Auto News
„Nutzfahrzeuge sind für uns das wichtigste Geschäft“ – Im Gespräch: Claudia Vogt, Direktorin Ford Pro DACH, und Christian Weingärtner, Geschäftsführer Marketing und Verkauf der Ford-Werke

In den USA sind es Pick-ups, hier Transporter. In beiden Fällen ist Ford vorne dabei oder Marktführer, anders als bei Pkw. Sind die Nutzfahrzeuge heute wichtiger für die Marke fragten wir zwei, die es wissen müssten.  

SP-X/Hannover. Bei Ford liegen Licht und Schatten nah beieinander. Während die Pkw-Sparte seit Jahren im Sinkflug ist, meldet das Nutzfahrzeuggeschäft historische Höchststände. Doch die Traditionsmarke will mehr. Mit neuen Antrieben und digitalen Dienstleistungen nimmt sie seine gewerblichen Kunden an die Hand und begleitet sie bei der Transformation.

Mit fast 40.000 Zulassungen und einem Marktanteil von 13,5% im ersten Halbjahr 2024 verzeichnen Sie bei Ford Pro derzeit Rekordabsätze. Wann überholt die Nutzfahrzeugsparte das Pkw-Geschäft?

Weingärtner: Weltweit nicht so schnell. Aber mit Blick auf Deutschland hatten wir jetzt schon einzelne Monate, in denen wir mehr Transporter abgesetzt haben als Pkw. Für uns sind Nutzfahrzeuge das wichtigste Geschäft. Aber Ford ist ja grundsätzlich stark in diesem Bereich. Mit der F-Series dominieren wir in Amerika das Segment der Pick-Ups seit fast 50 Jahren. In allen Ländern, in denen wir den Ranger anbieten, sind wir ebenfalls Marktführer. Das gilt ebenso für den Transit in den USA und hier in Europa. Diesen Fokus auf leichte Nutzfahrzeuge hat nicht jeder OEM. Im Gegenteil: Andere Hersteller nutzen vermehrt unsere Expertise und springen auf unsere Produkte auf. Jeder sucht sich den Bereich, wo er richtig stark ist. Für die einen ist es der Pkw-Volumenmarkt, für die anderen das Luxusgeschäft. Und für uns ist es eben das Nutzfahrzeugsegment.

Hier auf der IAA stehen alle Zeichen auf Elektro. Doch der Anteil an Stromern liegt im kommerziellen Bereich mit durchschnittlich 5,5% nochmal deutlich unterhalb des Pkw-Marktes. Was tun Sie, um Ihre Kunden von einem Umstieg zu überzeugen?

Vogt: Wenn man so will, sind wir mit der Vorstellung des Ranger PHEV auf der IAA Transportation zum Vollsortimenter in Sachen Elektrifizierung geworden und präsentieren hier erstmals unser komplett elektrifiziertes Line-Up. Das größte Volumen versprechen wir uns mit dem Ford Custom im 1-Tonner-Bereich, der jetzt zu den Händlern kommt. Dort decken wir ein breites Spektrum an Anwendern ab. Aber letztlich ist es eine Detailarbeit mit jedem einzelnen Betrieb. Wir sind individuell auf Kundenbasis unterwegs und bieten mit E-Switch Assist eine neue Software-Funktion an, die anhand einer Echtzeitdatenanalyse ermittelt, bei welchem Flottenfahrzeug sich schon heute ein Umstieg auf die Elektro-Variante lohnt. So unterstützen wir Gewerbekunden bei der Entscheidung: Macht das Elektrofahrzeug jetzt Sinn, wann macht es künftig Sinn oder ist ein Plug-in Hybrid oder ein Diesel im Moment die passende Variante.

Weingärtner: Wie sinnvoll die jeweilige Antriebsalternative ist, hängt im Nutzfahrzeugsegment stärker vom Einsatzzweck ab als anderswo. Für Paketdienste lohnt es sich heute schon, sich damit zu beschäftigen. Der Transporter legt vielleicht ohnehin nur 80 Kilometer am Tag zurück, bleibt alle 50 Meter stehen und fährt wieder los. Dann ist die Elektrovariante bereits heute schon dem Verbrenner überlegen. Denn ich habe niedrigere Energiekosten, weniger Verschleiß und damit auch geringen Wartungs- und Reparaturaufwand. Wohingegen wahrscheinlich Camper-Umbauten am schwierigsten sind. Das Auto steht oft das ganze Jahr in der Garage herum und wenn es dann fährt, dann oft 2.000 Kilometer am Stück.

Ab 2025 gelten schärfere CO2-Grenzwerte, damit drohen Herstellern Strafen in Milliardenhöhe, falls diese gerissen werden. Kommt es zur Rabattschlacht bei E-Autos oder verteuern Sie eher Modelle mit Verbrennungsmotor?

Weingärtner: Das bleibt abzuwarten. Es ist eine typisch deutsche Diskussion, die wir hier führen. Sowohl auf bei den Pkw als auch im Nutzfahrzeuggeschäft ist Deutschland mit der EV-kritischste Markt. Die meisten anderen Länder legen bei den EV zu. Daher ist es gut, dass es eine EU-weite Rechnung ist. Klar ist aber auch: Wir werden unseren Beitrag dazu leisten müssen. Und das werden wir. Jedes Jahr kommen neue Anwendungsfälle dazu, die von besserer Batterieleistung und sinkenden Preisen profitieren. Nach den Paketdienstleistern sind es die Handwerker, dann die Bäckereien, usw.

Auch bei der Digitalisierung landet Deutschland eher im Mittelfeld. Warum gibt es so große Vorbehalte bei der Einführung von Konnektivitätsdiensten?

Vogt: Jeder Markt ist in einer unterschiedlichen Geschwindigkeit unterwegs. Nicht zuletzt richtet sich das nach dem Datenschutz. Auch wenn es eine EU-weite Regelung gibt, sehen wir in den Märkten unterschiedliche Interpretationen der Gesetze. Wie bei den Antrieben gibt es auch bei den digitalen Services hierzulande noch viel Informations- und Beratungsbedarf.

Weingärtner: Man muss fairerweise sagen: Lange Zeit boten Konnektivitätsdienste nur wenig Vorteile. Doch das ist heute anders. Unsere Mitarbeiter im Kölner FORD-Live-Center überwachen aus der Ferne den Zustand der vernetzten Fahrzeuge und können rechtzeitig den Fuhrparkleitern Probleme melden. Damit lassen sich im Idealfall größere Reparaturen ganz vermeiden, weil man rechtzeitig gehandelt hat. So ergibt sich ein unmittelbarer monetärer Vorteil. Gerade Großkunden mit einer hohen Zahl an Daten haben das erkannt. Und wir bauen unser ohnehin schon branchenweit umfassendstes Angebot an smarten Lösungen und digitalen Services weiter aus, um mit maßgeschneiderten Ford Pro Dienstleistungen auch kleine und mittlere Unternehmen gezielt zu unterstützen und ihr Geschäft produktiver zu machen.

Alexander Sellei/SP-X