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Koblenz

Firmen warnen vor Klimanotstand: Unternehmen fürchten negative Folgen für Koblenz

Von Jan Lindner
Koblenzer Firmen wie die Debeka sind besorgt.
Koblenzer Firmen wie die Debeka sind besorgt. Foto: Sascha Ditscher

Einige der namhaftesten und größten Koblenzer Arbeitgeber machen mobil gegen einen möglichen Klimanotstand in Koblenz. Debeka, Compugroup, ZF, Sparkasse und Canyon haben am Standort rund 9700 Arbeitsplätze. Wird auch für Koblenz der Klimanotstand verhängt, befürchten die Großarbeitgeber negative Folgen für den hiesigen Wirtschaftsstandort und warnen vor einem Schnellschuss, wie sie gegenüber der RZ sagten.

Lesezeit: 2 Minuten
Mehr als 50 deutsche Städte haben bereits den Klimanotstand ausgerufen. Ende September könnte es auch in Koblenz so weit sein: Dann könnte im Stadtrat eine Mehrheit von Grünen, SPD und Linken dafür sorgen, dass auch hier der Klimanotstand ausgerufen wird. Die genauen Auswirkungen sind noch unklar. Debeka-Vorstandschef Thomas Brahm schließt jedenfalls ...
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Klimanotstand für Koblenz? Firmenbosse warnen vor Schnellschüssen

Koblenz. Klimaschutz und Nachhaltigkeit ja, aber keine Schnellschüsse: Das ist stark verkürzt die Forderung von Koblenzer Großarbeitgebern wie Debeka, Compu-group, ZF, Canyon und Sparkasse an die Politik beim Thema Klimanotstand. Ende September, in der nächsten Stadtratssitzung, könnte dieser auch für Koblenz ausgerufen werden. Im Rat haben die Antragsteller von Grünen, SPD und Linken eine Mehrheit.

Thomas Brahm
Thomas Brahm
Foto: Debeka

Gegenüber der RZ haben sich die Vorstandschefs der fünf Großarbeitgeber ausführlich zur Klimanotstands-Debatte in Koblenz geäußert. Debeka-Vorstandschef Thomas Brahm sagt: „Es ist nachvollziehbar und richtig, dass sich alle politischen, gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Entscheidungsträger mit wirksamen Maßnahmen gegen den Klimawandel befassen.“ Allerdings schränkt er ein: „Ob Klimanotstände, die nur in einzelnen Städten und nicht flächendeckend ausgerufen werden, der richtige Weg sind, daran habe ich Zweifel.“

Mit dem Ausrufen eines Klimanotstands sieht Brahm mehrere Fragen verknüpft: Was bedeuten die Maßnahmen eines Klimanotstands, etwa die Forderung nach der Einsparung von zehn Prozent der CO2-Emissionen, konkret? Wie verbindlich sind die festgelegten Ziele? Was passiert, wenn sie verfehlt werden? Welche Mehrkosten entstehen für die Stadt, und wie werden diese Mehrkosten finanziert? Welche Auswirkungen hat ein Klimanotstand auf den Wirtschaftsstandort Koblenz und die Unternehmen als Gewerbesteuerzahler? Er fordert: „Diese Fragen müssen im Vorfeld gründlich in den Blick genommen werden.“

Welche Konsequenzen ein Klimanotstand konkret für die Debeka hätte, kann er „heute überhaupt nicht abschätzen. Selbst die Stadt kennt die konkreten Auswirkungen für sich selbst ja noch nicht.“ Er geht aber fest davon aus, dass das neue Hochhaus an der Hauptverwaltung, das derzeit entsteht, von einem Klimanotstand in Koblenz nicht betroffen wäre. Denn, sagt Brahm, „wir halten ohnehin hohe energetische Standards ein“.

Vom Koblenzer Stadtrat wünscht er sich eine „besonnene und keine aktionistische Herangehensweise an dieses wichtige Thema“. Es gehe um verlässliche Rahmenbedingungen, die allen Beteiligten und damit auch der Koblenzer Wirtschaft gegeben werden müssten. Brahm: „Deshalb eine gründliche Abschätzung der Folgen und bitte keinen Schnellschuss.“

Frank Gotthardt
Frank Gotthardt
Foto: CGM

Für Frank Gotthardt, Vorstandschef der Compugroup Medical SE (CGM), ist das Ausrufen des Klimanotstands zunächst ein „symbolischer Akt“, der auf die Dringlichkeit hinweisen soll, Klimaschutz ernst zu nehmen. Gotthardt sagt aber: „Wenn man die Problematik zu Ende denkt, stellt man fest, dass sich die Politik mit dem Akt des Ausrufens des Klimanotstands ihrer eigenen Entscheidungsfreiheit beraubt.“ Denn dann könne es sein, dass die Stadt wegen des auferlegten Notstands die Mobilität reduzieren, den Besuch von Touristen einschränken oder den Bau von Wohnungen ablehnen müsse. Dies hätte auch direkte Auswirkungen auf Fachkräfte, die die Softwarefirma mit anderen Unternehmen für Koblenz als Lebensmittelpunkt begeistern will.

Er betont, dass die Compugroup bei allen Neubauten wie dem geplanten neuen CGM-Tower und Erweiterungen in Koblenz auch prüft, wie die Firma nachhaltig und umweltbewusst bauen und modernisieren könne. Das Thema Energieeffizienz sei schon aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnenswert. Ob die Compugroup bei einem Klimanotstand künftig mit Mehrkosten rechnen muss, kann Gotthardt noch nicht sagen: „Es weiß heute keiner, wie etwa zweckpolitische Gruppierungen, Verbände oder Gerichte auf der unsicheren rechtlichen Basis mit dem Thema umgehen werden.“

Der CGM-Chef ist überzeugt: „Letztlich werden wir Klimaschutz nur durch technologische Innovationen noch wirksamer machen können.“ Dazu brauche es klare gesetzliche Regelungen, staatliche Leitplanken und Anreize. Wer einen Gegensatz zwischen Klimaschutz und wirtschaftlich erfolgreichem Handeln mit Wachstum sehe, der denke zu kurz.

Gotthardt: „Diese Haltung sehen wir aber auch nicht im Koblenzer Stadtrat. Wenn dieser aktive Klimapolitik betreiben will, wäre es vielleicht besser, eine klare und starke umweltpolitische Agenda zu formulieren, als durch die nicht kalkulierbaren Effekte des Ausrufs eines Klimanotstands schlimmstenfalls viele sinnvolle Aktivitäten zu blockieren oder gar im Keim zu ersticken.“

Matthias Nester
Matthias Nester
Foto: Sparkasse Koblenz

Matthias Nester, Vorstandschef der Sparkasse Koblenz, sieht es kritisch, den „,Klimanotstand' lokal für Koblenz auszurufen. Denn der Auftrag, sorgsam mit Umwelt und Natur umzugehen, gilt für uns alle, global und zeitgleich.“ Andererseits schaffe der Begriff Klimanotstand ein Dogma: „Die aktuelle gesellschaftliche Situation verlangt aber ein Klima der offenen Diskussion um innovative Ideen und Lösungen.“ Dem steht ein Postulat „Klimanotstand“ entgegen. Der Sparkassen-Chef meint: „Nur einen ,Notstand' auszurufen, hat keine große Wirkung. Es müssen Vorschläge und konkrete Ideen entwickelt und umgesetzt werden.“

Vorteilhafter sieht er das Ziel, „gemeinsam alles dafür zu tun, eine bis 2035 CO²-neutrale Region zu sein“. Er hätte daher Verständnis für Firmen und Privatpersonen, wenn diese nicht mehr in Städten investieren würden, in denen ein Klimanotstand ausgerufen worden sei – aus Sorge vor regulatorischen Beschränkungen über gesetzliche Anforderungen hinaus.

Nester begrüßt eine Politik mit Augenmaß, „die positiv bewertet, was in den letzten Jahrzehnten für den Umwelt- und Klimaschutz in Deutschland und unserer Region erreicht wurde“. Er nennt den Wohnungsbau als Beispiel für deutliche Energieeinsparungen. Gerade mittelständische Firmen würden sich vorbildlich für die Umweltpolitik engagieren und vielfach den CO2-Ausstoß verringern. Er weiß aber auch: „Selbstverständlich sind wir hier noch nicht am Ende. Es bedarf weiterer Anstrengungen, um den Klimaschutz voranzutreiben.“

Manfred Meyer
Manfred Meyer
Foto: Michael Jordan

Manfred Meyer, Leiter Engineering des Geschäftsfelds Aktive Sicherheit, Bremssysteme & Lenkungssysteme bei der ZF Friedrichshafen AG, macht klar: „Die weltwirtschaftlichen Entwicklungen mit hohem Kostendruck treffen auch den Standort Koblenz. Daher wird die Wettbewerbsfähigkeit wichtiger denn je für den Erhalt der Beschäftigung.“

Das eher weich formulierte Ziel eines Klimanotstands werde von jedem kommunalen Parlament anders interpretiert. Die Debatte darüber sei grundsätzlich gut, dürfe aber nicht zu langwierigeren Entscheidungsfindungen oder gar Entscheidungsblockaden führen.

Ob dadurch Nachteile für den Wirtschaftsstandort Koblenz entstehen, kann Meyer derzeit noch nicht genau abschätzen. Er sagt aber: „Eine deutliche Verteuerung der Produktionskosten wäre mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Produktionsstandorte schädlich und würde die Beschäftigung am Standort Koblenz gefährden. Wenn die Kunden dort günstiger kaufen, wo geringere Klimastandards gelten, ist dem Klima nicht geholfen, dafür aber der Beschäftigung geschadet.“

Lothar Arnold
Lothar Arnold
Foto: Stefan Simak

Lothar Arnold, einer von drei Canyon-Geschäftsführern und Finanzchef, sagt: „Das Ausrufen des Klimanotstands hat nur einen Symbolcharakter. Es braucht eher klare Initiativen, die gemeinschaftlich von Politik, Wirtschaft und den Bürgern erarbeitet und umgesetzt werden, als drastische Formulierungen.“ Auch er befürchtet, dass Koblenz wegen eines Klimanotstand an Attraktivität als Lebensmittelpunkt verlieren könnte und der Fahrradhersteller es schwerer hätte, Fachkräfte zu gewinnen.

Koblenz habe wie viele Kommunen große Potenziale bei ÖPNV, „Park and Ride“-Parkplätzen, E-Mobilität, energetischer Gebäudesanierung und dort auch Handlungsbedarf. Arnold fordert: „Es müssen hier alle mit ins Boot geholt werden, wenn es um Entwicklung gemeinschaftlicher Strategien zur Verbesserung der Klimasituation geht.“ Jan Lindner

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