Rheinland-Pfalz

Der Nürburgring hat wieder eine Zukunft

Bei einem Vergleich geht es vor allem um Zahlen. Die wichtigsten Ziffern in dem am Dienstag beurkundeten Vertrag stehen auf Seite 20 des umfangreichen Dokuments. Darüber haben Sanierer und Pächter am Ring mehrere Monate verhandelt. Am Ende einer Tabelle steht folgender Satz: „Die Parteien vereinbaren die Verrechnung aller Beträge, sodass am Rückgabestichtag von der NAG an die NG der Gesamtrestbetrag von Euro 272 480 zu zahlen ist.“

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Rheinland-Pfalz. Bei einem Vergleich geht es vor allem um Zahlen. Die wichtigsten Ziffern in dem am Dienstag beurkundeten Vertrag stehen auf Seite 20 des umfangreichen Dokuments. Dort ist unter Ziffer 29 (Teil D) von Zahlungen die Rede. Akribisch wird aufgeführt, was mit wem verrechnet wird. Darüber haben die Sanierer und die Pächter am Ring mehrere Monate verhandelt.

Am Ende der Tabelle steht folgender Satz: „Die Parteien vereinbaren die Verrechnung aller Beträge, sodass am Rückgabestichtag von der NAG an die NG der Gesamtrestbetrag von Euro 272 480 zu zahlen ist.“

Hinter dem Kürzel NAG verbirgt sich bekanntlich die Nürburgring Automotive GmbH (NAG), also die Gesellschaft der Pächter. Die Abkürzung NG steht für die insolvente Nürburgring GmbH und damit für die alte, nahezu landeseigene Besitzgesellschaft.

Mit der Zahlung jener 272 480 Euro sind alle Ansprüche abgegolten. Nach einem millionenschweren goldenen Handschlag klingt das beileibe nicht. Auf die Rückzahlung der 3,2 Millionen Euro umfassenden Tourismusabgabe (auch Spielbankabgabe genannt) haben die Sanierer offenbar nicht mehr gedrängt. Diese hatten die Pächter einst einbehalten, weil sie diesen Betrag für sich reklamierten – der Ausgangspunkt allen Streits.

Der vom damaligen Wirtschaftsminister Hendrik Hering (SPD) ausgehandelte Pachtvertrag ist an dieser Stelle tatsächlich unscharf. Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung hätten die Sanierer nicht sicher sein können, sich durchzusetzen.

Daraus kann man durchaus eine Niederlage für die Mainzer Landesregierung ablesen, die stets so tat, als wäre sie mit dem Vertrag auf der sicheren Seite. War sie offenbar nicht. Dass die Sanierer nicht auf die Spielbankabgabe pochten, hat allerdings noch einen anderen, vielleicht sogar gewichtigeren Grund. Sie hätten die NAG zwangsläufig in die Insolvenz getrieben. Und in einem Insolvenzverfahren wäre eine Aufrechnung aller Forderungen nicht mehr möglich gewesen. Die Sanierer gingen lieber auf Nummer sicher, um an ihr Geld zu kommen.

Sanierer brauchten vor allem den Besitz zurück

Die Verhältnisse am Nürburgring sind kompliziert. Einfach gesprochen, lassen sie sich auf folgende Formel bringen: ohne Besitz keine Verwertung, ohne Verwertung keine Zukunft. Um die Neuordnung des Nürburgrings auf den Weg zu bringen, brauchen die Sanierer Thomas Schmidt und Jens Lieser den Zugriff auf den Eifelkurs. Ansonsten können sie keine Lösung ausarbeiten, die einen durchgehenden Betrieb garantiert. Der schlimmste Fall wäre eine Stilllegung des Nürburgrings durch die EU-Kommission gewesen – mit verheerenden Folgen. Auch dieses Szenario versucht man mit dem Vergleich abzuwenden.

Pächter müssen den Nürburgring sofort herausgeben

Nun müssen die Pächter den Nürburgring sofort herausgeben. So ist es auf Seite fünf des Vergleichsvertrags geregelt. Der Betriebspachtvertrag wird rückwirkend zum 31. Oktober dieses Jahres aufgehoben. Für den Zeitraum vom 1. Mai bis Ende Oktober 2012 wird die Pacht „endgültig und ohne weitere Abrechnung“ auf 3,4 Millionen Euro zuzüglich Mehrwertsteuer festgelegt. Neben dem Pachtvertrag sind auch weitere Verträge obsolet.

Die Sanierer sichern sich zudem den Zugriff auf das bargeldlose Bezahlsystem am Nürburgring, das die Cash Settlement & Ticketing GmbH (CST) betreibt. Diese gehört aber zu 50 Prozent dem NAG-Gesellschafter Kai Richter und zwei weiteren Unternehmern. Im Rahmen der gegenseitigen Aufrechnung von Forderungen zahlt die Nürburgring GmbH 640 000 Euro an die entsprechende Richter-Firma, um fortan die Kontrolle über das Bezahlsystem zu haben.

Kompromisse mit den Pächtern waren nötig

Die NAG-Gesellschafter Kai Richter und Jörg Lindner, die in dem Vergleich einen Erfolg sehen, sind nicht aus dem Ring-Geschäft. Schließlich haben die (früheren) Pächter das Recht, 2013 die Formel 1 an den Nürburgring zu holen. Das muss allerdings extrem kostengünstig erfolgen. Die ursprüngliche Laufzeit des Formel-1-Vertrages (bis 2030 mit Verlängerungsoption bis 2040) ist quasi aufgehoben. Denn sie gilt nicht mehr, wenn die Rennstrecke an einen anderen verkauft wird oder der Formel-1-Vertrag eine EU-konforme Ausschreibung blockieren würde.

Personal der NAG soll bleiben

Weiterlaufen wird der Kontrakt mit den beiden Lindner-Hotels am Nürburgring, allerdings mit limitierter Laufzeit (bis Ende 2015, bei einem Recht auf vorzeitige Kündigung bis Ende 2013).

Das Personal der NAG am gesamten Ring soll weitgehend in die von den Sanierern gegründete neue Firma überführt werden. Wer nicht wechseln will, wird ausgeliehen. Damit die Sanierer sich den Zugriff auf das leitende Fachpersonal sichern, zahlen sie 165 000 Euro. Mit weiteren 300 000 Euro wird die Verkürzung der Lindner-Hotel-Verträge vergolten. Diese Summen sind unabhängig von allen anderen Verrechnungen – also on top.

Von unserem Redakteur Dietmar Brück