Bloß kein Stress: Alles im Fluss

Einfach mal einen Gang zurückschalten und runterkommen: Mit dem Hausboot geht's im Schritttempo über Frankreichs Kanäle und Flüsse. Den Tagesplan bestimmt jeder selbst.
Einfach mal einen Gang zurückschalten und runterkommen: Mit dem Hausboot geht's im Schritttempo über Frankreichs Kanäle und Flüsse. Den Tagesplan bestimmt jeder selbst. Foto: Erich Spiegelhalter

Der Regen prasselt schräg auf uns herab. Auf dem mitternächtlichen Spaziergang nach einem ausgiebigen Abendessen haben wir uns in dicke Jacken gemummelt. Eigentlich wollen alle nur noch in die warmen Kojen unseres Hausboots, das wir einige Stunden zuvor stolz eingeparkt und am Ufer vertäut haben. Doch jetzt liegt die „Louhans“ quer im Kanal.

Lesezeit: 5 Minuten
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Von unserem Redakteur Dirk Eberz

Betretenes Schweigen bei denen, die das Seil eher unfachmännisch um die Halterung am Schiff gewurschtelt haben. Hat sich da etwa ein Knoten gelöst? Nein. Kapitän Eric von Locaboat Holidays zeigt auf den Riesenhering, den es aus dem aufgeweichten Boden gerissen hat. „Zum Glück hat der vorn gehalten“, sagt er. „Sonst könnten wir jetzt das Boot suchen gehen.“ Hausbootfahren kann eben mitunter ein kleines Abenteuer sein.

Wir holen unsere Taschenlampen von Bord, die die stockfinstere Nacht in ein schummriges Licht tauchen. Eric wirft das Seil an Land. „Ziehen!“ Das tonnenschwere Boot bewegt sich zunächst keinen Zentimeter. Erst nach einigem Zerren gleitet es langsam ans Ufer. Diesmal rammt Eric den Hering tiefer in den Boden. Und auch beim Knoten bessert der Experte vorsichtshalber nach.

Flugs wird die Toilette zur Dusche

Klatschnass geht's in die Kabinen. Umso wohltuender ist die heiße Dusche in dem kleinen Bad, das an jede der erstaunlich geräumigen Doppelkabinen grenzt. Gut ein Quadratmeter reine Funktionalität. Brause raus, Vorhang vor die Kabinentür ziehen und schon wird die Toilette zur Duschkabine. Draußen quaken die Frösche. Ein Storch ist mitten auf dem Kanal gelandet. Heile Welt. Naturidylle pur. Regentropfen trommeln aufs Kabinendach. Schmatzend klatscht das Wasser gegen die Bordwand und wiegt uns in den Schlaf.

Morgens weckt uns der Geruch von frischem Kaffee, den Eric ganz altmodisch mit Filter aufgebrüht hat. Dazu gibt's duftende Croissants und das obligatorische Stangenweißbrot. Der Kapitän hat eine Karte der französischen Region Burgund auf dem Frühstückstisch ausgebreitet, auf dem er uns zeigt, welchen Weg wir heute auf dem Canal du Centre bei St.-Léger-sur-Dheune zurücklegen werden. Uns erwartet die erste Schleuse. Ein Hausbootfahrer hat ein Tor mal so dermaßen demoliert, dass der Verkehr auf dem Kanal lange eingestellt werden musste, warnt uns Eric. „Es dauerte ein Jahr, bis alles repariert war“, erinnert er sich. „Ein Riesenschaden.“

Navigieren für Anfänger

Wir belassen es bei unserer Premiere jedoch dabei, beim Einfahren ein, zwei Mal die Schleusenmauer zu rammen. Navigieren ist für Anfänger nämlich erst mal gar nicht leicht. Das Steuer schlägt spät an. Schnell hat man überdreht. Aber die Schleuse bleibt heil. Nur ein Fender, der die Stöße abfängt, verabschiedet sich mit einem lauten Knall. Zwei Besatzungsmitglieder müssen jetzt Seile über Poller werfen, um das Boot zu fixieren, das langsam im gurgelnden Wasser fünf Meter absinkt. „Immer sachte Seil nachgeben“, sagt Eric. „Auf keinen Fall um die Hand wickeln.“

Wasser hat gewaltige Kräfte, wie wir gleich sehen werden. Das Boot zerrt an den Seilen, als sich die Tore öffnen und Wellen reinschwappen. Eine wirft das Boot nach hinten. Der Steuermann muss den Hebel jetzt nach vorn legen, um gegenzusteuern: volle Kraft voraus. Der Schleusenwärter, der uns mit dem Auto nachgefahren ist, ist sauer. Wir brauchen einfach zu lange. Nur einmal muss er grinsen, als wir verzweifelt versuchen, die Seile von den Pollern zu lösen. Als Lassowerfer taugt keiner. Dann öffnet sich das Tor. Geschafft. Die erste Schleuse haben wir hinter uns. Was Eric erst jetzt sagt: „Es kommen noch zehn – hintereinander.“ Und jetzt öffnen sich auch am Himmel alle Schleusen. „Das ist ideal für Familien mit Kindern“, weiß Eric aus Erfahrung. „Wenn schlechtes Wetter ist, haben sie immer was zu tun. Da kommt erst gar keine Langeweile auf.“ Der Himmel reißt auf. Die Sonne kommt wieder raus. Mit maximal acht Kilometern pro Stunde tuckern wir durch Burgund. Fahrradfahrer überholen uns. Manchmal sogar Jogger. Aber das ist egal. Hausbootfahren entschleunigt. Entspannt. Links und rechts ziehen gelbe Rapsfelder vorbei. Von saftiggrünen Wiesen gaffen uns weiße Kühe an. Wir ducken uns unter Brücken weg, winken anderen Hausbootfahrern zu, die uns entgegenkommen. Einmal müssen wir einem schweren Lastkahn ausweichen. „Die haben auf dem Kanal immer Vorfahrt“, erklärt uns Eric.

Hier sind die Netze von Spinnen

Dann machen wir halt im Weingut Prosper Maufoux in Santenay. Loic Riboteau führt uns hinab in den jahrhundertealten Gewölbekeller. „Hat jemand Angst vor Spinnen?“, fragt er vorsorglich. Deren Netze hängen überall von der Decke herab. Ein modriger Geruch steigt in die Nase. Die Luft ist kühl und feucht. Ideale Bedingungen für den Wein, der hier unten in riesigen Barriquefässern lagert.

„Das hier ist 43 000 Euro wert“, sagt Riboteau. Ein Grand Cru. Eine Toplage, die bis zu 1 Million Euro pro Hektar bringt, betont der Winzer. Zum Vergleich: Die ebenen Anbaugebiete bringen es gerade mal auf 40 000 Euro. „Da stehen die Reben im Matsch“, sagt Riboteau. Viel Wasser. Auf den wenigen Höhelagen mit Grand Cru müssen sie ihre Wurzeln hingegen bis zu zwölf Meter in den Kalkstein schlagen. „Ein guter Wein muss leiden“, erklärt der Winzer.

Liebe vergeht, Hektar besteht

Deren Besitzer nicht, wie ihre Villen bezeugen. Und so gibt's auch keinen Nachwuchsmangel in der Branche. „Das ist für uns ein Privileg.“ Ein höchst lukratives dazu. Und ein gutes Argument auf dem Heiratsmarkt. „Für meine Mutter war die einzige Tochter eines Winzers mit Gran-Cru-Lage die Claudia Schiffer im Dorf“, scherzt Riboteau. Nicht ganz so hübsch, dafür aber steinreich. Der Traum der Mutter platzt. „Sonst wäre ich jetzt sicher nicht hier.“

Abends legen wir in Couches an. Wenden in drei Zügen. Es können auch fünf gewesen sein. Dann klopfen Robert und Jedde an. Ein dänisches Ehepaar, das neben uns festgemacht hat. Sie bringen Rotwein, Steaks und Salat mit. Eric kennt sie auch nur vom Sehen. „Aber das ist unter Hausbootfahrern normal“, sagt der Kapitän, der ein Pilzomelette zum Abendessen beisteuert. Auch das macht den Reiz eines Hausbooturlaubs aus.

Mehr Informationen zur Region gibt es im Internet beim Fremdenverkehrsamt Burgund unter www.bourgogne-tourime.com

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Wissenswertes für Reisende:

Anreise: Die Lufthansa fliegt mehrmals täglich von Frankfurt nach Lyon. Vom Flughafen ist es noch gut eine Stunde im Auto oder im Zug bis Chalon-sur-Saône. Für eine Anreise per Auto etwa ab Koblenz sollte man mindestens sechs Stunden einplanen, mit dem Zug mindestens sieben bei mehrmaligem Umsteigen.

Zielgruppe: Ein Urlaub im Hausboot ist ideal für Familien geeignet, die in der Natur entspannen wollen. Auch Gruppen von bis zu acht Personen finden bequem Platz. Beste Reisezeit: Die Hausbootsaison beginnt meist im März und endet im Oktober. Im Frühjahr und Herbst sind die Preise dabei wesentlich günstiger als im Sommer. Abends kann es in der Nebensaison aber ziemlich frisch sein.

Unsere Ausflugstipps:

  • Im Schloss von Couches gibt ein Burgfräulein Einblick in die Geschichte von Burgund.
  • Winzer bieten entlang der Fahrtstrecken Weinproben an. Etwa Prosper Maufoux in Santenay
  • Besichtigung des Städtchens Chalon-sur-Saône

Unser Autor ist gereist mit Lufthansa und hat auf einem Hausboot von Locaboat übernachtet. Diese Reise wurde unterstützt von Locaboat Holidays.