Pro: Joachim Schulte

Sollten gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren dürfen? Die Frage muss selbstverständlich mit Ja beantwortet werden. Als jemand, der Kinder aus sogenannten Regenbogenfamilien – wo also ein lesbisches Paar oder ein schwules Paar Eltern sind – kennt, weiß ich, dass allein diese Frage schon als Zumutung erlebt wird.

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Warum? Weil sie unterstellt, dass homosexuelle Eltern schlechtere Eltern sind als heterosexuelle Eltern, und das ist definitiv nicht der Fall. Untersuchungen homosexueller Paare zeigen, dass der Wunsch, Eltern zu werden, in homosexuellen Partnerschaften im Durchschnitt wesentlich länger und gründlicher bedacht wird als bei heterosexuellen (Untersuchung der Uni Bamberg, 2009).

Zweitens unterstellt die Frage, dass allein die Heterosexualität ein Paar zu guten Eltern macht.

Auch das ist – wie wir aus den furchtbaren Fällen verwahrloster und missbrauchter Kinder in heterosexuellen Beziehungen wissen – nicht der Fall. Elternschaft ist heutzutage unabhängig von der sexuellen Identität der Eltern eine Frage der Entscheidung und Reife, und – im Unterschied zu früher – Elternschaft ist etwas Gelerntes. Den Wunsch, Eltern zu werden, haben heterosexuelle wie homosexuelle Paare, und auch die Verantwortung, die die positive Entscheidung mit sich bringt, teilen beide gemeinsam. Aber es gibt neben diesen Fragen (Kann ich Eltern sein? Können/ wollen wir es uns „leisten“, Eltern zu sein? Sind wir bereit zu „verzichten“?) bei homosexuellen Eltern noch Fragen, die sich bei heterosexuellen Paaren nur ein kleinerer Teil stellen muss. Wie werde ich Eltern?

Auch hier unterscheiden sich die Wege bei homosexuellen Elternpaaren nicht von solchen heterosexueller Paare, die zum Beispiel aus biologischen Gründen eines Elternteils nicht Eltern werden können, es sich aber dennoch wünschen: Insemination. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Standesorganisation der Ärzte lesbischen Paaren die Insemination häufig verweigert.

Lesbische Paare stehen des Weiteren vor der Notwendigkeit, dass das gemeinsam gewünschte und gezeugte Kind rechtlich nicht als Kind zweier Elternteile geboren wird, sondern die nicht biologische Mutter das Kind erst danach – in der Regel nach einem Jahr – adoptieren kann. Was, wenn zum Beispiel durch ein Unglück die biologische Mutter stirbt? Rechtlich gesehen hat die Lebenspartnerin dann keine Ansprüche – ein unhaltbarer Zustand. Daher muss die rechtliche Ungleichbehandlung dringend geändert werden.

Der andere Weg zur Elternschaft ist die Adoption. Auch hier gibt es, was die Voraussetzungen zur Adoption anbelangt, keine Unterschiede zwischen heterosexuellen und homosexuellen Paaren. Der Unterschied besteht auch hier wiederum in den zusätzlichen rechtlichen Hürden, die homosexuelle Paare überwinden müssen. Diese zusätzlichen Hürden müssen endlich fallen. Es ist mehr als bedauerlich, dass die Politik der jetzigen Bundesregierung immer noch meint, Lesben und Schwule als Geiseln nehmen zu können, um sich von den politischen „Mitbewerbern“ abzugrenzen.

Aber Elternschaft ist ja am allerwenigsten eine Entscheidung der Zeugung eines Kindes, sondern vielmehr des Zusammenlebens mit Kindern. Hier steht an erster Stelle, dass Kinder sich als gewollt erleben, dass sie elterliche Liebe erfahren. Dazu ist jeder Mensch/jedes Paar unabhängig von seiner sexuellen Identität fähig – oder eben nicht. Entsprechend glücklich erleben Kinder ihr Elternhaus. Interviews mit Kindern aus Regenbogenfamilien zeigen zweierlei: Erstens: Es gibt keinen Unterschied zu den Elternhäusern ihrer heterosexuellen Freundinnen und Freunde – Eltern sind akzeptiert, nerven, sind einfach selbstverständlich da. Für die Jugendlichen stellt sich die Frage, wer Mann und wer Frau ist, nicht, weil sie nicht nur zu Hause, sondern auch bei ihren Freundinnen und Freunden Elternhäuser beobachten, wo Mütter selbstverständlich arbeiten gehen, wo Väter Hausarbeit machen. Familienbilder und damit klassische Geschlechterrollenzuschreibungen sind gerade in den vergangenen Jahren bedingt durch den ökonomischen Druck extrem in Bewegung geraten. Hier gibt es nichts „Normales“ mehr.

Zweitens: Regenbogenfamilien neigen dazu, Kinder in größerem Umfeld aufwachsen zu lassen; der beste Freund der Familie, der von Anfang an dazugehört, ein anderes Paar, mit dem man viel zusammen macht etc. Und diese nahen Bekannten bilden eine erweiterte Familie und sind in der Regel nicht mehrheitlich homosexuell. Für die Kinder bedeutet das ein weites Spektrum an (Geschlechter-)Rollenbildern.

Und noch eins berichten Kinder aus Regenbogenfamilien: Sie erleben, dass sich ihre Eltern sehr bewusst mit ihrer eigenen sexuellen Identität auseinandergesetzt haben und dadurch eine große Offenheit des Denkens in ihre Familie hineingekommen ist. Regenbogenfamilien reden – in der Beobachtung dieser Kinder – mehr miteinander, als das heterosexuelle Familien gewöhnlich tun. Das hat sie zu selbstständigen und selbstbewussten Menschen gemacht, die ein offenes Ohr für die Welt haben und große Empathie für ihre Umgebung entwickeln. Kann sich eine Gesellschaft mehr wünschen? Ach ja, natürlich, dass Regenbogenfamilien so selbstverständlich sind wie jede Farbe und jeder Mensch auf der Welt und die rechtlichen und gesellschaftlichen Barrieren endlich fallen.