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Unterwegs in Prag: Einmal Barock und wieder zurück

Von Celina de Cuveland
In den Barrandov Filmstudios in Prag können Besucher auf Anfrage historische Kleidungsstücke anprobieren und sich darin fotografieren lassen.
In den Barrandov Filmstudios in Prag können Besucher auf Anfrage historische Kleidungsstücke anprobieren und sich darin fotografieren lassen. Foto: Barrandov Studios

Barrandov Filmstudios in Prag sind für ihre Requisite berühmt – „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ wurde dort gedreht. Unsere Reporterin hat den Rollenwechsel gewagt und sich in ungewöhnliche Schale geworfen.

Lesezeit: 4 Minuten
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Ich passe nicht mehr durch die Tür. Verzweifelt stecke ich im Türrahmen fest, rudere mit den Armen, versuche es erneut – ohne Erfolg. Wirklich peinlich, dass mir dieses Missgeschick ausgerechnet in den Barrandov Studios in Prag, einem der größten und ältesten Filmstudios in Europa, passieren muss. Schließlich drehe ich mich ein wenig, pfropfe seitlich durch die Tür. Innerlich verfluche ich das hübsche Barockkleid mit frühlingshaftem Blumenmuster und den vielen Rüschen an den Ärmeln. Der Reifrock verbreitert meine Hüften um üppige 50 Zentimeter. Wie die Damen wohl früher einen Raum betreten haben? Vermutlich mit viel Geduld. Die habe ich inzwischen nicht mehr.

Im Fundus der Barrandov-Studios finden sich viele antike Originalstücke.

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Ein bisschen sieht es in dem Fundus der Barrandov-Studios aus wie in einem asiatischen Shop.

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Ein bisschen sieht es in dem Fundus der Barrandov-Studios aus wie in einem asiatischen Shop.

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Diese Teddybären warten auf ihren Einsatz im nächsten Film.

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Lampen stapeln sich bis unter die Decke.

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Tausende Schuhe aus viele Jahrhunderten: Ausgetretene, neue und löchrige Paare stehen in den Regalen.

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Ein Mitabeiter des Fundus hilft uns, in die barocken Kleider zu schlüpfen.

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Quer passt man in den pompösen Röcken durch keinen genormten Türrahmen.

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Korsett schnüren will gelernt sein!

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Blick von der Karlsbrücke im Zentrum Prags.

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Möwen füttern auf der Karlsbrücke.

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Die Prager Burg thront über den Vierteln der Stadt.

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Der große Saal im Schloss Troja täuscht das Auge des Betrachters: Obwohl der Saal rechteckig gebaut wurde, wirkt es durch die Malerein, als wölbe sich eine Kuppel über die Wände.

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Das Palais Lobkowicz – hier verkündete der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher 1989 auf dem Gartenbalkon die Ausreisemöglichkeit für rund 4000 DDR-Flüchtlinge.

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Das Moldauufer im Zentrum Prags.

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Das barocke Schloss Troja beeindruckt mit seiner Prunktreppe.

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Blick auf Prag von der Prager Burg aus.

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Es hat schon knapp eine Stunde gedauert, bis meine Mitreisenden und ich in unseren barocken Kostümen steckten. Immerhin mussten wir uns aber nicht allein mit den metallischen Unterbauten und Korsagen herumschlagen. Ein Angestellter des Kostümfundus der Filmstudios schnürte uns in Reifröcke, zupfte Schleppen und rückte Hüte zurecht. Besonders bei den Männern wurde die Anprobe zur Geduldsprobe, denn die feinen barocken Socken wollten einfach nicht auf die strammen Waden passen. Trotzdem: Für die Bilder, die ein Fotograf von uns barocker Picknicktruppe schoss, hat sich der Aufwand allemal gelohnt.

Wieso haben wir nun diesen ganzen Kinderkostümzirkus mitgemacht? Ganz einfach: Weil die Barrandov Studios für ihren gigantischen Originalmöbel- und Originalkleidungsfundus bekannt sind. Mehr als 500.000 Sofas, Schminktische, Stühle, Spiegel und Gemälde sind auf mehreren Etagen fein säuberlich nach Nummern sortiert untergebracht. Von Zeit zu Zeit werden sie ein Gebäude weiter in großen Studios in eine Kulisse gestellt oder sogar weltweit an andere Filmstudios zu Produktionszwecken ausgeliehen.

Inspiriert von der US-amerikanischen Filmindustrie wurden die Barrandov Studios in den 30er-Jahren gegründet. In den Barrandov Studios wurden Filme wie „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, „James Bond 007: Casino Royale“, „Die Spiegel Affäre“, „Oliver Twist“ und „Mission Impossible“ gedreht. Derzeit laufen dort die Produktionen für „Genius“, eine US-amerikanische Produktion, „Knightfall“, eine US-amerikanische Fernsehserie, „Himmel und Hölle“, ein historischer Film über Martin Luther, und „Die Ketzerbraut“, ebenfalls ein historischer Film. Insgesamt sind dort in den vergangenen 85 Jahren rund 2500 Filme gedreht worden.

Die Filmstudios sind in unterschiedlichen Gebäuden untergebracht. Unspektakulär anmutende lange Flure trennen Maske und Studios voneinander. Nur vereinzelt vorbeieilende Schauspieler in historischen Kostümen und der Blick durch eine offen stehende Tür verraten, dass sich in den Räumen links und rechts des Flurs eine eigene Welt verbirgt. Die Räume sind so hoch, dass die Struktur der Decke vor den Augen des Betrachters zu einer dunklen Masse verschwimmt. Schließlich müssen in diesen Räumen ganze Straßenzüge, Paläste und Landschaften entstehen.

Die rund 150 Festangestellten der Barrandov Studios, die sich um Kostüme, Haare, Make-up und Kulisse kümmern, sind einige der Besten in diesen Bereichen. „Wir leihen sie auch an andere Filmstudios und an Filmsets aus“, erklärt Vera Krátká, Leiterin des Kostümfundus und der Requisite. „Wir sind hier wie ein Familienbetrieb. Unsere Mitarbeiter geben ihre Berufe oft an ihre Kinder weiter.“

Die Studios verfügen über einen kleinen Ausstellungsbereich mit vielen Informationen rund um die Produktion, der individuell ohne weitere Absprache besichtigt werden kann. Eine Führung durch die Studios und den Kostümfundus mit Anprobe alter Kostüme muss im Voraus angemeldet werden. Führungen auf Deutsch gibt es nicht, Rundgänge auf Englisch werden regelmäßig angeboten.

In dem Gebäude, in dem ich nicht durch die Tür passte, sind die Kostüme und die Requisiten untergebracht. Dort herrscht reges Treiben. Die ersten Stücke für die Produktion von „Himmel und Hölle“ werden mit Klebezetteln reserviert und zum Transport ans Set fertiggemacht. In meterhohen Regalen stapeln sich Tausende Paare abgenutzter Schuhe, Reifröcke hängen unter der Decke, im Fundus geht es zu wie in einem Asia-Markt. Bronzestatuen stehen neben Spiegeln mit Goldrand, Sammeltassen stapeln sich neben einem Tigerfell. Haufenweise werden die Requisiten für den nächsten Dreh in Einkaufswagen mit orange leuchtendem Plastikgriff gepackt. „Das Gemälde der Mona Lisa befindet sich fünfmal in unserem Besitz“, sagt Krátká und schmunzelt. „Wir hoffen, dass eines das Original ist.“

Original ist auf jeden Fall der Teil der Kostüme aus dem Filmklassiker „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, der in den öffentlichen Ausstellungsräumen in einer Vitrine drei Schneiderpuppen ziert. Und Originale sind auch die barocken Kleider, die meine Kollegen und ich für das Foto tragen durften. Inzwischen sind wir froh, sie wieder los zu sein. Das Verkleiden hat zwar irre Spaß gemacht und uns in unsere Kindheit zurückversetzt, aber das problemlose Passieren von Türrahmen und das tiefe Aufatmen, nachdem das Korsett aufgeschnürt wurde, sind mir mehr wert als ein adrettes Aussehen.

Weitere Infos zu den Studios gibt es auf Englisch im Internet unter www.barrandov.cz/en. Wenn Sie diesen Artikel mit der RZplus-App scannen, finden Sie weitere Bilder und Informationen.

Von unserer Reporterin
Celina de Cuveland

Wissenswertes für Reisende

Anreise: Germanwings und Eurowings fliegen Prag als Direktflug vom Flughafen Köln/Bonn aus an, und von Frankfurt aus bieten Lufthansa, Czech Airlines, Airberlin und Icelandair Direktflüge an. Beste Reisezeit: Prag hat zu jeder Jahreszeit etwas zu bieten.

Unsere Ausflugstipps:

  • Beim Mozart-Dinner im Grand Hotel Bohemia der „Kleinen Nachtmusik“ lauschen und geschmorte Ochsenbäckchen genießen (mozartdinner.cz/ boccaccio-ballroom).
  • Im barocken Prachtstück „Schloss Troja“ beeindruckt vor allem der Kaisersaal mit einem großen Deckenfresco (http://en.ghmp.cz/ troja-chateau)
  • Hinter dem Motto „Geheimnisvolle Passagen in der Prager Altstadt“ verbirgt sich eine zweistündige Führung mit vielen Anekdoten und Legenden. Das Deutsch der Fremdenführerin ist holprig, aber die Gespenster, die man trifft, begeistern nicht nur die kleinen Urlauber (muzeumpovesti.cz).

Unsere Autorin ist gereist mit Eurowings und hat übernachtet im Andel's by Vienna House Prague. Diese Reise wurde unterstützt von Czech Tourism.

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