Kreis Birkenfeld

Kreisverwaltung Birkenfeld verhängt Betretungsverbot – Geldbußen bis zu 25.000 Euro drohen

Von  Stefan Conradt
Die Edelsteinklinik in Bruchweiler könnte zur Corona-Notklinik werden.  Foto: Reiner Drumm
Die Edelsteinklinik in Bruchweiler könnte zur Corona-Notklinik werden. Foto: Reiner Drumm

Der Landkreis Birkenfeld hat als eine der ersten Kommunen in Rheinland-Pfalz mit Wirkung Montagmorgen, 0 Uhr, eine Allgemeinverfügung über ein „Betretungsverbot für öffentliche Orte“ zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus verfügt. Sie betrifft alle öffentlichen Flächen, Straßen und Wege, Plätze und öffentliche Parkanlagen und gilt erst einmal bis 6. April, 24 Uhr.

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Ausgenommen sind Betretungen, die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum, zum Zwecke von medizinischen, psychotherapeutischen oder vergleichbaren Heilbehandlungen erforderlich sind, der Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen dienen oder die zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich sind.

Friseure müssen nicht schließen

Dazu zählt der Einkauf von Lebensmittel, in Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Reinigungen, Waschsalons, Zeitungs- und Hofläden, Raiffeisen-, Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte und der Großhandel. Der Betrieb von Friseurgeschäften ist weiter erlaubt. Das Ordnungsamt Idar-Oberstein hatte am Freitag fälschlicherweise damit begonnen, die Schließung der Friseurbetriebe anzuordnen.

Auch wer zur Arbeit fährt, Kinder in die Notbetreuung bringen oder mit dem Hund Gassi gehen muss, ist ausgenommen. Ebenso ist der Familienspaziergang nicht verboten: zu zweit, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren ist das Betretungsverbot laut Anordnung ausgesetzt.

Bei der „Inanspruchnahme der Ausnahmen“ ist sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Abstand von mindestens 1,50 Metern zu Mitmenschen eingehalten wird. Auch die Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs ist für die Ausnahmefälle möglich, wobei auch hier ein Abstand von mindestens 1,50 Metern gegenüber anderen Personen einzuhalten ist. Bei Kontrollen durch die Polizei und die kommunalen Vollzugsdienste sind die Gründe, warum eine Betretung zulässig ist, glaubhaft zu machen. Bei Verstößen gegen Regelungen dieser Verfügung wird die Anwendung von unmittelbarem Zwang angedroht. Ordnungswidrigkeiten im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes können mit Geldbußen bis zu 25 000 Euro geahndet werden.

Noch immer viele Menschenmengen anzutreffen

Als Begründung führt Landrat Matthias Schneider unter anderem an, dass der Nationalparklandkreis einen weit überdurchschnittlichen Anteil älterer Menschen aufweist, welche bei einer Infizierung in der Regel mit schweren Krankheitsverläufen bis hin zur Todesfolge zu rechnen haben: „Insbesondere auch zu deren Schutz sind geeignete Maßnahmen zu treffen.“

Die Kreisverwaltung weiter: „Nach derzeitiger Lage steigen die Infektionszahlen weiter stark an. Im Nationalparklandkreis Birkenfeld sind trotz aller bisherigen beschränkenden Maßnahmen Menschen rege unterwegs. Wenngleich die bisher getroffenen Maßnahmen zu spürbaren Veränderungen im öffentlichen Leben und damit zu einer Reduzierung von sozialen Kontakten geführt haben, erscheinen nach wie vor die Sensibilität und das entsprechende Handeln in Teilen der Bevölkerung nicht angemessen ausgeprägt: Zahlreiche Beobachtungen von Menschenansammlungen auf öffentlichen Plätzen sowie Berichte über private Feiern, Ausgehverhalten und Vergleichbares bis hin zu Corona-Partys belegen diese in Teilen der Bevölkerung bislang ungenügende Sensibilisierung.“ Das Frühlingswetter der vergangenen Tage habe mit viel Sonnenschein und frühsommerlichen Temperaturen verstärkt zu Aktivitäten im Freien verleitet. „Ob die Menschen sich gezielt zusammenfinden (gemeinsame Absicht) oder zufällig aufeinandertreffen, ist aus Sicht des Infektionsschutzes unerheblich“, sagt die Kreisverwaltung. „Bei solchen Begegnungen besteht die erheblich erhöhte Gefahr, dass das Corona­Virus übertragen und damit in der Bevölkerung weiter verbreitet wird.“

Obwohl sich derzeit laut Gesundheitsamt noch kein über die Planbetten der Krankenhäuser hinausgehender Bedarf abzeichnet, hat sich die Kreisverwaltung intensiv mit der Schaffung zusätzlicher Kapazitäten befasst. Gespräche mit der Leitung der Edelsteinklinik Bruchweiler ergaben, dass die Deutsche Rentenversicherung als Träger im Notfall das ganze Gebäude mit weit über 100 Betten und Turnhalle zur Verfügung stellt.

Notklinik in Bruchweiler geplant

Sobald die Landesregierung die Notwendigkeit sieht, besteht die Möglichkeit, neben der modernen Ausstattung auch auf das medizinische Fachpersonal zurückzugreifen – aus Sicht des Krisenstabs der Kreisverwaltung eine optimale Lösung für ein Hilfskrankenhaus. Nicht infrage kommen für das Gesundheitsministerium Provisorien außerhalb der bestehenden Kliniken, berichtet die Kreisverwaltung. So hatte der Idar-Obersteiner OB Frank Frühauf auch die Messe Idar-Oberstein für einen solchen Zweck ins Spiel gebracht. sc/red

Allein am Freitag zehn neue bestätigte Corona-Fälle im Landkreis Birkenfeld

Schon in der ersten Woche nach dem Auftreten des ersten Corona-Falls im Landkreis Birkenfeld am Montag scheint die Lage bereits zu eskalieren: Am Freitagabend meldete das Gesundheitsamt Idar-Oberstein zehn neue positive Befunde – sie verteilen sich jeweils zur Hälfte auf Reiserückkehrer aus Ischgl und Kontaktpersonen der ersten fünf Corona-Patienten aus dem Kreis. Die Altersspanne reicht von 30 bis 60 Jahre. Alle zehn neu hinzugekommenen positiven Proben resultieren aus den ersten Fieberambulanz-Touren am Dienstag, die insgesamt 24 Abstriche umfassten. In stationärer Behandlung befindet sich nur der am Donnerstag positiv getestete 66-Jährige aus Idar-Oberstein.

Für rund 80 Personen ordnete das Gesundheitsamt am Freitag häusliche Quarantäne an, die somit jetzt für mehr als 380 Kreiseinwohner gilt. Doch nicht jeder von ihnen hält sich an die Auflage, die eigenen vier Wände nicht zu verlassen. Dann droht eine Zwangseinweisung ins Krankenhaus, wobei die Betroffenen die Kosten des stationären Aufenthalts selbst zu tragen haben, betont das Gesundheitsamt. sc/red

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