Auf der Mutter des Wassers: Kreuzfahrt auf dem Mekong

Die „Mekong Sun“ ist ein ganz aus Holz gebautes Boutiqueschiff, das von „Lernidee Erlebnisreisen“ gechartert wurde, maximal 28 Passagieren Platz bietet und sich bestens in die Landschaft einfügt.
Die „Mekong Sun“ ist ein ganz aus Holz gebautes Boutiqueschiff, das von „Lernidee Erlebnisreisen“ gechartert wurde, maximal 28 Passagieren Platz bietet und sich bestens in die Landschaft einfügt. Foto: Ulf Steffenfauseweh

Es ist ein Traum für viele: eine Kreuzfahrt auf dem Mekong. Unser Redakteur ist von 
Vientiane ins Goldene Dreieck gereist und hat auch viele tolle Bilder mitgebracht.

Lesezeit: 10 Minuten
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Von unserem Redakteur Ulf Steffenfauseweh

Wenn alte Thai melancholisch werden, dann schauen sie nach Osten. Laos, so sagen sie, ist wie ihr Thailand der Jugendzeit. Mag sein, dass das eine wehmütige „Früher war alles besser“-Glorifizierung ist. Aber dass die Zeit in dem kleinen südostasiatischen Binnenland mit dem Umriss eines Schlüssellochs stehen geblieben ist, stimmt. Von Globalisierung keine Spur. Das alte Indochina lebt hier – noch.

Als Reisender kann man herunterfahren – vor allem wenn man das wörtlich nimmt und sich auf den gemächlich mäandernden Mekong begibt. Eine Kreuzfahrt auf der „Mutter des Wassers“, wie er in der Landessprache heißt, ist die pure Entschleunigung. Denn auf dem mächtigen Strom ist zumindest im laotischen Mittelteil wenig los. Manchmal baden ein paar Kinder am Ufer, wirft ein Fischer ein umfunktioniertes Moskitonetz aus, liegen Wasserbüffel faul auf einer Sandbank herum. Ansonsten zieht die hügelige Landschaft wie ein endloses Panoramabild vorbei: Grün, ganz viel Grün, vor allem Bananenpalmen und Reisplantagen, aber auch Gummi-, Mahagoni- und Teakholz-Bäume und viele Obstsorten.

Verkehr gibt es auf dem sagenumwobenen Strom kaum. Wollte man den zehntlängsten Fluss der Erde mit einer Straße vergleichen, dann wäre der Mekong ein mal ziemlich breiter, dann aber auch wieder fast zugewucherter Trampelpfad – und der Rhein dagegen die A3 bei Köln. Auf dem asiatischen Fluss kommt keine Hektik auf. Ab und an überholt ein schmales Langboot mit tuckerndem Außenbordmotor, ansonsten ist es meist still. Auch Dörfer sieht man kaum. Der Mekong kann in der Regenzeit stark anschwellen. Deshalb sind die Häuser fast immer zurückversetzt gebaut. Frachtkähne sind äußerst selten, was daran liegt, dass der Strom unbezwungen und nicht in ein Bett gepresst ist. Die Franzosen haben in ihrer Kolonialzeit (1893- 1954) jahrzehntelang versucht, ihn durchgängig schiffbar zu machen, sind aber gescheitert. Erst die Chinesen schafften es mit einigen Sprengungen im Goldenen Dreieck. Trotzdem gibt es bis heute keine verlässlichen Karten, verändert sich der Fluss häufig. Wer hier Kapitän sein will, braucht viel Erfahrung.

Und wer als Passagier auf einem der wenigen Kreuzfahrtschiffe mehr über Land und Leute erfahren möchte, braucht einen Gesprächspartner wie Ben Göller. Der Abenteurer aus dem badischen Boxberg (bei Tauberbischofsheim) wollte nach dem Abi „mal was anderes machen“. Auf dem Geburtstag seiner Tante lernte er einen evangelischen Pfarrer kennen, dessen Sohn in Laos eine Schule aufbaute. Ben Göller nahm Kontakt auf, flog hin, half mit – und blieb. „Vor allem wegen der Menschen“, sagt er „Es sind unglaublich konservative Leute, aber auch unglaublich offene. Sie nehmen jeden herzlich auf, der sich respektvoll verhält“, berichtet er und erklärt den großen Unterschied zu Deutschland: „Man lebt im Hier und Jetzt, kein Gedanke an morgen. Das macht Verabredungen oft schwierig, weil die Leute unzuverlässig sind. Dafür ist Spontanität normal“, erzählt er. Spontan ist auch er. Denn aus den anfänglich geplanten sechs Monaten sind sechs Jahre geworden, die er mittlerweile im Land lebt. Selbst die völlig fremde Sprache spricht er fließend, was auch bei den Einheimischen in den Dörfern nicht selten freudiges Staunen auslöst. „Es ist eine Lautsprache. Wenn man das erst mal verstanden hat, ist sie gar nicht mehr schwer“, findet er.

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Seinem Titel als Kreuzfahrtdirektor auf der schicken „Mekong Sun“, dem Schiff, das „Lernidee Erlebnisreisen“ für seine deutschen Gäste gechartet hat, wird er so vollauf gerecht, zumal sich Ben Göller in der gesamten Region auskennt und bei seinen Erklärungen der Eigenarten und Besonderheiten immer wieder Vergleiche heranziehen kann. Rund 150 Tage im Jahr arbeitet er, die andere Zeit fliegt der Abenteurer mit dem motorisierten Gleitschirm übers Land oder fährt mit seiner Enduro durch Südostasien. Auf 15 000 Kilometer Laos, Thailand, Kambodscha, Vietnam und Myanmar ist er dabei nach eigener Schätzung bislang gekommen. Und er spricht mit den Menschen, beobachtet, saugt die Informationen offensichtlich nur so auf, um sie später den Gästen unterhaltsam zu präsentieren.

Los geht die Reise in Vientiane, der „langweiligsten Hauptstadt Südostasiens“, wie Göller sie lächelnd nennt, obwohl seine Freundin dort lebt. „Ein kulturelles Angebot existiert praktisch nicht. Bis vor zehn Jahren gab es hier nicht einmal ein Kino“, erzählt er und ergänzt: „So langsam wird's. Die Stadt wächst.“ Touristen aus Deutschland stört das alles wenig. Vor allem, wenn sie – was sich sehr anbietet – über Bangkok angereist sind und in der hektisch pulsierenden Metropole Thailands einen Zwischenstopp eingelegt haben, spüren sie sofort das veränderte Tempo, das Laos ausmacht. Vientiane ist mit seinen rund 200 000 Einwohnern dabei noch die größte Stadt des Landes, hier wohnt die Elite.

So sind die Straßen teilweise zugeparkt mit SUV von Lexus, Hyundai und selbst Porsche. Strafzettel bekommen die nicht. „Kein Polizist traut sich das bei einem Wagen, der mehr kostet, als er selbst je verdienen wird. Denn der Besitzer wird wahrscheinlich irgendwelche Beziehungen haben“, erklärt Göller. Dennoch: Im Großen und Ganzen geht es auch auf Vientianes Straßen sehr gesittet zu. Kein Vergleich zu Bangkok oder Saigon. Keine Straßenkreuzungen, bei denen sich Lawinen aus Blech verknäulen und wie durch ein Wunder wieder auflösen.

Zu besichtigen gibt es in Vientiane dennoch einiges. Zumindest ein oder zwei Tage lang wird es Touristen in der „langweiligsten Hauptstadt“ keinesfalls öde. Vat Sisaket zum Beispiel lohnt definitiv einen Besuch. Das älteste erhaltene und noch aktive Kloster der Stadt, dessen Wandmalereien derzeit mit deutscher Hilfe restauriert werden, stammt aus dem Jahr 1818 und beherbergt 10 000 Buddhafiguren. Die meisten kann man anschauen, man sollte sich im Wandelgang nur immer im Uhrzeigersinn bewegen. Sonst wäre man für die Laoten auf einer Beerdigung. Noch älter und prächtiger ist That Luang. Die große buddhistische Stupa gilt als Wahrzeichen der Stadt. Rund 500 Kilogramm Blattgold geben dem 69 mal 69 Meter großen Gebäude aus dem 16. Jahrhundert seine Farbe. Ihre drei Ebenen sollen den Aufstieg von der Erde in den Himmel symbolisieren – komprimiert auf 45 Metern.

Auf der Mutter des Wassers
Foto: ulf

Noch vier Meter höher ist Patuxai, der Triumphbogen im Stadtzentrum, der an sein deutlich berühmteres – wenngleich kleineres – Pendant auf den Champs-Élysées erinnert und bestiegen werden kann. Von oben hat man einen tollen Blick über die Stadt, innen gibt es allerlei Nippes zu kaufen, darunter auch rote Fahnen mit Hammer und Sichel. Denn Laos ist eine der letzten verbliebenen Volksrepubliken sowjetischer Prägung, mit kurioser Geschichte: Ausgerechnet ein Prinz – Souphanouvong – war der erste Präsident des kommunistischen Landes. Vorher hatten die USA im „Geheimen Krieg“ von 1964 bis 1975 so viele Bomben auf Laos abgeworfen wie auf kein anderes Land der Welt. Umgerechnet warfen die Amerikaner alle sieben Minuten einen Sprengkörper – und das elf Jahre lang. Ähnlich wie im benachbarten Vietnam, das bis heute als Schutzmacht gilt und Truppen im Land hat, schufen die Laoten ein unterirdisches System, wuchsen teilweise in Höhlen auf. Nach dem Ende des nie offiziell deklarierten Krieges schottete sich das Land ab, ähnlich wie Nordkorea. Die Öffnung begann erst 1990. Trotzdem rangiert Laos noch heute auf der von „Reportern ohne Grenzen“ herausgegebenen Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 171 von 180.

Der Besucher bekommt davon allerdings wenig mit. Anders als im benachbarten Thailand, wo an fast jeder Straßenecke König Bhumibol oder seine Gattin Sirikit grüßen, sieht man in Laos nur wenig öffentliche Propaganda. Auch Ben Göller beschreibt die Politik der Einheitspartei eher als pragmatisch denn als repressiv. Mit den buddhistischen Klöstern, die gleichzeitig eine Art Sozialsystem des Landes darstellen, befindet sie sich im guten Einklang. Und wenn zum Beispiel in den Bergdörfern entlang des Mekongs ein Lautsprecher am zentralen Platz hängt, dann verbreitet der zwar Regierungspropaganda. Aber da die Bevölkerung sonst kaum Informationsquellen hat, werden hier für die Menschen vor allem Neuigkeiten verbreitet, sagt Göller. Parallel dazu treibt die Regierung die Alphabetisierung voran. Das Ziel, in jedem Dorf eine (Grund-)Schule zu haben, ist auch dank japanischer Unterstützung fast erreicht. Konnten 1980, fünf Jahre nach der Revolution, gerade einmal 30 Prozent der Laoten lesen und schreiben, so sollen es heute schon 70 Prozent sein.

Dabei ist das Land bettelarm und rückständig. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt bei rund 100 Dollar. Hungern müssen die Menschen aber wegen der sprießenden Natur trotzdem nicht. So leben die meisten der sechs Millionen Laoten in den kleinen Dörfern entlang des Mekongs und betreiben vielfach Subsistenzwirtschaft, sprich: Selbstversorgung. Traditioneller Erbe der Reisbauern ist dabei übrigens die jüngste Tochter.

Für Besucher, die den Strom von Vientiane aus in Richtung Goldenes Dreieck befahren, hat die Abgeschiedenheit den angenehmen Nebeneffekt, dass die Menschen in den Dörfern überhaupt nicht auf Tourismus ausgerichtet sind. Wenn das Schiff an einer Sandbank anlegt und man an Land geht, muss man sich nicht erst an Verkaufsständen vorbeikämpfen. Niemand bettelt, die Laoten leben einfach ihr Leben weiter, beobachten Fremde gelassen und lächelnd. Ankert das Schiff über Nacht in der Nähe eines Dorfes, kann man in den Gaststätten völlig ungestört ein Beerlao trinken. Nur die Kinder sind tagsüber weniger zurückhaltend und folgen Ausländergruppen gern durch den Ort. Weiße Menschen sehen sie nicht oft, entsprechend neugierig sind sie. Entfernt man sich vom Fluss, soll es noch viel rückständiger werden, erzählt Ben Göller. „Für jeden Kilometer, den du vom Mekong nach Osten gehst, gehst du ein Jahrhundert zurück“, überspitzt Göller es.

Moderner sieht es dagegen aus, wenn man vier Tage nach dem Aufbruch in Vientiane den gerade im Bau befindlichen Xaiyabouri Damm erreicht. Weil in Laos ohnehin schon mehr Strom produziert als verbraucht wird, hat sich die Regierung mehr als 20 Jahre dem Drängen Chinas widersetzt, „die Batterie Südostasiens“ zu werden. Jetzt wird der Staudamm doch gebaut – allerdings von einem europäischen Konsortium mit Beteiligung des deutschen Konzerns Bilfinger.

Die Regierung verspricht sich davon, dass die Auflagen zum Schutz des Flusses eingehalten werden. Sediment und Fische sollen durchkommen, Letztere sind sogar einzeln gezählt worden. Der Mekong ist die Lebensader des Landes und soll es bleiben – auch wenn klar ist, dass er sich verändern wird. Einen Tag später erreicht die „Mekong Sun“ schließlich nach einem Abstecher zu den wunderschönen Wasserfällen von Kuang Si die alte Königsstadt Luan Prabang. Sie zählt zum Unesco-Weltkulturerbe und ist mit ihren vielen schönen Tempeln und Klöstern eine echte Schönheit. Auch bei Rucksacktouristen ist sie ein beliebtes Ziel. Der Tourismus hat die 50 000-Einwohner-Stadt mittlerweile revitalisiert, ihr die gemütliche Atmosphäre, die auch auf der pittoresken Hauptstraße mit ihren vielen kleinen Restaurants und Läden herrscht, jedoch nicht genommen. Auch hier geht das Leben gemächlich und entspannt voran.

Auf der Mutter des Wassers
Foto: ulf

Anstrengend wird es nur, wenn man trotz Hitze über 329 Stufen den Phou Si erklimmen will. Auf dem kleinen Berg wird man dafür mit einem herrlichen Blick auf Stadt und Mekong belohnt. Auch einen Abstecher in die Vororte sollte man wagen, wo man in Handwerkervierteln kleine Manufakturen der Seide- und Papierherstellung besuchen kann. Zurück auf der „Mutter des Wassers“ geht es weiter in Richtung Norden. Nach kurzer Fahrt passiert man die Berghöhlen von Pak Ou, die die Einheimischen als heiligen Ort verehren und in denen sich mehr als 6000 Buddhastatuen befinden.

Einen Tag später kann man bei Pakbeng ein Elefantencamp besuchen und darf auch auf den Rücken der gutmütigen Dickhäuter klettern. Wer viel Glück hat, kann auch von Bord aus wilde Elefanten entdecken. Lane Xang, das „Land der Millionen Elefanten“, wie Laos früher genannt wurde, ist es zwar nicht mehr, aber rund 1000 frei lebende Tiere soll es noch geben. Nach zehn Tagen auf dem Fluss endet die Fahrt im Goldenen Dreieck. Das sieht an der Stelle, an der eine Landzunge Myanmars in die Grenzregion von Laos und Thailand hereinragt, tatsächlich aus wie das Deutsche Eck – nur ohne Kaiser Wilhelm hoch zu Ross.

Berüchtigt als eines der weltweiten Hauptanbaugebiete für Schlafmohn lohnt ein Besuch des Opiummuseums auf thailändischer Seite. Bleibt man danach noch ein wenig in der Stadt Chiang Rai, spürt man den Unterschied sofort. Die Straßen werden wieder breiter, der Verkehr dichter und auch die Menschen – obwohl viele Lao unter ihnen sind – gehen irgendwie schneller, hektischer. Willkommen zurück in der globalisierten Zivilisation.

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Wissenswertes für Reisende:

Anreise: Sowohl die Anreise nach Vientiane als auch die Abreise von Chiang Rai sollte man über das gut eine Flugstunde entfernte Bangkok planen. Der Flug von Frankfurt dauert rund elf Stunden.

Zielgruppe: Eine Mekong-Kreuzfahrt ist geeignet für unaufgeregte Entdecker und Fotofans.

Beste Reisezeit: Oktober bis Februar. Die Monate März bis Mai sollte man meiden, wenn man kein ausgesprochener Fan von Saunatemperaturen ist.

Unsere fünf Ausflugstipps:

  • Luang Prabang: Die alte Königsstadt ist eine echte Perle.
  • Bergdörfer am Mekong: Hier kann man unverfälscht das Leben beobachten.
  • Bad im Mekong: einfach hineinspringen. Das Wasser ist zwar schlammig-braun, aber sauber und sehr weich. Außerdem gibt die satt-grüne Umgebung eine herrliche Atmosphäre.
  • Wasserfälle von Kuang Si: wunderschönes Naturschauspiel. Im Park gibt es außerdem ein Bären-Rettungs-Zentrum.
  • Elefantencamp bei Pakbeng: Schon mal auf einem Dickhäuter gesessen? Hier darf man.


Unser Autor ist auf Einladung von „Lernidee Erlebnisreisen“ mit der „Mekong Sun“ gereist.