchem Zweck? Zwei Interviewerinnen am linken und zwei weitere am rechten Rheinufer waren an der Autofähre Boppard im Einsatz, um die Verkehrsströme vor Ort zu analysieren. Foto: Suzanne Breitbach

Die ersten Planungsschritte hin zur Mittelrheinbrücke sind im Tal erkennbar. Im Zuge der Raumordnungsplanung hat der Landesbetrieb Mobilität (LBM) Rheinland-Pfalz die Verkehrserhebung beauftragt, die seit 10. April links und rechts des Rheins läuft und eine wesentliche Datengrundlage für das Raumordnungsverfahren darstellt. Die Vergabe des entsprechenden Auftrags im Februar war der erste konkrete Schritt in die Raumordnung, nachdem die politischen Diskussionen für einen monatelangen Verzug gesorgt hatten.

Lesezeit: 2 Minuten
Wie Joachim Winkler, Sprecher des für die Raumordnungsplanung zuständigen rheinland-pfälzischen Innenministeriums, erklärt, laufen parallel zur Verkehrserhebung auch die weiteren Schritte im Gesamtverfahren an. Die Beauftragung der für die Planung bedeutsamen Umweltverträglichkeitsstudie soll in den nächsten Wochen erfolgen. Im Rahmen dieser Untersuchung sollen mögliche Auswirkungen oder Beeinträchtigungen der geplanten Mittelrheinquerung auf ...
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So läuft die Verkehrserhebung genau ab

Mittelrhein. Seit Mitte April gibt es eine Verkehrserhebung zur Mittelrheinbrücke. Den konkreten Ablauf erläutert der Landesbetrieb Mobilität (LBM) Rheinland-Pfalz.

Wann hat die Verkehrserhebung begonnen?

Die Verkehrserhebungen haben bereits Anfang April 2019 begonnen, zunächst mit der rein zahlenmäßigen Erfassung des Verkehrs an rund 30 Knotenpunkten und Querschnitten auf beiden Seiten des Rheins. Hierzu werden mittlerweile Videosysteme eingesetzt. Die ersten Verkehrsbefragungen fanden am 10. April auf zwei Verbindungsstrecken zwischen der B 9 und dem Hunsrück/A 61 statt. Der Hauptanteil der Verkehrsbefragungen an insgesamt zwölf Verkehrsbefragungen im Straßennetz wird jetzt im Mai durchgeführt, ebenso die Befragungen an den Fähren Boppard, Sankt Goar und Kaub. Spätestens vor Beginn der Sommerferien werden auch die Fähren Lorch-Niederheimbach und Bingen-Rüdesheim erhoben worden sein.

Welcher Raum, welche Verkehrswege und welche Verkehrsmittel werden betrachtet?

Der eigentliche Planungsraum erstreckt sich auf den Bereich um die bereits in früheren Machbarkeitsstudien untersuchten Querungsvarianten zwischen Wellmich und Oberwesel. Hier sind die Verkehrsströme detaillierter zu erfassen. Unser Untersuchungsgebiet, das später im Verkehrsmodell abzubilden ist, reicht von Koblenz im Norden bis in den Raum Bingen– Mainz im Süden und erstreckt sich in Ost-West-Richtung etwa von Kastellaun–Simmern bis zur A 3 bei Idstein–Bad Camberg. Gezählt und befragt wird bei den derzeit laufenden Erhebungen zunächst der Individualverkehr, das heißt Kraftfahrzeuge aller Art und Größe sowie, insbesondere an den Fähren, auch Fußgänger und Radfahrer. Später werden in der Verkehrsuntersuchung auch die Angebote des öffentlichen Verkehrs einbezogen.

Was wird an Daten erhoben?

Gezählt werden an den Knotenpunkten und Querschnitten alle Fahrzeuge, unterschieden nach ihren Fahrtrichtungen – wie Geradeausfahrer, Abbieger, Einbieger – und nach den von der BASt (Bundesanstalt für Straßenwesen) vorgegebenen Fahrzeugarten. Alle Fahrzeuge werden von 6 bis 20 Uhr in Halbstunden-Intervallen erfasst, sodass sich später auch die Verkehrsstärken in ihrem zeitlichen Bezug im Tagesverlauf analysieren lassen. Bei den Befragungen wird nach der Quelle (Wo sind Sie zuletzt gestartet?) und dem Ziel (Wo werden Sie als nächstes halten?) der gerade durchgeführten Fahrt (bei Fußgängern des gerade durchgeführten Weges) gefragt. Dazu wird nach den Aktivitäten an den jeweiligen Orten gefragt, um den Fahrtzweck (auch Motiv oder Reisezweck) – ebenfalls im tageszeitlichen Zusammenhang ermitteln zu können – das ist wichtig für die spätere Modellierung. Solche Aktivitäten beziehungsweise Aktivitätsorte sind unter anderem die eigene Wohnung, der Arbeitsplatz, Dienstort, Einsatzort, die Schule oder anderweitige Ausbildungseinrichtung, Einkaufsmärkte, Arztpraxen, Rechtsanwälte, Freizeiteinrichtungen wie Kino, Theater, Schwimmbad, Sportplatz oder ähnliches. Es werden jedoch keine personen- oder fahrzeugbezogenen Daten erhoben.

Wer unternimmt die Erhebung?

Der Auftrag wurde im Wettbewerb an die PTV Transport Consult GmbH Karlsruhe vergeben. Sie hat in der Vergangenheit bereits an verschiedenen regionalen und nationalen Verkehrsmodellierungsprojekten mitgewirkt. Zu einem ihrer Tätigkeitsschwerpunkte zählte die technische Projektleitung und Weiterentwicklung des deutschlandweiten Verkehrsmodells Validate. Des Weiteren hat sie bei der Erstellung von mehreren landesweiten Verkehrsmodellen, unter anderem in Bayern und Hessen sowie an dem europäischen Verkehrsmodell TriMode mitgearbeitet. Darüber hinaus liegt ein weiterer Fokus auf dem Bereich des öffentlichen Verkehrs, wo sie an verschiedenen Projekten für die Deutsche Bahn, der ÖBB und BVG mitwirkte. Im Unterauftrag der PTV Transport Consult GmbH sind die Vertec Ingenieure Koblenz tätig, ein bereits seit vielen Jahren für den LBM tätiges Verkehrsplanungsbüro mit umfangreichen Erfahrungen in Verkehrserhebungen und einem hohen Maß an lokalem Bezug. Die beiden Büros haben bereits gemeinsam in 2017 die Aktualisierung des Verkehrsmodells Rheinland-Pfalz sowie dessen Umsetzung vorgenommen.

Bis wann laufen die Untersuchungen?

Der erste Erhebungsblock wird noch vor den Sommerferien abgeschlossen sein. Um die für eine Region, wie das Mittelrheintal mit traditionellem Weinanbau, typischen Verkehrsverhältnisse zu erfassen und mit berücksichtigen zu können, werden im Herbst in einem zweiten Erhebungsblock weitere Verkehrszählungen durchgeführt werden. Aufbauend auf den Verkehrserhebungen und weiteren Datengrundlagen wird eine umfassende Analyse des aktuellen Verkehrsgeschehens erstellt. Darauf aufbauend werden Prognoseberechnungen bis 2030/2035 durchgeführt, die dann auch in mehreren Planfällen die Auswirkungen der verschiedenen Querungsvarianten am Mittelrhein betrachten.

Wann soll die Auswertung der Daten abgeschlossen sein?

Der Verkehrsuntersuchung liegt ein anspruchsvoller Zeitplan zugrunde. Die Ergebnisse der Verkehrsuntersuchung bilden wesentliche Grundlagen für weitere Fachuntersuchungen für die Vorbereitung des Raumordnungsverfahrens, die zu Beginn des Jahres 2020 begonnen werden. Daher müssen die ersten belastbaren Ergebnisse der Verkehrsuntersuchung zu diesem Zeitpunkt vorliegen.

Die Fragen stellte Volker Boch

Fährbetreiber von Zählung nicht begeistert

Mittelrhein. Im Auftrag des Landesbetriebes Mobilität (LBM) Rheinland-Pfalz finden an unterschiedlichen Standorten und Tagen Verkehrsuntersuchungen auch an den Fähranlegern zur Mittelrheinquerung statt. Diese Ermittlung des Brückenverkehrs ist Bestandteil der Verkehrsstudie zum Raumordnungsverfahren.

Studenten befragen Autofahrer, Fußgänger, Rad- und Zweiradfahrer sowie die Lenker von Kleintransportern und Lkw an den Fähren. Gleichzeitig unterstützt Videotechnik unter strenger Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben der Datenschutzrichtlinien die Verkehrsbefragung. Die Fährbetreiber wurden mit einem Schreiben des Innenministeriums um ihre Unterstützung gebeten. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass einerseits die aktuell über den Rhein abgewickelten Verkehrsbeziehungen ermittelt werden sollen, um daraus bereits heute vorhandenes Verkehrspotenzial für eine feste Rheinquerung herleiten zu können. Andererseits soll herausgefunden werden, welche Verkehrsströme aufgrund ihrer räumlichen Ausrichtung und des Reisezwecks nicht für die feste Rheinquerung geeignet und daher auch weiterhin Fähren vorbehalten sind.

Vorab wurden die fünf Fährbetreiber (Bingen, Lorch, Kaub, St. Goar und Boppard) angeschrieben. In einer gemeinsamen Stellungnahme, die Anfang April an das Innenministerium gerichtet war, haben die Fährbetreiber mitgeteilt, dass sie eine Zählung auf der Fähre nicht dulden. „Im öffentlichen Raum haben wir keinerlei Bedenken. Eine kostenlose Beförderung der Interviewer wurde seitens des Ministeriums angeregt, womit wir auch nicht einverstanden waren“, sagt Oliver Pohl von der Bingen Rüdesheimer Fähr- und Schifffahrtsgesellschaft, der im Auftrag der fünf betroffenen Fähren am Mittelrhein einen Antwortbrief ans Innenministerium formuliert hat. Glücklich über die Verkehrserhebung ist kein Fährbetreiber am Mittelrhein, sie „dulden“ diese.

Ursprünglich sollte die Verkehrsbefragung auf den Fähren Boppard, St. Goar, Kaub, Lorch und Bingen stattfinden. Dazu hatte das Innenministerium alle Fährbetreiber zwischen Boppard und Bingen angeschrieben. „Alle Fährbetreiber haben sich dagegen gestellt. Wir konnten erreichen, dass die Verkehrserhebung nicht auf der Fähre stattfindet. Im Uferbereich haben die Mitarbeiter des beauftragten Ingenieurbüros zwischenzeitlich ihre Arbeit aufgenommen. Für mich ist der Zeitpunkt der Verkehrsbefragung sehr unglücklich. In Koblenz herrscht derzeit das Brückenchaos. Normalerweise ist zu dieser Jahreszeit noch nicht so viel los. Wir haben momentan mehr zu tun als sonst, wir profitieren vom Stau auf der Südbrücke und transportieren mehr Berufspendler“, sagt Tony Deleu von der Bopparder Autofähre.

An der Autofähre Boppard haben am Dienstagmorgen um 6 Uhr zwei Interviewerinnen ihre Arbeit aufgenommen. Sie tragen Warnwesten und haben ein Klemmbrett mit einem Fragenkatalog zur Hand. Sie tragen die Antworten der Fährbenutzer in die vorbereiteten Formulare ein. Ein langer Tag liegt vor ihnen, bis 19 Uhr werden die Verkehrsströme untersucht. Ein weiteres „Befragungspaar“ hat parallel am rechten Rheinufer die Arbeit aufgenommen und befragt die Pendler nach ihren Fahrtzielen.

An der Fährauffahrt ist an einem Schilderpfosten abseits der Fahrbahn und außerhalb der Reichweite durch Personen eine Kamera montiert, die von 6 bis 20 Uhr die Verkehrsströme aufnimmt. Diese Kamera ärgert Fährbetreiber Tony Deleu von der Autofähre Boppard besonders. „Bei der Durchführung der Videoerfassung wird durch die Festlegung des Bildausschnitts und der geringen Auflösung darauf geachtet, dass weder die im Fahrzeug befindlichen Personen noch die Autokennzeichen erkennbar sind. Auch Fußgänger, die den Bereich queren, sind nicht erkennbar“, heißt es zur Sicherung des Datenschutzes in einem Brief des beauftragten Ingenieurbüros Vertec aus Koblenz. Dieser ging an den LBM, die Polizeiinspektionen Boppard und St. Goarshausen, die betroffenen Verbandsgemeindeverwaltungen sowie die Stadt Boppard und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Bingen.

Wie das LBM Koblenz mitteilt, haben sich bundesweit inzwischen videogestützte Verkehrszählungen nicht nur unter Kostengesichtspunkten als Alternative etabliert. Der Aufwand für die Rekrutierung des Zählpersonals vor Ort entfällt, Zählungen sind flexibler und kurzfristig durchführbar. Die Erfassung erfolgt auch ohne Eingriff in den Verkehrsablauf, es erfolgt in der Regel keine Ablenkung der Verkehrsteilnehmer. Videozählungen stellen damit kein Risiko für die Sicherheit des Verkehrsablaufs dar. Die Auswertung der Videoaufzeichnungen erfolgt am PC/Bildschirm durch geschultes Personal.

Der Herbst ist stark touristisch geprägt. Dann soll es eine zweite Verkehrsbefragung geben. „Wir wollen mit einer zweiten Untersuchung im Herbst Unterschiede feststellen, die Verkehrsbelastung und Verteilung untersuchen“, sagt Heiko Finger, LBM-Fachgruppenleiter Verkehrs- und Bedarfsplanung.

Von unserer Reporterin Suzanne Breitbach

Volker Boch zum Start der Brücken-Studien

Endlich geht es um Sachthemen

Monatelang wurde heftig über die Mittelrheinbrücke gestritten. Nicht immer ging es dabei mit großer Sachlichkeit zu – manchmal stand die Mittelrheinbrücke als Verkehrs- und Infrastrukturelement viel weniger im Mittelpunkt der Debatte als manche politische Eitelkeit. Mit dem Beginn der Untersuchungen zur Raumordnungsplanung stehen nun (endlich) wieder Sachthemen im Blickpunkt.

In den kommenden gut zwei Jahren ist dem Verfahren zu wünschen, dass es mit fachlicher Perspektive und sachlicher Betrachtung zielgerichtet vorangetrieben wird und die Störfeuer aus- oder klein bleiben. Ob die Brücke sein muss und ob sie der Bürger am Ende via des Säckels von Bund oder Land oder eben zweier Landkreise finanzieren soll, sind Fragen, die sicher wieder aufkommen – zumal 2021 ein neuer Landtag gewählt wird und dann die ein oder andere Partei ein Interesse daran haben könnte, die Brücke (und deren Finanzierung) zu thematisieren.

Fest steht unabhängig von dieser ohne Zweifel erneut aufkommenden Debatte, dass die große Mehrheit auf beiden Seiten des Mittelrheins die Querung genauso will wie die Politik und die Brücke eine hohe Bedeutung für Wirtschaft, Gesellschaft und für überregionale Leuchtturmprojekte wie die Buga sowie den Tourismus insgesamt hat. Wenn die Ergebnisse aller nötigen Gutachten vorliegen, muss es konkret an die Umsetzung gehen. Politisches Geplänkel gab es zur Brücke schon mehr als genug.

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