Im Zuckerrohr: Das Reich der Voodoogläubigen
Von unserer Reporterin Silke Bauer
Sie kommen aus Haiti, dem erdbebenerschütterten Land, mit dem sich die Dominikanische Republik die Insel Hispaniola teilt. Manche Familien leben schon seit Generationen dort. Sie verrichten die Arbeiten, die die Einheimischen nicht übernehmen wollen. „Es geht ihnen hier schlecht, aber besser als in Haiti“, sagt Norbert, während der Bus immer tiefer in das grüne Meer abtaucht.
100 Prozent Voodoo
Wir sind auf dem Weg zu Edward, einem Schamanen, der weißen Voodoo praktiziert, einen religiösen Kult, den afrikanische Sklaven einst in die Karibik brachten. Zu 90 Prozent katholisch, aber zu 100 Prozent Voodoo sind die Dominikaner, erzählt Norbert und fuchtelt mit einer kleinen durchsichtigen Plastikflasche, in der eine klare Flüssigkeit schwappt. Als er den Plastikverschluss aufdreht, breitet sich im Bus ein süßlicher, beißender Geruch aus. Kleren heißt der selbst fabrizierte hochprozentige Zuckerrohrschnaps, den Norbert vorhin für umgerechnet 2 Euro auf dem Markt in Higüey gekauft hat. Er ist ein Geschenk für Edward. Hoffentlich wird er davon nicht blind, denke ich. Der Fahrer hält schließlich an einer Hütte an. Die grüne Farbe blättert von den Wänden. Hier lebt der 32-jährige Edward mit seiner Frau und den drei Kindern. Doch bevor es in die Hütte geht, macht sich bei einigen Reiseteilnehmern die Blase bemerkbar. Eine Haitianerin führt uns zu einem kleinen Holzschuppen, dessen Tür sich nicht abschließen lässt, und stellt sich mit einem Eimer Wasser in Position. Die Spülung ist kaputt, und es gibt kein Toilettenpapier. Die Kollegen haben immer welches in der Hosentasche, das sie bereitwillig teilen. Anders als die Dominikaner, deren Muttersprache Spanisch ist, sprechen die Haitianer Kreol, eine Sklavensprache, die auf dem Französischen basiert. „Parlez-vous français?“, frage ich die Frau mit dem Wassereimer und lächele sie an. Sie verzieht keine Miene.
Norbert biegt um die Ecke, er wird langsam ungeduldig. „Schnell, schnell“, drängt er und scheucht uns in Edwards Voodoohütte. Hier drinnen ist es schummrig, die Augen müssen sich erst an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnen. Von den Wänden starren uns Loa an, Voodoogeister in der Gestalt von Heiligen. Edward soll uns segnen und die Geister bitten, uns Gesundheit zu schenken.
Wir nehmen auf Stühlen Platz, und auf der anderen Seite des Raums beginnen ein paar Männer, zu trommeln und zu singen. Nun betritt Edward die Hütte, ein großer, schlanker Mann mit schwarzem Kopftuch, langem Mantel und grimmigem Gesichtsausdruck. Er stellt sich in die Mitte des Raums, bekreuzigt sich und eröffnet die Zeremonie, die rund eine Stunde dauern wird. Das beherrschende Element ist Feuer. Edward gibt alles, wirbelt mit brennenden Gefäßen im Kreis herum, springt mit nackten Füßen in die Flammen, spuckt mithilfe des Zuckerrohrschnapses Feuer. Dann beginnt das Reinigungsritual. Der Schamane macht mit einer Schale Wasser die Runde, und wir tauchen die Hände hinein. Edward nebelt uns mit grauem Holzkohlerauch ein, der in Nase und Hals kratzt. Dann segnet er uns, indem er mit den Händen über unsere Arme streicht. Zum Abschluss bindet er jedem ein buntes Armband ans Handgelenk. Die Trommler werden indes immer lauter, ihr Gesang dröhnt in den Ohren, und die Hitze in der Hütte ist inzwischen kaum noch zu ertragen. Und genau in dem Moment, als all diese Eindrücke nicht mehr zu steigern sind, kehrt auf einen Schlag Ruhe ein.
Überstürzter Aufbruch
Die Zeremonie ist vorbei. „Bitte aufstehen, raus aus der Hütte“, ruft Norbert, der es plötzlich wieder sehr eilig hat. Wen oder was Edward und seine Männer nun eigentlich heraufbeschworen haben, das weiß niemand so genau. Tradition oder Touristenspektakel? Für Fragen bleibt jedenfalls keine Zeit, Norbert scheucht uns zurück in Richtung Bus. Dort ist in der Zwischenzeit eine kleine Menschentraube entstanden. „Rein in den Bus, schnell, schnell “, ruft Norbert, und wir gehorchen, wenn auch ein wenig irritiert. An den Fenstern tauchen Kinder auf, die uns die Handflächen entgegenstrecken. Sie blicken genauso ernst drein wie die Erwachsenen.
Wir fahren los, und Norbert weicht den Fragen aus. Betont gut gelaunt, verteilt er Becher mit Rum und Cola. An den Fenstern ziehen die Hütten vorbei. Wir lassen die Menschen auf ihren Plastikstühlen und die streunenden Hunde hinter uns. Der Fahrer drückt aufs Gaspedal, schaukelnd bahnt sich der Bus seinen Weg zurück. Und wenn man die Augen schließt, dann ist es fast so, als wäre er ein Boot und die wogenden Felder ein echtes grünes Meer und nicht die Twilight Zone, das Reich der Zuckerrohrmenschen, in das sich niemand einfach so verirrt.
Die Karibik hat noch mehr zu bieten als Voodoozauber. Ein fotografischer Streifzug durch die Dominikanische Republik:
Im Zuckerrohrgebiet in der Provinz La Altagracia leben die Haitianer.
Karsten-Thilo Raab
Sie sprechen kein Spanisch, sondern Haitianisches Kreol und sie glauben an die Loa, Vodoogeister, die in der Gestalt von katholischen Heiligen auftreten.
Karsten-Thilo Raab
Vor der Zeremonie haben die Helfer des Schamanen diverse Vorbereitungen getroffen. Voodoopuppen mit Nadeln, wie man sie aus Büchern und Filmen kennt, sind aber keine zu sehen.
Karsten-Thilo Raab
Schamane Edward praktiziert weißen, keinen schwarzen Voodoo. Er ist während der Zeremonie hoch konzentriert. Er bittet die Loa um Gesundheit für die Besuchergruppe.
Karsten-Thilo Raab
Bei der Zeremonie geht es heiß her. Edward benutzt den Zuckerrohrschnaps Kleren unter anderem zum Feuerspucken.
Karsten-Thilo Raab
In der Hütte herrschen gefühlt mindestens 50 Grad.
Karsten-Thilo Raab
Die Menschen im Zuckerrohr leben unter ärmlichsten Bedingungen. Sie bleiben gern unter sich. Rassismus ist auch in der Dominikanischen Republik ein aktuelles Thema.
Silke Bauer
Doch ein langsamer Wandel ist zu erkennen. Im Zuckerrohr gibt es inzwischen Schulen, in denen die Kinder Spanisch lernen.
Silke Bauer
Überall gibt es überall Straßenhunde und streunende Katzen. Besucher sollten sich vorsichthalber gegen Tollwut impfen lassen.
Silke Bauer
In Punta Cana, der beliebtesten Urlaubsregion an der Ostküste, pulsiert das Leben. Isabel und Coral sind Tänzerinnen und genießen den Nachmittag, bevor sie am Abend wieder arbeiten müssen. Wie viele junge dominikanische Frauen tragen sie Haarnetze, die ihre Flechtfrisuren bis zum Abend in Form halten.
Silke Bauer
Mofas sind äußerst beliebt. Einen Führerschein besitzt aber kaum einer. Der rasante Fahrstil ist gewöhnungsbedürftig. Die Dominikaner montieren die Seitenspiegel ab, sie gelten als nicht schick.
Silke Bauer
Der Großteil der Menschen in der Dominikanischen Republik ist herzlich und offen. Für ein Schwätzchen oder einen Schnappschuss ist immer Zeit.
Silke Bauer
Ein wenig Schatten schadet nicht. Doch in der tropischen Hitze bleibt einem schon mal der Hintern am Plastikstuhl kleben.
Silke Bauer
Überall findet man Freiduras, kleine Garküchen, in denen vor allem die Einheimischen essen. Die Backpackerweisheit „Heat it, peel it or leave it!“ hat ihre Berechtigung und bedeutet, dass man Speisen in tropischen Ländern nur gut erhitzt oder geschält essen sollte.
Silke Bauer
Die Dominikaner essen gern kalorienreich. In so gut wie jedem Restaurant gibt es Empanadas, frittierte und herzhaft gefüllte Teigtaschen.
Silke Bauer
Im Restaurant Delicia de Bavaro in Punta Cana gibt es typische einheimische Gerichte. Mafongo – gestampfte und frittierte Kochbanane – ist sehr beliebt und wird mit Hühnchen, Rindfleisch ...
Silke Bauer
... oder Shrimps gegessen. Dazu serviert man traditionell Reis und rote Bohnen.
Silke Bauer
Beim Car Wash treffen sich die Einheimischen ...
Silke Bauer
... doch hier werden nicht nur Autos gewaschen.
Silke Bauer
Während die Dominikaner auf ihr sauberes Auto warten, trinken sie gern ein Fläschen des Nationalbiers Presidente.
Silke Bauer
Auch Friseursalons mit kombiniertem Nagelstudio gehören zum Gelände. Die dominikanischen Frauen legen großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Und anders als in deutschen Friseursalons wird in der Karibik während der Arbeit ganz nebenbei gesungen und getanzt.
Silke Bauer
Diese junge Frau wird für den Abend schick gemacht. Mit ihrem dunklen Haar widersetzt sie sich dem aktuellen Blondierungstrend.
Silke Bauer
Friseurin Fior wartet auf neue Kunden.
Silke Bauer
Ein wenig ruhiger als beim Car Wash geht es in La Otra Banda in der Provinz Monseñor Nouel zu. Diese Finca gehört der Familie Rivera.
Silke Bauer
Die Riveras bauen Kaffee und Kakao an. Auf dem Bild ist eine Kakaoschote zu sehen.
Silke Bauer
Das Fruchtfleisch der Kakaoschote kann roh gegessen werden.
Silke Bauer
Señor Rivera präsentiert einen seiner beiden Kampfhähne. Der Besuch von Hahnenkämpfen gehört zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen der dominikanischen Männer.
Silke Bauer
Tierschutz ist in der Dominikanischen Republik Fehlanzeige. Auf dem Markt in Higüey werden Hühner zusammengepfercht in Käfigen gehalten. Ohne Wasser.
Silke Bauer
Auf dem Markt herrscht reges Treiben.
Silke Bauer
Impressionen vom Markt
Silke Bauer
Impressionen vom Markt
Silke Bauer
Impressionen vom Markt
Silke Bauer
Impressionen vom Markt
Silke Bauer
Impressionen vom Markt
Silke Bauer
Die traumhaften Strände, das türkisfarbene Meer und das entspannte Hotelflair locken Urlauber aus der ganzen Welt an die Ostküste der Dominikanischen Republik. Die romantische Kulisse wird gern für Hochzeiten oder Flitterwochen genutzt.
Silke Bauer
Am Abend kommt eine leichte Brise am Strand gerade recht.
Silke Bauer
Das Karibische Meer ist selbst bei bewölktem Himmel ein schöner Anblick.
Silke Bauer