Die Malediven: Paradies voller Widersprüche

Azurblaues Meer, weißer Sandstrand, meterhohe Kokosnusspalmen: Das Eiland Hadahaa im Indischen Ozean ist eine Insel zum Träumen. So klein, dass sie in 15 Minuten umrundet ist. So tropisch, dass fast jeden Tag die Sonne scheint. So abgeschieden, dass Robinson-Crusoe-Gefühle aufkommen. Aber auch so teuer, dass die wenigsten dort urlauben können – oder wollen.

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Von unserem Redakteur Hartmut Wagner

Hadahaa ist eine der 1196 Inseln der Malediven. Sie besteht nur aus einem Hotel, dem Nobelresort Park Hyatt – eine Übernachtung kostet dort mindestens 500 Euro, eine Platte mit Meeresfrüchten 200 Euro, die teuerste Flasche Wein 2000 Euro. Es ist ein Extrembeispiel für den Luxustourismus auf den Malediven. Luxustourismus in einem streng islamischen und obendrein bettelarmen Land.

Ein Land mit Sonderzonen für nicht islamische Touristen

Die Vereinten Nationen messen den Wohlstand eines Landes mit dem sogenannten Index für menschliche Entwicklung. Die Malediven belegten 2013 unter den 187 bewerteten Staaten den 103. Platz, gemeinsam mit Turkmenistan und der Mongolei. Deutschland rangierte auf dem vierten Platz.

Wer auf die Malediven reist, erlebt ein Land voller Widersprüche. Ein Land, dessen Staatsreligion der Islam ist, dessen Wirtschaftskraft aber derart vom Geld nicht islamischer Touristen abhängt, dass es sein Territorium in zwei Zonen teilt. Einerseits die streng islamische Hauptstadt Malé – in Bars gibt es dort keinen Alkohol, in Restaurants kein Schweinefleisch, am Strand herrscht Bikiniverbot. Andererseits die liberalen Luxusresorts. Wenn die Touristen dort ihre Villen beziehen, ist der Schampus bereits kaltgestellt, die Minibar gut bestückt, mit Wodka, Wein und Bier. Frauen baden im Bikini, Restaurants servieren selbstverständlich Schweinefleisch.

19 Kilometer oder 35 Schnellboot-Minuten von der Hauptstadt Malé entfernt. Hotelchef Torsten Richter (42) sitzt an einem sonnigen Sonntagmorgen auf der Picknickinsel des Anantara Dhigu, saugt mit einem Strohhalm das Wasser aus einer Kokosnuss – und berichtet von seinem Weinkeller: „Unser Lager hat einen Wert von 1,5 Millionen Dollar.“ Der Badener erzählt, dass er seinen Gästen künftig Mauerbergriesling in Bocksbeuteln anbieten will. Dass Großfamilien sich an Weihnachten nicht selten Champagner für 100 000 Dollar kommen lassen. Und dass ein saudischer Prinz im Frühjahr 2014 wochenlang das ganze Hotel mietete, ebenso die beiden angrenzenden.

Die Hauptattraktion der Malediven ist der Indische Ozean. Wer das Meer bisher hauptsächlich als ebene Fläche wahrnahm, kann hier mit Schnorchel und Taucherbrille die Unterwasserwelt erkunden. Die Korallenriffe sind Heimat unzähliger Fischarten, kleiner und großer, gestreifter und gezackter, giftgrüner oder feuerroter. Clownfische nesteln dort an Anemonen, Schwärme von Barracudas ziehen vorbei, daneben Büschelbarsche, Einhorn- und Papageifische.

Auch Anfänger können diese Pracht erkunden, aber nicht jeder hat den Mut dazu. Denn an den Riffen tummeln sich meterlange Haie, Riffhaie mit schwarzer Flossenspitze, Ammenhaie mit spitzer Rückenflosse. Sie gelten für Menschen als ungefährlich, aber es sind Raubfische.

Viele Hotels auf den Malediven haben Überwasservillen, luxuriöse Appartements direkt im Meer – ähnlich wie hier das Anantara Dhigu.
Viele Hotels auf den Malediven haben Überwasservillen, luxuriöse Appartements direkt im Meer – ähnlich wie hier das Anantara Dhigu.
Foto: Anantara

Seit sich die Republik Malediven im Jahr 1972 für Touristen aus aller Welt öffnete, haben dort viele Luxus-Hotelketten ihre Dependancen errichtet. Nicht nur Hyatt und Anantara, auch Four Seasons, Sheraton, Hilton oder Lux. Sie bieten ihren Gästen meist Villen am Strand mit individuellem Zugang zum Meer oder Villen, die direkt im Wasser stehen. Diese Überwasservillen ermöglichen einen einzigartigen Blick auf den Indischen Ozean, von der Terrasse, aus dem Bett oder der Badewanne.

Luxusurlauber und Einheimische kommen selten in Kontakt

Die Hotels stehen auf kleinen Inseln – Hotelinseln, die mit dem Rest der Malediven wenig gemein haben. Einheimische betreten sie höchstens zum Arbeiten. Die Luxusurlauber bleiben unter sich. Besonders viele kommen aus China, Deutschland, Großbritannien, Russland und Frankreich.

Die Republik Malediven zählt heute zu den teuersten Urlaubsregionen der Welt. Der Schweizer Armando Kraenzlin nennt einen der Gründe: „Die Baukosten! Sie sind hier einfach immens.“ Der 53-Jährige leitet das Four Seasons auf der Insel Landaa Giraavaru, die man von Malé per Wasserflugzeug erreicht. Er sitzt abends im luftigen Hemd an der Lagune seines Hotels, ordert ein Glas Aperol Spritz und schildert, wie hier vor zehn Jahren aus einer unbewohnten Insel eine Insel mit Nobelresort wurde, wie Arbeiter Dutzende Villen hochzogen, Restaurants und Wohlfühloasen errichteten. Eine Großbaustelle im Indischen Ozean, fernab vom Rest der Welt.

Der Tourismus auf den Malediven boomt seit Jahren. Ein Ende ist nicht in Sicht. Derzeit werden laut der maledivischen Regierung 101 Hotels errichtet, weitere 60 sind in Planung (Stand: Ende 2014). Auch auf der kleinen Insel Hadahaa soll noch mal gebaut werden. Es gibt Pläne, am Ende des langen Stegs mit Wasservillen eine Art Präsidentensuite zu bauen. Eine Übernachtung soll 20 000 Dollar kosten.