Nürnberg

Stadt, Land, Fluss auf Fränkisch: Von Nürnberg durchs Tal der Pegnitz

Von Dirk Eberz
Natur pur: Eine Kanutour über die Pegnitz ist eine entschleunigende Möglichkeit, um Franken zu entdecken. Das Flüsschen verbindet die Stadt Nürnberg mit seinem Umland.
Natur pur: Eine Kanutour über die Pegnitz ist eine entschleunigende Möglichkeit, um Franken zu entdecken. Das Flüsschen verbindet die Stadt Nürnberg mit seinem Umland. Foto: Dirk Eberz

Von der alten Reichsstadt mit ihrer prächtigen Burg und den vielen Museen ist es nur ein Katzensprung bis ins Knoblauchsland – dem Gemüsegarten der Region. Eine kulinarische Reise entlang der Pegnitz.

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Der Garten von Margit Lemberger ist eine Oase der Ruhe. Den 300 Jahre alten Fischbeck-Hof im fränkischen Vorra umweht ein Hauch von Bullerbü. Bis vor wenigen Monaten konnten Familien hier sogar noch im Heu schlafen. „Das haben besonders die Kinder geliebt“, sagt die Chefin. Ferien auf dem Bauernhof. Geblieben sind zwei zottelige Esel, die ihr Gnadenbrot genießen, und gackernde Hühner. Dazwischen bimmeln die Glöckchen der Ziegen. In Käfigen mümmeln dicke Kaninchen vor sich hin.

Unter einem knorrigen Baum hat Margit Lemberger für ihre Gäste so ziemlich alles aufgetischt, was sich aus den Angusrindern vom eigenen Hof machen lässt. Deftigen Schinken, zarte Filets, Steaks. Und Bratwürste natürlich, die in Franken unter „Broodweschd“ firmieren. Bei Lembergers gibt's nicht die gerade mal fingerdicken Nürnberger, sondern Rindswürste zum Sattwerden. „Praktischerweise ist mein Sohn Metzger“, sagt die Kräuterpädagogin, die dazu eine erfrischende Holunderlimonade serviert.

Paddeltour auf der idyllischen Pegnitz

Selbst gemacht. Gleich hinter dem Geräteschuppen plätschert die Pegnitz. Das Flüsschen ist an dieser Stelle gerade mal so tief, dass die Kanufahrer, die uns zuwinken, mit unterschiedlichem Geschick auf ihr paddeln können. An diesem heißen Sommertag spendet das dichte Laubdach der Bäume willkommenen Schatten.

Auf Trampelpfaden und Waldwegen führt uns Margit Lemberger zu ihrer Alm, die sie in Franken „Hutanger“ nennen. Zwischendurch pflückt die Kräuterpädagogin Heil- und Nutzpflanzen vom Wegesrand, die sie zu Getränken und Pasten verarbeitet. Beim Jakobskreuzkraut rät sie hingegen zur Vorsicht. „Das ist sehr giftig“, warnt sie. „Auch für Rinder.“ Die haben denn auch auf der knochentrockenen Weide auf 400 Meter Höhe sicherheitshalber zentimetergenau um die tückischen Korbblütler drumherumgegrast. Jetzt döst die Herde träge am Waldrand. Nur die Kälbchen recken ihre Hälse neugierig zu den Besuchern. Gibt aber nichts. „Zugefüttert wird nicht“, sagt Margit Lemberger. Dafür haben die Tiere einen gesegneten Durst. „Pro Tag saufen sie gut 80 Liter Wasser.“

Wolfsrudel in den Wäldern

Angusrinder sind hart gesotten. Sie können theoretisch das ganze Jahr über draußen bleiben. Die Harmonie trüben eigentlich nur Zuwanderer aus dem Osten. Wölfe. „Am Hohenstein lebt ein Rudel“, sagt Margit Lemberger. Also quasi um die Ecke. „Einzeltiere sind kein großes Problem. Dann bilden die erwachsenen Tiere einen Ring um die Kälber“, betont Margit Lemberger. Bei einem Rudel sieht das anders aus. „Dann bleiben die Tiere traumatisiert zurück.“

Wildes Franken. Hutanger wie in Vorra gab es früher überall im Nürnberger Land. Hersbruck gilt dabei als Zentrum der Kuhhirtenkultur. Per Zug sind es 20 gemütliche Minuten durch das romantische Pegnitztal in das mittelalterliche Städtchen. Stadtführerin Katja Rinck empfängt uns im Hirtenmuseum, das nicht sonderlich spektakulär, aber dafür einzigartig ist. Zumindest in Deutschland. „Jeder Bürger durfte früher nur fünf Kühe haben“, erklärt Katja Rinck. Die trieb dann der Hirte vor die Tore der Stadt an die Ufer der Pegnitz.

Die Idylle, die das Bild im Foyer des Museums vermittelt, trügt. Bis zu 500 Tiere mussten Hirten im Auge haben. Notfalls mit Peitsche oder einer Melodie auf dem fränkischen Langhorn. „Wenn er das nicht beherrschte, hatte er von Tuten und Blasen keine Ahnung“, erklärt Katja Rinck die Redensart. In Hersbruck hingegen schätzte man seine Hirten. Das kleine Häuschen, in dem sie wohnten, kann man immer noch besichtigen. Bezahlt wurden die Männer in Naturalien. „Pro Kalb gab's ein Laib Brot und ein Pfund Butter“, sagt Katja Rinck. Denn so ganz nebenbei fungierten die Hirten auch als Tierärzte. Ein einsames und hartes Leben, von dem sich Touristen in dem kleinen Museum ein Bild machen können.

Abends treffen sich die Hersbrucker im Café Bauer. Es ist eines der letzten alten Wirtshäuser, die es in dem 12.000-Einwohner-Städtchen noch gibt. Im urigen Biergarten gibt's auch das traditionelle Schäuferla – knuspriger Schweinebraten aus der Schulter. Und natürlich „Broodweschd“. Deftige Küche mit Zutaten aus der Region, die in Franken unter dem Motto „Heimat auf den Tisch“ steht.

Weit fahren müssen sie dafür auch in Nürnberg nicht. Aus dem Stadtzentrum sind es gerade mal ein paar Stationen mit U-Bahn und Tram bis ins Knoblauchsland. Stadtführerin Carmen Machmuridis-Lösch holt uns mit dem Fahrrad zu einer Tour durch den 2300 Hektar großen Gemüsegarten ab, dessen eher unrühmliche Ursprünge bis weit ins Mittelalter zurückreichen. Damals entsorgten die Nürnberger ihre Notdurft im Umland, die dann quasi zu Dünger veredelt wurde. „Und bei 30.000 Einwohnern kam da so einiges zusammen“, sagt die Gästeführerin.

„Was mich am Knoblauchsland so fasziniert, ist, dass dort die Zeit scheinbar stehen geblieben ist“

Das ist heute natürlich anders. Inmitten der endlosen Felder steigt den Radlern der Geruch von Lauch und Zwiebeln in die Nase. Der Knoblauch ist schon abgeerntet. Daneben reihen sich Sellerie, Rhabarber und Rüben aneinander. Dutzende Trecker sind auf den Feldern unterwegs. Rund 200 landwirtschaftliche Betriebe haben sämtliche Strukturwandel überlebt. „Was mich am Knoblauchsland so fasziniert, ist, dass dort die Zeit scheinbar stehen geblieben ist“, sagt Carmen Machmuridis-Lösch. „So ähnlich muss es auch vor Jahrhunderten ausgesehen haben.“

Nicht ganz. Denn mittlerweile werden im Nürnberger Land Erdbeeren auch in Gewächshäusern angebaut, die man in Automaten ziehen kann – für stolze 5 Euro das Schälchen. Und spätestens der Nürnberger Flughafen, der aus dichten Rübenfeldern erwächst, holt uns in die Gegenwart zurück.

Von Dirk Eberz